Am Ende eines lehrreichen Abends war Xabi Alonso mächtig stolz. Der Trainer von Bayer Leverkusen schwärmte inmitten des Reifeprozesses von der "sehr seriösen und erwachsenen Leistung" seines Teams, er hob das "Champions-League-Mindset" des Double-Gewinners hervor und sendete nach dem nächsten Ausrufezeichen eine fast schon warnende Botschaft an die Konkurrenz. "Wir haben verstanden, was zu tun ist", betonte Alonso.
Was der Erfolgscoach damit meinte? Der Meister, der in der Vorsaison nahe der Perfektion gespielt hatte, wirkt bereit für den nächsten Entwicklungsschritt. Und Europas größte Fußballbühne kristallisiert sich zunehmend als perfektes Umfeld für diesen Lernprozess heraus. Der Auftritt beim hart erkämpften 1:0 gegen den italienischen Spitzenklub AC Milan stellte genau das eindrucksvoll unter Beweis.
"Diese Erfahrung und dieses Gefühl können wichtig sein für die Zukunft", sagte Alonso, dessen Team in der Schlussphase gegen Milan einen unerwarteten Stilwechsel vollzogen hatte. Statt mit gewohnter Offensivpower nach der Führung durch Victor Boniface (51.) zu erhöhen, schaltete Bayer in den Abwehrmodus. "Ein Ergebnis zu verteidigen", betonte Alonso, "das brauchen wir, wenn wir lange dabei sein wollen in der Champions League."
Starke Defensive
Es sind ungeahnte Fähigkeiten, die Leverkusen dieser Tage zum Erfolg führen. Viel war zu Beginn der Saison über die wacklige Werkself-Defensive diskutiert worden. Nachdem sich die Abwehr in München (1:1) auf Kosten der Offensive stabilisiert hatte, führen die Herausforderungen in der Königsklasse allmählich zur perfekten Balance.
"Wir sind gut mit dem Ball", sagte Antreiber Granit Xhaka - und ergänzte mit Blick auf die beiden Siege ohne Gegentreffer in der Champions League. "Aber man sieht auch: Wenn wir diszipliniert sind und diese Mentalität auf den Platz bringen, ist es brutal schwer, Tore gegen uns zu erzielen."
Dass Leverkusen gegen Milan "zur richtigen Zeit die defensive Widerstandskraft gezeigt" habe, nahm Sportchef Simon Rolfes wohlwollend zur Kenntnis.
Dass Bayer zweimal in Folge nicht mehr Ballbesitz als der Gegner hatte, erscheint ungewöhnlich. Mit Spannung darf darauf geblickt werden, wie das Team den Schalter nach zwei Highlight-Spielen umlegen kann. Lässt sich dieser Prozess, der Leverkusen auf ein noch höheres Level bringen soll, im Heimspiel gegen Holstein Kiel am Samstag (15:30 Uhr) ebenso vorantreiben?
"Wenn wir das Gefühl haben, dass wir gegen Kiel nur mit 70 Prozent gewinnen können, wäre das komplett falsch. Das darf uns nicht passieren", warnte Xhaka. Es sei in der Vorsaison jedoch "eine unsere Stärken" gewesen. "Wir haben genug Erfahrung in der Mannschaft."
Und eine Menge neuer Erkenntnisse durch das Milan-Spiel. Diese für manchen anstrengende Königsklassen-Lehrstunde sei "nicht einfach" gewesen, gab Alonso zu, "aber es war ein richtiger Schritt nach vorne."