Konrad Wysocki: „Ich wollte nie mit Nowitzki tauschen“

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Konrad Wysocki: „Ich wollte nie mit Nowitzki tauschen“

Konrad Wysocki (r.) bei den Olympischen Spielen 2008 an der Seite von Dirk Nowitzki
Konrad Wysocki (r.) bei den Olympischen Spielen 2008 an der Seite von Dirk NowitzkiProfimedia
Geboren im polnischen Rzeszów, aufgewachsen im deutschen Gießen war Konrad Wysocki immer neugierig Grenzen zu überschreiten, Perspektiven zu wechseln. Als Basketballer spielte der Forward 256 Mal in der Bundesliga, 146 Partien in Polens erster Liga. 50 Mal durfte er sich das Trikot der deutschen Nationalmannschaft überstreifen, die Basketball-EM in seinem Geburtsland und die Olympischen Spiele in Peking an der Seite von Dirk Nowitzki miterleben. Dass er von der Basketballbühne abgetreten ist, bereute er nie. Kurz nach seinem letzten Spiel wechselte Wysocki das Basketballtrikot gegen den Architektenanzug. Wir haben mit ihm über sein Leben auf und neben dem Basketballfeld gesprochen.

Konrad, du bist mit zwei Kulturen groß geworden. Welche Rolle spielten Deutschland und Polen in deiner Kindheit?

Ich bin in Polen geboren und kam mit vier nach Deutschland. Als ich klein war, erhielt mein Papa (Anm. d. Red.: Krzysztof Wysocki) ein Angebot, in Gießen Basketball zu spielen. Er hat uns dann nach Deutschland geholt. Meine Eltern sind beide polnisch und in Rzeszów an der polnisch-ukrainischen Grenze aufgewachsen. Meine Kindheit war geprägt von der polnischen Kultur. Mama hat polnisch gekocht, zuhause sprachen wir Polnisch. Meine Mutter besuchte Sprachkurse und konnte bald gut Deutsch. Mein Papa natürlich auch durch seine Arbeit und den Verein. Als bei mir Kindergarten und Schule anfingen, habe ich ebenfalls schnell Deutsch gelernt. Die polnischen Traditionen sind bis heute da – die Essenskultur und auch meine Mentalität sind polnisch geprägt. Eines blieb aber immer gleich: Wenn ich etwas falsch gemacht habe, gab es den Anpfiff auf Polnisch (lacht).

Du hast in Deutschland unter anderem in Oldenburg, Ulm und Crailsheim gespielt. In Polen warst du für Turow Zgorzelec und Anwil Włocławek aktiv. Welche Unterschiede hast du zwischen den Ländern festgestellt?

Es war unglaublich spannend nach Polen zu kommen, in das Land, in dem ich geboren wurde. Polen einmal aus einer ganz anderen Perspektive kennenzulernen, fand ich toll. Sportlich war es für mich natürlich ein riesen Ding. Ich bekam meinen polnischen Pass und war ein wertvoller Spieler, da jede Mannschaft immer mindestens zwei Polen auf dem Parkett haben musste. Es war eine super Zeit. Zusammen mit meiner Frau habe ich das Land bereist, sei es Gdynia am Strand oder die Berge bei Karpacz. Polen ist so vielseitig. Basketballerisch unterscheiden sich Deutschland und Polen. In Deutschland klatschen die Zuschauer und freuen sich. In Polen ist das ein bisschen mehr „Ostblock“. Da wird gebrüllt, geschrien, getrunken, gefeiert, geweint. Da bekommst du Gänsehaut.

Sind sich Deutsche und Polen 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nähergekommen oder gibt es immer noch Klischees?

Beide Länder profitieren voneinander. Man findet viele Görlitzer, die in Zgorzelec essen gehen oder andersherum auch viele Polen, die nach Deutschland zum Einkaufen kommen. Man kann sich in der Region das Beste aus beiden Welten herauspicken. Natürlich gibt es Klischees. Aber das sind gewollte Klischees, die man von Generation zu Generation mitnimmt.

Dein erstes Länderspiel hast du 2008 ausgerechnet gegen Polen bestritten. Hättest du dir auch vorstellen können, für die polnische Auswahl anzutreten?

Das war damals nie eine Option. Ich war schon in der deutschen Nationalmannschaft, bevor ich nach Polen gegangen bin. Wenn ich vorher in Polen gewesen wäre, hätte es auch anders ausgehen können. So wie es gelaufen ist, war es aber gut. Ich durfte in meinen 50 Länderspielen viel erleben – die Olympischen Spiele zusammen mit Dirk Nowitzki.

Nowitzki wird demnächst in die Hall of Fame aufgenommen. Wie hast du ihn damals erlebt?

Über Nowitzki wurden schon so viele Geschichten erzählt und Filme gedreht. Ich kann das Ganze nur bestätigen. Er ist ein so bodenständiger Kerl, supernett und superfreundlich. Aber ich wollte keinen einzigen Tag mit ihm tauschen. Was er täglich an Fotos machen und Autogramme geben muss, ist unvorstellbar. Im Olympischen Dorf mussten wir ihn abschirmen, da sich um ihn herum immer Menschentrauben gebildet haben. Dass er als Basketballer eine neue Ära gestartet hat, ist unbestritten – ein Big Man, der werfen und dribbeln kann. Er hat dem Basketball nicht nur in Deutschland viel gegeben. Er ist jemand, mit dem man sich als Deutscher gerne identifiziert.

Mittlerweile hat eine neue Generation sowohl in der deutschen, als auch der polnischen Nationalmannschaft übernommen. Bei der Eurobasket im vergangenen Jahr landeten Deutschland und Polen auf dem dritten und vierten Platz. Verfolgst du die positive Entwicklung beider Nationalmannschaften?

Selbstverständlich. Ich war schwer beeindruckt von den Polen, denen leider in den letzten beiden Spielen etwas die Luft ausgegangen ist. Es hat sich eine neue Generation entwickelt. Aleksander Balcerowski hat mir gut gefallen. Als Dauerbrenner spielt Mateusz Ponitka seit Jahren auf Euroleague-Niveau. Es macht Spaß, den Polen zuzuschauen. Bei den Deutschen zeigt sich ebenfalls eine neue junge Generation. Dabei waren noch gar nicht alle NBA-Spieler dabei. Auch etablierte Jungs wie Tibor Pleiß hätten ihren Teil beitragen können. Das Potenzial ist sehr groß. 

Du hast 2019 deine Spielerkarriere in Crailsheim beendet und mit dem Team den Klassenerhalt gefeiert. Es war die letzte Saison vor der Corona-Pandemie. Wie blickst du auf die Zeit zurück?

Das Ganze war ja nicht absehbar. Für mich war von Anfang an klar, dass 2019 mein letztes Jahr sein würde. Manche Mannschaftskameraden damals hätten meine Kinder sein können. Da kommt man irgendwann an den Punkt, an dem man sagt, jetzt ist es soweit. Auch wenn es in der Bundesliga Ausnahmespieler wie Rickey Paulding oder Tremmell Darden gibt, die bis 40 spielen. Ich wollte in meinem letzten Jahr noch zur Leistung meiner Mannschaft beitragen. Ich glaube, das ist mir gelungen. Mit einem solchen Gefühl seine Karriere zu beenden, ist für mich mehr wert, als noch ein, zwei weitere Jahre auf der Bank zu sitzen. Corona hat dem Basketball natürlich nicht gutgetan. Allein die Vorstellung, vor leeren Hallen zu spielen, wäre für mich ein Albtraum. Ich war immer ein Spieler, der die Nähe und das Publikum brauchte.

Wie ging es nach deinem Karriereende weiter?

Zwei Monate nach meinem letzten Spiel trat ich bei der Stadt Crailsheim als Architekt an. Der Übergang kam schneller als gedacht. Ich bereue den Schritt keine Sekunde. Ich wohne mit meiner Familie mittlerweile in Heidenheim und arbeite weiter als Architekt. Ich darf große Projekte führen und habe in den letzten Jahren sehr viel gelernt. Dinge, die man in der Basketballwelt so nicht bekommen kann. Man entwickelt sich als Mensch nochmal weiter. Es sind aber auch Herausforderungen, die ich bewältigen musste. Vor allem ein anderer Tagesablauf. Das Basketballerleben ist eine Nische, in der man wohlbehütet alles in den Schoß gelegt bekommt: Wohnung, Auto, Geld, Physiotermine, Arzttermine. Nach der Sportlerkarriere musst du dich um diese Dinge selbst kümmern. Ich freue mich jeden Tag, dass ich als Architekt arbeiten darf.

Neue Karriere: Konrad Wysocki (gelbes Shirt) auf einer seiner Baustellen
Neue Karriere: Konrad Wysocki (gelbes Shirt) auf einer seiner BaustellenStadt Heidenheim

Welche Bauprojekte betreust du derzeit?

Wir sind dabei, das Rathaus in Heidenheim zu sanieren. Ein Riesenprojekt mit Investitionen von 30 Millionen Euro. Parallel koordiniere ich einen Kindergartenausbau und eine Turnhallensanierung, die ich in diesem Sommer starte und die in den nächsten zwei Jahren fertig sein wird. Das sind meine drei Projekte. Beim Rathaus habe ich ordentlich Hilfe mit dabei, die anderen beiden Projekte betreue ich in Eigenregie. Es macht Spaß, zuständig für das Design, die Aufteilung der Räume oder die Fassadengestaltung zu sein. Am Ende bleibt etwas stehen. Du läufst vorbei und sagst: Hey, das war ich!  

Was für ein Bauprojekt könntest du dir noch vorstellen?

Man schmiedet immer neue Pläne. Warum nicht eine Basketballarena entwerfen? Das wäre grandios.

Konrad, vielen Dank für das Gespräch.