Thibault, wie fühlst du dich, jetzt wo die Weltmeisterschaft näher rückt?
Sehr gut, wirklich sehr gut. Das Turnier hat am 11. Dezember begonnen, ich spiele erst am 18., daher war ich noch lange in der Bretagne – ganz ruhig in meiner Heimat. Erst am Dienstag bin ich nach London geflogen.
Du bist also bis zum letzten Moment zu Hause geblieben?
Ja. Ich starte von Nantes aus, das ist nur etwa eine Stunde entfernt. Es reicht, wenn ich kurz vorher losfahre – wobei ich nicht erst am selben Tag reisen möchte. Man weiß nie, was im Verkehr oder mit den Transportmitteln passiert. Außerdem bin ich oft in England, rund 15 Mal im Jahr. Die Strecke ist mir also sehr vertraut.
Im Vergleich zum letzten Jahr ist dein Turnierstart diesmal deutlich später angesetzt.
Das stimmt, es ist ganz anders. Letztes Jahr habe ich direkt am ersten Abend gespielt, dieses Mal fast am Ende der ersten Runde, die sich über eine ganze Woche zieht. Ob das besser oder schlechter ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht (lacht).
Ich habe allerdings schon einige Überraschungen gesehen, und das zeigt mir, wie gefährlich diese erste Runde sein kann. Für mich ist sie eine Art Falle. Gleichzeitig hilft es mir mental, zu sehen, wie andere Spieler kämpfen – das bereitet mich auf das vor, was kommt.
Die Auslosung ist dennoch günstiger als im letzten Jahr.
Definitiv. Letztes Jahr habe ich zuerst einen Australier geschlagen und wenige Stunden später gegen die Nummer eins der Welt und amtierenden Weltmeister Luke Humphries gespielt. Die WM ist das wichtigste Turnier des Jahres und erzeugt enormen Druck. Zwei solche Spiele direkt am ersten Abend waren einfach zu viel für mich.
Inzwischen habe ich ein Jahr mehr Erfahrung auf der Profi-Tour gesammelt und gehe deutlich gelassener an die Sache heran. Außerdem ist das Feld dieses Jahr offener. Im Sport wäre es langweilig, wenn immer der Favorit gewinnt.
Zumal der mögliche Zweitrundengegner Ross Smith bereits ausgeschieden ist.
Ja, aber wer ihn geschlagen hat, muss auch stark gewesen sein. Ich will nicht vorgreifen, aber das Turnier ist dieses Jahr wirklich offen. Ich sage nicht, dass ich das Zeug habe, bis ganz nach vorne zu kommen, aber im Vergleich zu den letzten Jahren habe ich ausnahmsweise etwas Losglück.
Tricole als Botschafter des französischen Darts
Allerdings habe ich oft das Problem, dass ich gegen Topspieler besser spiele als gegen Außenseiter. Wenn ich Favorit bin, setze ich mich selbst unter Druck. Das ist etwas, das ich noch lernen muss: meinen Status zu akzeptieren. Erfahrung habe ich mittlerweile, aber wenn man ein Spiel im Kopf schon gewinnt, bevor es gespielt ist, wird es mental sehr schwierig.
Hinzu kommt der sportliche Einsatz: Ein Sieg würde deine Tour-Karte für nächstes Jahr sichern.
Genau. Aktuell liege ich etwa auf Rang 61, das sollte eigentlich reichen. Aber mit einem Sieg wäre ich definitiv durch. Rein rechnerisch könnte ich noch überholt werden, wenn mehrere Spieler sehr weit kommen – man weiß nie.
Dazu kommt der Druck aus Frankreich. Ich bin der einzige französische Teilnehmer, das Interesse ist groß. Die Begeisterung wächst, und ich bin sicher, dass viele dieses Jahr wieder im Fernsehen dabei sein werden. Die Einschaltquoten waren letztes Jahr sehr gut. Das ist Druck – aber ein positiver.
Du triffst auf einen neuen Gegner: Motomu Sakai.
Ja, ein Japaner, der hauptsächlich in Asien spielt. Er hat sich über ein Qualifikationsturnier qualifiziert und noch nie in Europa gespielt. Bei der WM gibt es 128 Spieler: die besten 64 der Tour und 64 Qualifikanten aus der ganzen Welt.
Ich hatte große Schwierigkeiten, Informationen über ihn zu finden, besonders über sein Spieltempo. Das ist extrem wichtig. Es gibt nur wenige Videos auf YouTube. Genau das macht das Spiel gefährlich: Er hat nichts zu verlieren, spielt nicht um seine Tour-Karte und steht zum ersten Mal auf dieser Bühne.
Gleichzeitig kann das für mich ein Vorteil sein. Der erste Auftritt auf der WM-Bühne ist überwältigend. Auch beim zweiten Mal noch. Emotional sollte es dieses Jahr für mich einfacher sein, aber die Atmosphäre ist immer speziell.
Du kommst dennoch aus der besten Saison deiner Karriere.
Absolut. Das ist der große Unterschied zum letzten Jahr. Ich habe es geschafft, solide Leistungen gegen sehr starke Spieler zu zeigen, etwa gegen Michael Smith oder Stephen Bunting. Zwar waren das kürzere Formate, aber sie haben mir Selbstvertrauen gegeben.
Besonders das Turnier in Budapest vor 6.000 bis 7.000 Zuschauern war wichtig. Diese Bühne war sogar größer als bei der WM. Früher hatte ich Probleme mit Stress, Publikum und TV-Kameras. Dieses Jahr habe ich gemerkt, dass ich mich auf der Bühne wohlfühlen kann. Es ist meine dritte WM – ich kenne die Abläufe, das Protokoll, es gibt keine Überraschungen mehr. Entscheidend ist, am Spieltag fokussiert zu sein.
Wie steht es um den Darts-Nachwuchs in Frankreich?
Es gibt mehrere Spieler auf einem guten Weg, aber sie brauchen noch ein oder zwei Jahre. Mein eigener Weg war lang und stetig, ohne Abkürzungen. Spieler wie Nicolas Thuillier oder Lylian Le Calvez wollen Ähnliches erreichen. Sie sind talentiert, aber noch nicht so weit.
Ich weiß aber, dass ich in Frankreich vielen Lust auf Darts mache – und genau das ist wichtig.
Du wirst oft als Botschafter des französischen Dartsports gesehen.
Das stimmt, und ich nehme diese Rolle gerne an. Ich bin leidenschaftlich bei der Sache. Je mehr Spieler dazukommen und je mehr sich der Sport entwickelt, desto besser.
"Ein guter Lauf wäre fantastisch"
Wir stehen allerdings noch ganz am Anfang. Im Vergleich zu Deutschland oder Belgien liegen wir 10 bis 15 Jahre zurück. Trotzdem ist Frankreich ein großes Land mit viel Potenzial. Das spüren auch die Verbände und Hersteller. Darts entwickelt sich weltweit – warum also nicht auch bei uns? Es dauert vielleicht länger, aber wir sind auf dem richtigen Weg.
Wünschst du dir eine Entwicklung wie beim Tischtennis in Frankreich?
Ja, definitiv. Die Hardcore-Fans abonnieren PDC TV, aber für die breite Öffentlichkeit ist die TV-Präsenz bei "L'Équipe" extrem wichtig. Dass dort große Turniere übertragen werden, war vor wenigen Jahren noch undenkbar.
Für die European Tour wäre eine regelmäßige TV-Übertragung ein großer Schritt. In Frankreich ist es aber oft so: Wir brauchen erfolgreiche Franzosen. Ohne sie interessieren sich weder Medien noch Publikum.
Spürst du diese Verantwortung auf der großen Bühne?
Ja, aber es ist ein guter Druck. Er motiviert mich. Schon als Kind war es mein Traum, Profi zu werden – damals völlig unrealistisch. Erst vor fünf Jahren habe ich gemerkt, dass es vielleicht doch möglich ist.
Seit über 15 Jahren höre ich: „Frankreich braucht einen erfolgreichen Spieler.“ In den Niederlanden waren es van Barneveld und van Gerwen – ohne sie wäre der Dartsport dort nie explodiert.
Ich habe nicht ihr Talent, aber ich habe Resilienz. Mit 36 Jahren glaube ich immer noch an meine Entwicklung. Ich will kein Weltmeister werden, aber regelmäßig gute Leistungen zeigen. Das allein würde schon helfen, Darts in Frankreich größer zu machen.
Braucht es dafür einen großen Lauf bei der WM?
Das wäre der absolute Traum. Rein theoretisch ist es möglich. Die WM ist eines der meistbeachteten Sportereignisse – auch in Frankreich. Letztes Jahr hatte "L’Équipe" insgesamt 18 Millionen Zuschauer während des Turniers.
Ich werde versuchen, nicht zu viel daran zu denken, wenn ich spiele. Aber natürlich ist es im Hinterkopf. Und ja – ein guter Lauf wäre fantastisch.
