Mit dem Fahrrad in die Champions League: Die einzigartige Karriere von Kevin Behrens

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Mit dem Fahrrad in die Champions League: Die einzigartige Karriere von Kevin Behrens
Kevin Behrens nach seinem Hattrick gegen Mainz 05.
Kevin Behrens nach seinem Hattrick gegen Mainz 05.Profimedia
Mit 32 Jahren wurde Kevin Behrens erstmals in die deutsche Nationalmannschaft berufen. Der Stürmer von Union Berlin machte am 1. Spieltag in der deutschen Bundesliga gleich doppelt auf sich aufmerksam. Zuerst erzielte der bullige Mittelstürmer drei Kopfballtreffer gegen Mainz 05. Danach fuhr er gemütlich mit dem Fahrrad nach Hause, als wäre er eben mit ein paar Kumpels am Bolzplatz gewesen. Seine Karriere ist außergewöhnlich - womit er perfekt zu Union Berlin passt.

Vom Amateur zum Publikumsliebling bei Union

Berliner Zeitungen verglichen ihn nach seinem Hattrick und der anschließenden Fahrradtour mit Neymar. Der Brasilianer war kurz zuvor in einer luxuriös ausgestatteten Boeing 747 nach Saudi-Arabien gereist. Goldene Stühle, ein eigenes Restaurant an Bord, ein Wochengehalt von fast 3 Millionen Euro - Neymar wird bei seinem neuen Verein Al-Hilal wie ein Märchenprinz behandelt.

Kevin Behrens ist das krasse Gegenstück zu Neymar. Für ihn sei es ganz normal, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Eine Aussage, hinter der sich keine falsche Bescheidenheit versteckt. Vor zwölf Jahren kämpfte er zusammen mit dem SV Wilhelmshaven gegen den Abstieg aus der Regionalliga Nord. Der Traum von einer Profi-Karriere war eigentlich begraben.

Acht lange Jahre verbrachte er in den deutschen Regionalligen. Bis er zusammen mit dem 1. FC Saarbrücken und 2017/18 in die 3. Liga aufstieg. Behrens hatte eine herausragende Saison hinter sich, in der Regionalliga Südwest kam er auf 37 Scorerpunkte (19 Tore, 18 Assists) in 35 Spielen. Das war dem Zweitligisten SV Sandhausen aufgefallen, welcher Behrens sofort verpflichtete.

2021 wechselte der gebürtige Bremer in die deutsche Bundesliga, zu Union Berlin. Mit 30 Jahren. Der außergewöhnliche Weg der Eisernen, der Sturmlauf in die UEFA Champions League - das ist hinlänglich bekannt. Heute allerdings wollen wir uns der ungewöhnlichen Karriere von Kevin Behrens widmen.

Einen Einblick gewährte Jacob Sweetman im Gespräch mit "Sky Sports". Der Engländer arbeitet im Medienteam von Union Berlin und betreut die englischsprachigen Beiträge aus Social Media. Seiner Meinung nach verkörpert Behrens "die Identität der aktuellen Union. Er muss nicht ständig den Ball am Fuß haben. Aber er ist ein großer, kraftvoller Stürmer. Er kann mit den Füßen und mit dem Kopf Tore erzielen. Er ist kein Genie. Aber er ist ein Spieler, den die Mannschaft braucht und den alle lieben."

"Dass er in der Champions League spielen würde? Hätte ich nie gedacht." 

Robert Roelofsen arbeitete einst als Assistenztrainer beim Drittligisten Saarbrücken mit dem Mittelstürmer zusammen. Er war vielleicht einer der Ersten, der erkannte, wie man Behrens Stärken richtig zur Geltung kommen lassen kann: "Man muss wissen, wie man ihn auf dem Platz einsetzt. Er blüht auf, wenn er Platz hat und es schnell nach vorne geht. Es gab Spieler, von denen ich dachte, dass sie es bis an die Spitze schaffen würden, die es aber nicht geschafft haben. Und dann gab es Spieler, die mich einfach überrascht haben. Ich habe noch nie einen Spieler trainiert, der so eine besondere Karriere hat."

Kevin Behrens wurde in seiner Jugend bei Werder Bremen ausgebildet, einen Platz in der Profi-Mannschaft fand er aber nie. Also tingelte der 1,84 Meter große Kopfballspezialist fortan durch die deutschen Amateurligen. Dass er es im Spätherbst seiner Karriere nochmals ganz nach oben schaffen würde, sei laut Roelofsen seiner einzigartigen Mentalität zu verdanken: "Viele junge Spieler denken, dass sie Erfolg haben müssen, um viel Geld zu verdienen. Da ist es schwer, hungrig zu bleiben, immer nach dem nächsten Schritt zu streben. Kevin hatte eine ganze andere Einstellung. Er wollte aufsteigen. Er war nie damit zufrieden, wo er war."

Kevin Behrens gab vor wenigen Wochen sein CL-Debüt gegen Real Madrid.
Kevin Behrens gab vor wenigen Wochen sein CL-Debüt gegen Real Madrid.Profimedia

Längst hat er sich in der Bundesliga etabliert, Urs Fischer fällt es schwer, nicht auf das 32-jährige Kraftpaket zu setzen. Eine Entwicklung, die sein ehemaliger Trainer so nicht erwartet hat: "Die Regionalliga war sehr klein für ihn. Ich habe in ihm das Potenzial gesehen, die 2. Bundesliga zu erreichen. Aber dass er in der Champions League spielen würde? Das hätte ich nie gedacht." 

Debüt für die Nationalmannschaft in Sicht

Am Freitag hat Kevin Behrens seine erste Einladung in die deutsche Nationalmannschaft erhalten. Der neue Bundestrainer Julian Nagelsmann möchte sich auf der USA-Reise zwischen 9. und 18. Oktober selbst ein Bild vom Angreifer machen. Kommt Behrens zum Einsatz, würde er zum neuntältesten Debütant in der Geschichte der Herren-Nationalmannschaft werden.

Ob er in Nagelsmanns Konzept passt, bleibt abzuwarten. Robert Roelofsen weiß um Behrens Limitationen. Setzt die eigene Mannschaft auf viel Ballbesitz, kommen seine Stärken nicht zum Tragen, warnt der Niederländer: "Wenn er bei Manchester City als Sturmspitze spielen würde und wenig Platz hätte, würde er sich nicht durchsetzen. Bei Union werden viele lange Bälle gespielt. Da nutzt ihm seine große Fitness. So nutzt man seine Fähigkeiten optimal aus. Er ist eine Maschine. Aber es braucht einen Trainer, der seine Qualitäten richtig einordnet.

Kevin Behrens ist ein Beispiel dafür, dass sich harte Arbeit auszahlt und den längeren Atem hat als pures Talent. Seine Karriere beweist, dass selten zu spät ist, um seine Träume zu erreichen - im Fußball wie im Leben.

Von der Regionalliga in die Champions League, von der Regionalliga in die deutsche Nationalmannschaft. Eine unglaubliche Geschichte, mit einer unglaublichen Pointe. Behrens größter Erfolg spiegelt sich nämlich in keiner Statistik wider. Er blieb mit beiden Füßen auf dem Boden, ließ sich von keiner Schlagzeile und keiner Torprämie verändern.