Dass Royale Union Saint-Gilloise kein ganz normaler Fußballverein ist, konnte man zuletzt am Sonntag sehen. Die Straßen von Saint-Gilles, einem kleinen Viertel am Stadtrand der belgischen Hauptstadt Brüssel, waren in blau-gelb geschmückt und obwohl sich das belgische Aprilwetter nicht von seiner besten Seite zeigte, kamen tausende Menschen aus ihren Häusern. Sie sahen eine Parade aus Musikern, Tänzern, singenden Kindern – und Profi-Fußballern. Denn die 'Zwanze Parade' ist kein normales Volksfest, sondern wird organisiert vom örtlichen Fußballklub.
Der Festzug führte vorbei an lokalen Foodtrucks, kleinen Ständen mit Flohmarkt-Flair und vielen jubelnden Menschen hin zum Stade Joseph Marien, wo Union SG in der belgischen Liga auf den RFC Seraing traf. Es passte nur zu gut in die ausgelassene Atmosphäre, dass die Gastgeber mit dem 2:1 den fünften Sieg aus den letzten sechs Spielen holten und damit auf zwei Punkte an Tabellenführer Genk dranblieben.
Zum Match-Center: Union Saint-Gilloise vs. Bayer Leverkusen
Saint-Gilloise spielt auf dem vorläufigen Höhepunkt einer Erfolgsgeschichte, deren Ende auch auf europäischer Ebene noch völlig offen ist. Nach dem 1:1 im Hinspiel gegen Bayer Leverkusen stehen vor heimischer Kulisse für die Belgier alle Türen offen, auch wenn sie auf die gewohnte Unterstützung im romantischen, zwischen Wohnblöcken gelegenen Heimstadion verzichten müssen. Da das Marien-Stadion die UEFA-Regularien für Spiele in der Europa League nicht erfüllen kann, muss das Rückspiel gegen die Deutschen (Donnerstag ab 21 Uhr live bei RTL und in der Flashscore-Audioreportage) im nahegelegenen Heimstadion des RSC Anderlecht ausgetragen werden.
Vielleicht ein kleiner Vorteil für die Leverkusener, die vor einer Woche von Glück sagen konnten, dass sie nicht mit einer Niederlage vom Platz gehen mussten. Nur ein später Ausgleich von Florian Wirtz sorgte dafür, dass auch für die Werkself im Rückspiel noch alles drin ist. Mit elf ungeschlagenen Spielen in Folge kommt die Bayer-Elf ohnehin mit viel Selbstvertrauen nach Belgien, auch wenn das 0:0-Unentschieden gegen den VfL Wolfsburg am vergangenen Wochenende eine kleine Enttäuschung war. Für Xabi Alonso und die Rheinländer winkt eine große Belohnung: Der Spanier will der erste Leverkusener Trainer seit 30 Jahren werden, der mit der Werkself eine große Trophäe gewinnt.
Team-News: Wer ersetzt Palacios?
Dafür muss Bayer 04 aber zunächt an Saint-Gilloise vorbei, die ihrerseits im Hinspiel auch die letzten Zweifler von ihrer Qualität überzeugt haben dürften. Bereits im Achtelfinale gegen Union Berlin zeigten 'die Apachen', dass sie sowohl offensiv als auch defensiv jedem Gegner Probleme bereiten können. Die Mannschaft von Trainer Karel Geraerts wird wegen einer Sperre definitiv auf Verteidiger Siebe van der Heyden verzichten müssen, der sich im Hinspiel die gelbe Karte abgeholt hatte. Für ihn könnte der Japaner Koki Machida in die Dreierkette rücken.
Im Mittelfeld hat der aufstrebende Coach, der kürzlich zum belgischen Trainer des Jahres 2022 gewählt wurde, die Qual der Wahl. Der 41-Jährige könnte auf Simon Adingra setzen, der im Hinspiel etwas überraschend nur auf der Bank platznehmen musste, aber dafür in der Liga gegen Seraing einen Treffer erzielte. Ganz vorne wurde Victor Boniface in der Meisterschaft geschont, um gegen Leverkusen bei voller Kapazität zu sein. Die individuelle Klasse des bulligen Mittelstürmers aus Nigeria ragt aus einer guten Mannschaft heraus, was ihn nicht erst seit seinem Tor im Hinspiel auf den Zettel von vielen internationalen Vereinen gebracht hat.
Das Gehirn des Spiels der Belgier ist aber Teddy Teuma. Ähnlich wie beachtliche Teile der Mannschaft verkörpert Teuma den Prototyp des bereits Abgeschriebenen, der sich im Spätsommer seiner Karriere in Saint-Gilles zurück an die Spitze gekämpft hat. Der gebürtige Südfranzose hat bis zum Alter von 23 Jahren keinen Profifußball gespielt, sondern in der Firma seines Vaters als Lieferfahrer gearbeitet. Mit viel Fleiß und mindestens genauso viel Talent arbeitete sich Teuma aber nach oben, ist heute 29-facher Nationalspieler Maltas und lenkt mit nun 29 Jahren das Spiel der Blau-Gelben.
Ihn kaltzustellen wird eine der Hauptaufgaben der Leverkusener sein, die seit der Weltmeisterschaft in neun Auswärtsspielen nur eine Niederlage hinnehmen mussten. Dabei wiegt vor allem der Ausfall von Sechser Exequiel Palacios schwer, der prädestiniert für das agressive Spiel im Mittelfeld wäre. Umso wichtiger ist es, dass Robert Andrich, der am Wochenende gegen Wolfsburg die rechte Position in der Abwehrkette einnahm, wieder ins Mittefeld zurückkehrt, um der Bayer-Elf in der Zentrale die nötige Stabilität zu verleihen.
Während der freie Platz in der defensiven Dreierreihe durch Jonathan Tah besetzt werden sollte, gilt auch die Rückkehr von Florian Wirtz ins Sturmzentrum als sicher. Neben ihm könnte auch der Franzose Amine Adli wieder beginnen, der in der Liga zuletzt durch Adam Hlozek vertreten wurde. Richtig weh tut den Leverkusenern weiterhin der Ausfall von Top-Stürmer Patrik Schick, der nach einer überragenden letzten Spielzeit in diesem Jahr noch gar nicht in Tritt kommt.
Bayers Schlüsselpositionen im Spiel in Anderlecht liegen einmal mehr auf außen: Piero Hincapie und Jeremie Frimpong werden über die Flügel viel Dampf machen müssen, um die Offensive Dreierreihe zu unterstützen. Sollte das gelingen, hat die Werkself die individuelle Qualität, um Saint-Gilloise zu schlagen.
So könnten sie spielen:
Union Saint-Gilloise (3-5-2): Moris - Kandouss, Burgess, Machida - Nieuwkoop, Amani, Lynen, Teuma, Lapoussin - Adringra, Boniface
Bayer Leverkusen (3-4-3): Hradecky - Kossounou, Tah, Tapsoba - Hincapie, Andrich, Demirbay, Frimpong - Adli, Wirtz, Diaby
Flashscore-Prognose: Bayer scheitert an euphorischen Belgiern
Bereits für den Bundesliga-Konkurrenten Union Berlin wurde das Gastspiel in Belgien zum europäischen Endpunkt, nun scheidet auch Leverkusen in Brüssel aus. Die gut organisierten Gastgeber stellen Leverkusens schnelle Spieler durch ein defensives Pressing kalt, nach schnellem Umschalten schlägt Boniface eiskalt zu. Saint-Gilloise gewinnt mit 1:0.