Tektonische Verschiebungen: Was das Kroos-Comeback bedeutet

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Tektonische Verschiebungen: Was das Kroos-Comeback bedeutet

Toni Kroos kehrt nach zweieinhalb Jahren in die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zurück - und plötzlich ist vieles anders.
Toni Kroos kehrt nach zweieinhalb Jahren in die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zurück - und plötzlich ist vieles anders. Profimedia
Toni Kroos kehrt nach zweieinhalb Jahren in die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zurück - und plötzlich ist vieles anders. Was bedeutet das Comeback für Bundestrainer Julian Nagelsmann und die Teamstruktur? Eine Übersicht.

HIERARCHIE

Kroos will mit seiner Erfahrung helfen, aber "nicht der Heilsbringer sein". Er sieht sich als "Rädchen" - doch er wird selbstverständlich ein ausgewachsenes Rad sein. In der Hierarchie reiht sich Kroos (34) mit seiner Erfahrung von 106 Länderspielen ganz oben ein, bei Thomas Müller, Mats Hummels, Antonio Rüdiger oder Kapitän Ilkay Gündogan. Zur Erinnerung: Kroos war - unter anderem - Weltmeister, gewann fünfmal die Champions League und sechsmal die Klub-WM. Er wird qua Klasse unangreifbar sein. Nagelsmann hat die Mannschaft gefragt, ob es im Angesicht der Rückkehr hierarchische Bedenken gibt: Es gab keine.

MENTALITÄT

Kroos ist ein Uhrwerk, Nagelsmann holt ihn als stammspielende Passmaschine und Mentor einer neuen Generation. Er lebt Professionalität vor. "Kroos hat bei seinem Verein Real Madrid eine besondere Rolle, er leitet junge Spieler an", sagt Nagelsmann. Der Bundestrainer zieht mit Kroos auch für die Mentalität und das Selbstbewusstsein eine Säule ein. Nagelsmann betont: Kroos sei ein Profi, "der auch in einer engen EM-Partie die Ruhe behalten wird, den man unter Druck immer anspielen kann". Also im doppelten Sinne einer zum Anlehnen.

TAKTIK

Wer Toni Kroos in die Nationalmannschaft zurückholt, setzt ihn nicht auf die Bank: Nagelsmann sortiert den Maschinenraum seiner EM-Elf neu. Kroos wird ein Fixstern, die Spinne im Netz des Aufbauspiels. Nagelsmanns ursprünglicher Ansatz, alle Zauberfüße auf den Platz zu stellen, damit Magie entsteht, ist längst Vergangenheit. Jetzt heißt es: Gezaubert wird vorne, hinten geht die Türe zu, es wird taktisch einfacher - wahrscheinlich mit Pascal Groß oder Robert Andrich neben Kroos auf der Sechs. Ilkay Gündogan ist eine Position weiter vorne eingeplant, als Zulieferer für Jamal Musiala und Florian Wirtz. Für Joshua Kimmich ist im Zentrum kein Platz mehr: Der Bayern-Profi hat sich zu "opfern" und hinten rechts auszuhelfen. Leon Goretzka könnte zu den Kandidaten gehören, die überraschend nicht für die EM nominiert werden. Für Serge Gnabry wird es ganz schwer, Leroy Sane muss zittern und ist ohnehin erst einmal gesperrt. Die Generation 95/96 steht vor dem Scheitern.

FÜHRUNG

Nagelsmann wirkte bisher erratisch. Erst wollte er den vollen Fokus auf die Verteidigung legen, dann sagte er sinngemäß: Verteidigen können wir eh nicht, also lasst uns angreifen! Jetzt geht es wieder um mehr (Ball-)Sicherheit. Sein Experiment mit Kai Havertz als linker Schienenspieler rief er groß aus und stampfte es wieder ein, es wird bei der EM nicht zu sehen sein. Kimmich sah er anfangs noch im Mittelfeld. Nun zeigt Nagelsmann: Er scheut keine harten Entscheidungen, und er hat den erfolgreichsten deutschen Fußballer zu einem Comeback bewegt. Das wird ihm Respekt einbringen - Kroos, einer der sichersten Ballverteiler der Welt, ist sein Mann. Gegen Kimmich hat er sich durchgesetzt. Gelernt hat Nagelsmann dies nach dem frühen Tod seines Vaters: "Wenn man dann entscheiden muss, ob man das Elternhaus verkauft oder nicht, damit es der Mama wieder besser geht, dann hat das eine andere Dimension als die Frage, ob nun der eine oder der andere Stürmer von Beginn an spielt."