Exklusives Interview mit Antalyaspor-Trainer Nuri Sahin

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Nuri Sahin über Jürgen Klopp, José Mourinho und seine ganz persönliche Reise

Nuri Sahin in seinem Büro.
Nuri Sahin in seinem Büro.Emanuel Rosu
Es ist ein stürmischer Tag in Antalya. Nach mehr als einer Woche heftigen Regens hat es die Sonne schwer, sich einen Weg durch die dichte Wolkendecke zu bahnen. Vergeblich versuchen wir, den riesigen Pfützen auf dem Asphalt auszuweichen, die den Weg zum Hauptquartier von Antalyaspor säumen. Kein Tag, an dem man gerne trainiert. Doch Nuri Sahin - ehemals Mittelfeldspieler bei Real Madrid, Liverpool und Borussia Dortmund - kann sich keine Auszeit erlauben. Der 35-Jährige ist Trainer beim türkischen Spitzenverein und hat höchste Ansprüche.

Nuri Sahin wurde direkt nach seiner eigenen Profikarriere zum Trainer. Im Oktober 2021 trat er im Alter von nur 33 Jahren in den Ruhestand. Mittlerweile befindet er sich in seiner dritten Saison als Cheftrainer von Antalyaspor.

In einem ausführlichen EXKLUSIV-Gespräch mit Flashscore News sprach Sahin darüber, wieso er bei Real Madrid nie richtig glücklich wurde. Wie er Jose Mourinho für dessen oft harte Kritik verzeihen konnte.

Mit einer großen Tasse Kaffee in der Hand, einem Lächeln im Gesicht und einer Aura der Gelassenheit sprach der ehemalige Weltklasse-Mittelfeldspieler aber auch über die Sonnenseiten seiner Karriere. Seine Vorbilder sind Manager wie Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel. Die taktische Revolution von Roberto De Zerbi bei Brighton & Hove Albion ist ihm nicht entgangen. Auch der Geist von Pep Guardiola ist zu spüren, wenn Sahin über Taktik und seine Idee von Fußball spricht.

Doch der 35-Jährige hat mehr als Fußball im Kopf. In Harvard verfolgte er seine akademische Bildung, in Afrika lernte er, wie man glücklich wird.

"Ich wache jeden Morgen auf und lebe meinen Traum"

Sie sind gerade einmal 35 Jahre alt und haben erst vor zwei Jahren zu spielen aufgehört. Kam die Trainerkarriere nicht etwas früh?

"Das fragen mich alle (Anm.: lacht). Meine Spielerkarriere dauerte 17 Jahre. Ich habe bereits mit 16 Jahren angefangen, professionell zu spielen. Ich habe jeden Moment, ob gut oder schlecht, sehr intensiv wahrgenommen. Dann kam das Angebot von Antalyaspor. Ich wache jeden Morgen auf und lebe meinen Traum. Ich habe gar keine Zeit, das Fußballspielen zu vermissen."

Betreiben Sie sonst noch eine Sportart?

"In meinem ersten Jahr hier lief alles richtig gut. Ich habe mich mit dem Präsidenten unterhalten und ihm gesagt: 'Wenn du uns einen Gefallen machen willst, dann baue uns einen Padelplatz.' Und jetzt haben wir einen Padelplatz. Der Bonus für die tolle Saison, die wir hatten. Ich habe das Spiel in Spanien erlernt und ich liebe es!"

Hatten Sie keine Lust auf eine Pause vom Fußball?

"Ich habe mir nie gesagt: 'Wenn ich mit dem Spielen fertig bin, gehe ich für ein Jahr an den Strand oder nach New York'. 2015 hatte ich eine sehr schwere Verletzung. Da war ich ein Jahr lang außer Gefecht. Der Arzt sagte mir, dass es auch möglich ist, dass ich nie wieder spielen kann.

Damals fing ich an, darüber nachzudenken, wie es weitergehen sollte. Ich begann mich dafür zu interessieren, wie es nach dem Fußball weitergeht. Ich ging auf die Universität, nach Harvard. Ich versuchte, zu verstehen, was um mich herum passiert. Ich fing an, mir Notizen zu machen."

Nuri Sahin spricht über die Menschen, die ihn inspirieren.
Nuri Sahin spricht über die Menschen, die ihn inspirieren.Emanuel Rosu

"Ich bin nicht nur ein Trainer, ich bin ein Mensch"

Sie haben sich also außerhalb des Fußballs weitergebildet...

"Ja, weil ich das wollte. Ich bin nach Afrika gereist, um dort Menschen zu treffen, zu sehen, wie man dort lebt. Ich wollte lernen, das Leben mehr wertzuschätzen. Ich war nicht mehr glücklich. Meine Familie hat mir sehr geholfen, ich habe zwei außergewöhnliche Kinder. Ich musste weitermachen, um auch für sie ein Vorbild zu sein. Ich habe viel mit Trainern und Spielern gesprochen. Um alles zu verstehen."

An den Wänden ihres Büros hängen einige Zitate von berühmten Managern. Was bedeuten sie für Sie?

"Eines geht so: 'Vergiss nie, dass du mit Menschen arbeitest und nicht nur mit Spielern'. Ich habe mich dafür entschieden, die Zitate zu rahmen und an die Wand zu hängen. Manchmal neigt man dazu, die Menschlichkeit zu vergessen. Aber es ist extrem wichtig, das nicht zu tun.

Ich bin nicht nur ein Trainer, ich bin ein Mensch. Und ich funktioniere wie ein Mensch. Das sollte man immer im Hinterkopf behalten und die menschliche Seite der Spieler ansprechen. Es geht um mehr als nur Fußball."

Ist Jürgen Klopp das wichtigste Vorbild für Sie, auf das Coaching bezogen?

"Ich hatte viele großartige Trainer, um ehrlich zu sein. Ich glaube, ich habe mit einigen der besten der Welt gearbeitet. Ich wünschte, ich hätte auch mit Guardiola zusammengearbeitet, aber dazu ist es nie gekommen.

Ich war unter Jose Mourinho, Guus Hiddink, Fatih Terim und Thomas Tuchel aktiv. Aber die längste Zeit habe ich mit Klopp gearbeitet. Er und Bert van Marwijk sind für mich etwas ganz Besonderes. Bert hat mich in die erste Mannschaft von Dortmund beordert, als ich gerade einmal 16 war."

Wie haben Sie sich unter Klopp gefühlt?

"Er hat ein Umfeld geschaffen, in dem sich jeder wertgeschätzt fühlt. Er möchte, dass sich wirklich jeder seiner Verantwortung bewusst ist, weiß, dass er geschätzt und gebraucht wird.

Wenn ich morgens in mein Büro komme und der Dame, die mein Büro putzt, nicht Hallo und Danke sage, mich nicht ein bisschen mit ihr unterhalte, glaube ich nicht, dass ich am Wochenende, wenn die Mannschaft spielt, gewinnen kann.

Ein Gleichgewicht zwischen dem Fußballprofi und dem echten Menschen dahinter ist sehr schwer zu erreichen. Ich darf nie die menschliche Seite der Dinge vergessen."

Wer sind Sie als Trainer? Ein Typ wie Klopp?

"Ich versuche, ich selbst zu sein. Ich bin neu in diesem Job. Ich bin erst seit ein paar Dutzend Monaten dabei - obwohl es sich anfühlt, als wären es schon zehn Jahre (lacht). Ich möchte meine eigenen Ideen entwickeln. Aber ich glaube auch an das, was ich von den Trainern gelernt habe, die ich hatte.

Ich versuche, Dinge zu kombinieren, bleibe aber meiner Idee immer treu. Wenn ich jetzt mit dir spreche, weiß ich nicht, was in deinem Kopf vorgeht. Du kannst auch nicht in meinen eindringen. Beim Coaching ist es dasselbe. Ich bevorzuge zwar einen bestimmten Spielstil, aber ich möchte meine eigenes Spiel spielen lassen.

Ich kopiere nicht gerne, ich habe meine eigenen Ideen. Ich habe ja auch unter Thomas Tuchel in Dortmund gearbeitet. Auch Tuchels Stil mag ich. Ich denke, eine Mischung aus ihm, Klopp, mir selbst - das ist der beste Cocktail für mich."

Klopp und Sahin während der erfolgreichen Zeit in Dortmund.
Klopp und Sahin während der erfolgreichen Zeit in Dortmund.Profimedia

"Nuri, der Spieler, existiert nicht mehr"

Was würde der Trainer Nuri Sahin dem Spieler empfehlen? Und was würde der Spieler dem Trainer sagen?

"Das ist eine schwierige Frage! Also, der Trainer würde dem Spieler sagen, dass er im Positionsspiel ganz gut ist. Ich war immer ein Spieler, der das Spiel kontrollieren, den Ball haben und das Tempo bestimmen wollte. Manchmal wünschte ich, ich hätte einen Spieler wie mich in der Mannschaft, aber es gibt auch so einige tolle Jungs auf dem Platz.

Was den zweiten Teil der Frage angeht... Ich habe mir immer gewünscht, einen Trainer zu haben, der so ist, wie ich zu sein versuche. Natürlich mache ich meine Fehler, und einige sind nicht zufrieden mit mir, aber ich gebe mein Bestes."

Beziehen Sie sich in Ihrer Ansprache als Trainer jemals auf den Spieler Nuri Sahin?

"Das wäre der größte Fehler, den ich als Trainer machen kann. Ich war nicht der schnellste Spieler. Aber jetzt habe ich zum Beispiel sehr schnelle Jungs in meiner Mannschaft. Ich kann mich nicht mit anderen vergleichen. Wenn ich Trainer sein will, dann spielt der Fußballprofi Nuri Sahin in meinem Kopf keine Rolle.

Ich habe mich einmal mit Patrick Vieira unterhalten. Er war ein Weltklasse-Mittelfeldspieler, hat als Spieler alles gewonnen. Er sagte mir: 'Vergiss den Spieler in dir. Der ist erledigt.' Nuri, der Spieler, existiert nicht mehr. Wenn ich das im Hinterkopf behalte, habe ich die Chance, ein besserer Trainer zu werden.

Was versuchen Sie, noch zu lernen?

"Ich bin noch ein Baby im Trainergeschäft, ich habe gerade erst das Laufen gelernt. Alles, was ich lerne, versuche ich auch umzusetzen. Ich kopiere niemanden. Aber einige von denen, mit denen ich Kontakt pflegte, haben schon alles durchlebt. Ich spreche mit sehr vielen Trainern und lerne auch viel von meinen Assistenten.

Ich habe mir Luciano Spalletti angesehen, als er bei Napoli war. Wir hatten ein sehr nettes Gespräch darüber, wie er den Fußball versteht. Ich habe eine Trainingseinheit beobachtet, die extrem beeindruckend war. Sie dauerte nur 30 Minuten. Aber er hatte immer eine große Präsenz, hat jeden Schritt diktiert. Er war der Chef. Man konnte riechen, dass er der Chef ist."

Haben Sie noch Kontakt zu Jose Mourinho?

"Ja, wir sprechen miteinander. Ich war an einem Spieler aus Rom interessiert und wir haben uns kurz unterhalten."

Hatten Sie bei Real Madrid eine komplizierte Beziehung?

"In Madrid erlebte ich das schwierigste Jahr meiner Karriere. Ich war verletzt und habe nicht so viel gespielt. Ich hatte Superstars um mich herum und auch einen Superstar als Trainer. Sein Stil war völlig anders als der von Jürgen Klopp. Kommt man von Jürgen zu Jose... sie sind völlig unterschiedlich. Es ist mir schwergefallen.

Aber an dem Tag, als ich den Verein verlassen hatte, gab es ein Gespräch mit Mourinho. Was ich an diesem Kerl liebe, ist, dass er verdammt ehrlich ist. Er hat dir mitten ins Gesicht geschlagen: Bumm! Wenn du gut bist, bist du gut. Wenn du schlecht bist, bist du schlecht. Ich war jung, ich musste kämpfen.

Damals habe ich mich gefragt: 'Was macht er da? Warum ist er so?' Aber er war nur ehrlich. Wenn ich hier als Trainer sitze und an meine Zeit mit Jose zurückdenke - ich kann nichts Negatives über ihn sagen."

Haben Sie das Gefühl, dass er sich im Laufe der Jahre verändert hat?

"Ich habe mir den Dokumentarfilm über sein Jahr bei Tottenham angesehen. Nein, ich glaube nicht, dass es so ist. Ich habe viele Dinge von Mourinho gelernt. Er ist ein Gewinner. Er würde alles tun, um zu gewinnen."

Mourinho trainierte Sahin 2011 bei Real Madrid.
Mourinho trainierte Sahin 2011 bei Real Madrid.Profimedia

"In Madrid reicht es nicht aus, ein toller Spieler zu sein. Man muss auch mental stark sein"

War Madrid zu viel für Sie? Kam Real für Sie als Spieler zu früh?

"Als Kind war es immer mein Traum, für Real Madrid zu spielen. Was das Spielen angeht, so hätte ich zweifellos für Real Madrid spielen können. Ich war damals schon sehr gut. Aber in Madrid reicht es nicht aus, ein toller Spieler zu sein. Man muss auch mental stark sein. Im Zug von Real Madrid gibt es keine Zwischenstopps. Vielleicht war ich damals nicht so weit? Mit all den Verletzungen und geistig. Verstehen Sie?

Ich hatte mit Verletzungen zu kämpfen. Und nach den Verletzungen musste ich damit klarkommen, nicht zu spielen. Ich war ungeduldig. Wenn ich zurückblicke, denke ich, ich hätte etwas geduldiger sein müssen und mehr schätzen sollen, dass ich ein Spieler von Real Madrid bin.

Die Leute sagen normalerweise: 'Du bist bei Real Madrid, du musst glücklich sein! Ich habe gesagt: 'Ich will spielen! Ich will spielen! Ich will spielen.' Vielleicht war ich in dieser Hinsicht noch nicht bereit für Real."

Jude Bellingham ging einen ähnlichen Weg und wechselte in einem sehr jungen Alter von Borussia Dortmund zu Real Madrid!

"Dieser Junge ist mental so bereit! Er ist bereit! Ich habe mit vielen Freunden in Dortmund gesprochen und sie sagten mir, er sei so unheimlich reif. Als hätte man einen 25-Jährigen in der Umkleidekabine, keinen Teenager. Ich war nie so bereit wie er!"

Wie schafft es Dortmund, so viele Talente so früh zu verpflichten?

"Jeder Verein kann junge Spieler verpflichten. Aber das Besondere an Dortmund ist, dass sie die Jungs auch spielen lassen. Spieler zu verpflichten, das ist einfach. Da geht es um die Ablösesumme, darum, die Spieler mit einem guten Gehalt zu überzeugen. Man kann sie auch belügen und ihnen erzählen, dass sie ständig spielen werden.

Aber wenn man Borussia Dortmund ist, kann man sagen: 'Seht her! Nuri Sahin, Götze, Lewandowski, später Pulisic, Bellingham, Sancho, Dembele'. Diese Jungs in Dortmund - sie arbeiten mit den jungen Spielern. Das ist eine große Sache. Es gibt nicht viele Vereine auf dieser Ebene, die das so handhaben.

Ich würde auch gerne junge Spieler bei Antalyaspor unter Vertrag nehmen, aber wir haben nicht die große Bühne. Unsere Liga wird nicht intensiv beobachtet. Wir spielen nicht in Europa, nicht in der Champions League. Dortmund spielt dort jedes Jahr, zu jedem Spiel kommen 80.000 Fans. Der Spieler hat das Gefühl: 'Wow, es ist so schön, hier zu sein!'"

Welche Geschichte wollen Sie mit Antalyaspor erzählen? Was wollen Sie hier aufbauen?

"Wir sind ein kleiner Fisch in einem großen Teich. Wir sind ein ambitionierter Verein, aber kein großer Fisch. Nicht einmal innerhalb der Türkei. Wir wollen kleine Schritte machen, Babyschritte. Ich habe einen Vorstand, der hinter mir steht, der mir die Chance gegeben hat, hier zu sein.

In meiner ersten Saison haben wir ein paar Rekorde gebrochen. Jetzt wollen wir eine gewisse Ausgewogenheit in der Mannschaft erreichen. Die Stadt, der Verein - die Leute sind begeistert, wenn man gewinnt, und traurig, wenn man verliert. Wir müssen das ausgleichen, eine stabile Kultur schaffen. Das ist meine größte Aufgabe hier in Antalya. Wir machen kleine Schritte."

Haben Sie dafür die nötige Zeit?

"Wir versuchen, ein Fundament für unser Haus zu bauen. Dann können wir uns auf den nächsten Schritt konzentrieren. Ohne ein Fundament kann man nicht bauen. Das braucht Zeit, und diese Zeit bekomme ich. Als ich unterschrieben habe, habe ich einen 5-Jahres-Vertrag unterschrieben. Antalyaspor ist der beste Ort, an dem ich mich aktuell befinden könnte. Ich möchte hier sein. Ich hoffe, wir können erreichen, was wir uns vorgenommen haben.

Im Fußball weiß man natürlich nie. An dem Tag, an dem ich Trainer wurde, rief ich Jürgen Klopp an und er sagte mir: 'Nur damit du es weißt: Eines Tages wirst du gefeuert werden.' Ich habe ihm geantwortet: 'Das sagst du, aber das ist dir noch nie passiert!'"

Wie sehr Datenfreak sind Sie?

"Daten sind extrem wichtig. Ich arbeite mit einer Firma in Deutschland zusammen. Wir analysieren jeden Gegner und jede potenzielle Neuverpflichtung. Aber auch im Fußball ist ein geschultes Auge sehr wichtig. Man kann die besten Daten haben. Aber man muss sich auch mit den Spielern unterhalten und sie kennenlernen.

Es gibt überall so viele talentierte Spieler, ich habe so viele Kontakte in der ganzen Welt. Wenn man sich um jemanden bemüht, muss man wissen, woher er kommt, man muss seinen kulturellen Hintergrund verstehen."

Sahin trainiert Antalyaspor seit 2021.
Sahin trainiert Antalyaspor seit 2021.Profimedia

"Mein Team analysiert Brighton jede Woche"

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

"Wir haben Shoya Nakajima, einen ehemaligen Spieler vom FC Porto, verpflichtet. Ich habe mich vorher mit ihm unterhalten. Aber er hat kaum gesprochen. Er war sehr höflich, sehr bescheiden, sehr nett. Das war's. Nach unserem Chat über FaceTime hätte ich Zweifel haben können. An seiner Fähigkeit, sich anzupassen. Und stattdessen auf einen anderen Spieler setzen.

Ich habe mit Shinji Kagawa in einer Mannschaft gespielt. Wie war er so? Als er nach Dortmund kam, hat er nie gesprochen. Dann hat er gelernt, erste Schritte gemacht. Man muss also auch die persönliche Kultur in Entscheidungen einbeziehen. Das ist für mich sehr wichtig.

Hätte ich nur auf die Daten geschaut, hätte ich gesagt: 'Nakajima ein guter Spieler'. Und das wäre es gewesen. Wir haben uns schließlich entschieden, ihn zu verpflichten."

Haben Sie jemals einen Spieler nach solch einem persönlichen Gespräch abgelehnt?

"Ich hatte ein Gespräch mit einem Weltklassespieler, den wir hätten verpflichten können. Wenn man seinen Namen hört, wäre die erste Reaktion wohl: 'Bringt den Kerl hierher.' Wir haben uns drei Minuten lang unterhalten. Dann habe ich ihm gesagt: 'Pass auf dich auf! Ich wünsche dir alles Gute für deine Karriere.'

Wenn ich meinem Präsidenten davon erzählen würde, würde er wahrscheinlich fragen: 'Bist du verrückt? Aber das kurze Gespräch, das wir geführt haben, hat genügt, um mich davon zu überzeugen, dass er und unser Verein nicht zusammenpassen."

Gibt es immer einen Anruf vor einer solchen Entscheidung treffen. Oder treffen Sie die Spieler lieber persönlich?

"Wenn ein Spieler in Japan ist, möchte ich vielleicht nach Japan reisen und ihm gegenübersitzen. So wie wir jetzt. Ein Telefonanruf ist nicht dasselbe. Auch Journalisten mögen es nicht, wenn sie Leute per Telefon interviewen müssen, oder?

Wenn man die Leute persönlich trifft, sieht man, wie sie sich verhalten, wie sie etwas sagen, wie sie jemand begrüßen. Noch einmal: Es ist so wichtig, als Coach seine menschliche Seite nicht zu verlieren. Das ist wirklich schwer, aber man darf diesen Gedanken nie aufgeben."

Welchen Spieler würden Sie gerne einmal trainieren?

"Schwer zu sagen. Vielleicht Frenkie de Jong. Ich liebe diesen Kerl. Er ist brillant anzuschauen und ich mag ihn sehr. Ein weiterer Kandidat wäre Alexis Mac Allister. Er spielt sehr viel mit seinem Gehirn. Natürlich auch Haaland oder Mbappe. Aber das würde bedeuten, dass ich erst ihr Niveau erreichen muss. Nicht, dass sie zu mir kommen (lacht)."

Beobachten Sie gewissen Mannschaft oder Trainer, die sie inspirieren?

"Ich habe mich mit De Zerbi unterhalten. Er ist ein fantastischer Trainer. Ich schaue mir seine Spiele an und mein Team analysiert Brighton jede Woche. Wir nehmen uns ein paar Minuten Zeit und begutachten alles, was sie tun. Ich möchte so viel wie möglich lernen.

Ich mag Manchester City, ich mag Brighton. Ich habe auch Gasperini bei Atalanta verfolgt oder Conte bei Inter. Ich mochte Nagelsmann in Hoffenheim und Leipzig, ich wollte sehen, wie er Wege entdeckte, ein Spiele für sich zu entscheiden.

Sind Sie ein Fan des VAR?

"Ich mag den VAR. Aber ich denke, es sollte mehr wie beim Tennis sein, dass man Entscheidungen anfechten kann. Der VAR hilft dem Fußball, aber die Spiele werden oft zu lange unterbrochen. Ich mag die Wartezeiten nicht. Nochmals: Der VAR hilft dem Fußball. Aber es kappt von den Emotionen ab. Und genau deshalb lieben wir den Fußball, oder? Er bringt unterschiedliche Emotionen zum Vorschein.

Die Geburt eines Kindes, die Liebe zum eigenen Partner - das ist etwas anderes. Der Fußball hat seine eigenen Emotionen. Die kann nur der Fußball hervorrufen. Die Emotionen müssen im Spiel bleiben. Wir sollten die Natur des Fußballs bewahren."

Nuri Sahin im Gespräch mit Flashscore News.
Nuri Sahin im Gespräch mit Flashscore News.Emanuel Rosu