Fabio Aru EXKLUSIV - "Wenn ein Fahrer das Double schaffen kann, dann Pogacar"

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Fabio Aru EXKLUSIV - "Wenn ein Fahrer das Double schaffen kann, dann Pogacar"

Fabio Aru bejubelt den Sieg in La Planche des Belles Filles bei der Tour 2017
Fabio Aru bejubelt den Sieg in La Planche des Belles Filles bei der Tour 2017AFP
Fabio Aru gewann die Vuelta a Espana, beendete den Giro als Gesamtzweiter und gewann eine Etappe der Tour de France, auf dem Gipfel der Planche des Belles Filles. Zweifellos gilt der ehemalige Kletterer, der mit nur 31 Jahren in den Ruhestand ging, als eines der Aushängeschilder des italienischen Radsports im 21. Jahrhundert. Für Flashscore nahm Aru sich die Zeit, auf die Highlights seiner Karriere zurückzublicken und seine Sicht des heutigen Radsports wiederzugeben.

Flashscore: Erzählen Sie uns von Ihrem Sieg bei der Planche des Belles Filles im Jahr 2017!

Fabio Aru: Dieser Sieg war eine Genugtuung. An der Tour de France teilzunehmen und dann auch noch eine so wichtige Etappe wie diese zu gewinnen, ist ein Traum für jeden Profi-Fahrer. Die Tour ist eines der wichtigsten Ereignisse der Welt. Obwohl ich Italiener bin und daher sehr mit dem Giro und natürlich der Vuelta verbunden bin, hat die Tour eine große Bedeutung. Zudem gewann ich mit dem Trikot des italienischen Meisters. Es war sicher einer der bedeutendsten Momente in meiner Karriere und ich erinnere mich mit viel Freude daran.

Tadej Pogacar tritt dieses Jahr beim Giro an. Sie waren vor einigen Jahren bei UAE im gleichen Team. Was für ein Typ ist er?

Wir waren zwei Jahre lang Teamkollegen und bei seinem ersten Sieg, der Algarve-Rundfahrt 2019, sogar Zimmergenossen. Er war ein sehr netter, ruhiger und bescheidener Junge. Heute hat er mit 6 Monumenten und zwei Grand Tours seine Fähigkeiten auf jedem Terrain unter Beweis gestellt und ist zudem sehr stark im Zeitfahren. Er ist sehr komplett und wird der Favorit Nummer 1 sein.

Wird er danach auch die Tour gewinnen können?

Zwei Grand Tours mit nur einem Monat dazwischen zu absolvieren ist sehr hart. Aber wenn ein Fahrer das Double Giro-Tour schaffen kann, dann ist es Pogacar. Wir müssen abwarten, wie er sich nach dem Giro erholt. Das ist natürlich rein hypothetisch, denn der Giro hat noch nicht einmal begonnen. Schauen wir erst einmal, wie er diesen angeht, und dann sehen wir weiter, wie es mit der Tour aussieht.

Die Tour de France ist ein Rennen, das taktisch als eher "einfach" zu fahren gilt. Der Giro wird oft als anspruchsvoller beschrieben. Chris Froome wurde bei seiner ersten Teilnahme beispielsweise von Stürzen, Regen und Kälte heimgesucht und musste schließlich aufgeben.

Natürlich ist die Tour nicht einfach, das Renntempo ist sehr hoch. Es ist auch eine Frage der Strecke und auch der Höhe der Gipfel, die wie beim Mortirolo oder der Zoncolan beim Giro sehr hohe Prozentsätze haben. In Italien sind die Straßen etwas schmaler und das vielleicht wichtigste Element ist das Wetter. Zum Beispiel betrug die Temperatur bei Mailand-Turin 7 bis 8 Grad, das hat die Dinge wesentlich gefährlicher gemacht. Die Tour ist im Juli. Es ist wärmer, außer wenn man in den hohen Bergen fährt. Am Ende des Tages sind beide Touren schwierige Rennen. Ich kann nicht sagen, welches schlussendlich härtere ist, aber sie sind beide hart genug (lacht).

Sie haben die Vuelta mit 24 Jahren gewonnen, Sie waren also ein sehr junger Fahrer!

Die Spanien-Rundfahrt ist sehr nervös, mit vielen Bergankünften, die aber zum Glück nicht zu lang sind, auch wenn es auf der anderen Seite natürlich Anstiege wie den Angliru gibt. Thibaut Pinot und ich gehörten damals zu den Fahrern, die schon in jungen Jahren auf hohem Niveau gefahren sind. Heutzutage ist das mit Tadej oder Remco Evenepoel zur Normalität geworden. Der Radsport verändert sich, entwickelt sich weiter.

Auch Ihr Karriererücktritt mit 31 Jahren war ungewöhnlich früh...

Als Spitzensportler muss man erkennen, wann man sein Leben ändern muss. Für mich war der Zeitpunkt gekommen, aufzuhören. Ich war der Meinung - und bin es immer noch - dass es die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt war. Natürlich spielten meine körperlichen Probleme eine Rolle. Ich hatte eine Operation an einer Arterie in meinem Bein, die mich zwei oder drei Jahre lang am Fahren gehindert hat. Jetzt arbeite ich für mehrere Unternehmen im Radsport, nehme an Veranstaltungen teil und verbringe Zeit mit Kunden und Enthusiasten. Ich muss sagen, dass ich mit meiner Entscheidung zufrieden bin.

 

 

Derzeit monopolisieren einige wenige Teams die Talente. Astana, das Ihr erstes Profiteam war, kann da nicht wirklich mithalten. Droht ein Verlust des Gleichgewichts der Kräfte? 

Man kann durchaus sehen, dass es für Astana oder andere Teams aktuell schwieriger ist, gute Ergebnisse einzufahren. Aber ich denke, das ist nur eine Phase. Als ich 2018 bei UAE-Team Emirates unterschrieben habe, war das Team nicht so stark. Danach hatten sie Tadej Pogacar und dann Juan Ayuso. Dasselbe gilt für Visma-Lease a bike, das nichts mehr mit dem zu tun hat, was es 2016 war. Man stöbert ein neues Talent auf und plötzlich macht es "boom"!

 

In letzter Zeit haben schwere Stürze, insbesondere die von Jonas Vingegaard und Remco Evenepoel, eine Debatte über die Sicherheit von Rennen ausgelöst. Wie sehen Sie den heutigen Radsport, der immer schneller und gefährlicher wird?

Die Geschwindigkeit wird immer höher. Das ist etwas, das ich schon vor meinem Ausstieg festgestellt habe, auch wenn es damals noch keine Kontroverse gab. Allerdings gab es im Fahrerfeld mehr Hierarchien. Das bedeutet nicht, dass 35-jährige Fahrer entscheiden konnten, was sie wollten. Es ging dabei eher um den Respekt zwischen den Fahrern und den Teams. Vielleicht liegt es an der Verjüngung des Pelotons, mit vielen jungen Fahrern und ein wenig Überheblichkeit ihrerseits. Und wenn jeder vorne sein will und das Tempo steigt, kommt es zu all diesen Stürzen. Das ließe sich mit etwas mehr Respekt regeln. Wenn man sieht, dass man in einer Kurve keinen Platz hat, kann man das Tempo drosseln und hinterherfahren.