Aus Liebe zur Ronde: John Degenkolbs langes Rendezvous mit Flanderns Schönster

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Aus Liebe zur Ronde: John Degenkolbs langes Rendezvous mit Flanderns Schönster

John Degenkolb liebt Flandern.
John Degenkolb liebt Flandern.Profimedia
Man muss sich John Degenkolb als äußerst romantischen Menschen vorstellen. Gleich drei große Liebschaften pflegt der Thüringer. Im Radsport wohlgemerkt. Mit zweien - der feschen Frühlings-Fee Mailand-Sanremo und der resoluten Raufboldin Paris-Roubaix - fand Degenkolb bereits sein Glück. Nur das dritte und wohl schönste Objekt der Begierde ließ ihn stets abblitzen. Degenkolbs Liebe zur Flandern-Rundfahrt blieb davon aber unberührt.

"Das ist Wahnsinn, wie das hier gelebt wird. Krass, was hier dann an der Strecke abgeht. Ein Teil davon zu sein, ist megacool", sagte Degenkolb einmal der FAZ. Und spätestens seit seinen zwei Jahren beim belgischen Lotto-Soudal-Team ("Die Belgier lieben ihr Rennen abgöttisch") ist der erfolgreichste deutsche Klassikerfahrer seit der Jahrtausendwende der "Ronde" verfallen.

"Das Triple voll zu machen, wäre ein Traum", sagte der Sanremo- und Roubaix-Sieger (beides 2015). Dass er ihn sich am Sonntag bei der 108. Auflage von "Vlaanderens mooiste", Flanderns schönster also, im gesetzten Radsport-Alter von 35 Jahren noch erfüllen kann, ist unwahrscheinlich - auch wenn diverse Favoriten verletzt (Wout van Aert) oder aufgrund anderer Pläne (Tadej Pogacar, Remco Evenepoel) fehlen.

Nur zwölf Fahrern ist jemals das Sanremo-Ronde-Roubaix-Karrieretriple gelungen, zuletzt dem Niederländer Mathieu van der Poel - der Weltmeister ist diesmal der Topfavorit, könnte seinen dritten Sieg nach 2020 und 2022 einfahren.

Für Degenkolb waren bei insgesamt zwölf Starts in Flandern zwei siebte Plätze auf dem Höhepunkt seines Schaffens (2015, 2017) das Höchste der Gefühle. Und doch wird der Geraer, am Mittwoch bei der Generalprobe "Quer durch Flandern" immerhin 20., mit der Aussicht auf das Ronde-Hochgefühl hochmotiviert in Antwerpen an den Start gehen.

Die Ronde "ist einzigartig"

Doch was macht den Reiz der Ronde eigentlich aus? Schließlich fehlt ihr die mediterrane Traumkulisse Sanremos ebenso wie die höllischen Roubaix-Momente. Es ist vielmehr das Gesamtkunstwerk, welches das Rennen abbildet, die Verdichtung jeglicher Radsportkultur auf die diesmal 270,8 km nach Oudenaarde.

Die Zigtausenden Belgier, welche die neuralgischen Steigungen, hier Hellingen genannt, den Oude Kwaremont, den Paterberg belagern, das Leben und den Radsport feiern. "Das ist einzigartig", sagt der Kölner Nils Politt, der in seinem Spitzen-Frühjahr 2019 Platz fünf in Flandern und Platz zwei beim folgenden Monument Paris-Roubaix belegte - der heutige UAE-Profi zeigte sich am Mittwoch als Generalproben-Zwölfter in starker Form.

Die Ronde ist also einzigartig, sie ist aber auch gefährlich, die Abfahrten auf den schmalen Straßen tückisch - der schlimme Sturz van Aerts bei Quer durch Flandern, bei dem er sich eine unschöne Vielzahl an Knochen brach, ist eine akute Warnung.

Die Schönheit der Ronde mindert die Gefahr nicht, für manche macht sie gar ihren Reiz aus. Wobei: In der Regel siegt der beste, nicht der leichtsinnigste Fahrer. Bester, das waren nur zwei Deutsche: Rudi Altig 1964, Steffen Wesemann 2004 - danach schaffte es kein Deutscher mehr unter die besten drei.

Der Beziehungsstatus zur Ronde, das gilt auch für "Dege" - aus deutscher Sicht ist er kompliziert.