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Der Rebell des Footballs: Indianapolis Colts-Besitzer Jim Irsay ist tot

NFL-Teambesitzer Jim Irsay ist im Alter von 65 Jahren verstorben.
NFL-Teambesitzer Jim Irsay ist im Alter von 65 Jahren verstorben.Charles Baus / Zuma Press / Profimedia
Jim Irsay, der langjährige und charismatische Besitzer der Indianapolis Colts, ist im Alter von 65 Jahren gestorben. Mit ihm verliert die NFL nicht nur einen erfolgreichen Teambesitzer, sondern eine ihrer schillerndsten und widersprüchlichsten Persönlichkeiten – einen Mann, der sich gleichermaßen als Football-Liebhaber, als leidenschaftlicher Kunstsammler, Rockfan, Philanthrop und Kämpfer gegen eigene Dämonen verstand.

Geboren am 13. Juni 1959 im wohlhabenden Vorort Winnetka bei Chicago, war Jim Irsay von Kindesbeinen an Teil der Footballwelt. Schon als Balljunge begleitete er seinen Vater Robert, der 1972 das Colts-Franchise übernahm, durch die Höhen und Tiefen des Profisports – erst in Baltimore, dann ab 1984 in Indianapolis. Früh übernahm Irsay Verantwortung: Mit 24 wurde er jüngster General Manager, mit 37 jüngster Besitzer eines NFL-Teams.

Nach dem Tod seines Vaters 1997 trat Irsay offiziell in dessen Fußstapfen – jedoch mit einem völlig anderen Führungsstil. Während der patriarchalische Robert Irsay als erratischer Machtmensch galt, war Jim Irsay ein emotionaler, oft unkonventioneller Teambesitzer, der sich tief mit seinen Spielern, seinem Team und seiner Stadt verbunden fühlte. Der Erfolg gab ihm recht: Unter seiner Führung gewannen die Colts den Super Bowl XLI im Jahr 2007, errangen über zwei Jahrzehnte hinweg eine der besten Siegquoten der Liga und entwickelten sich unter Quarterbacks wie Peyton Manning und Andrew Luck zu einem der Vorzeigeteams der NFL.

Doch Irsay war weit mehr als ein Sportfunktionär. Er war ein Mann voller Widersprüche – exzentrisch, verletzlich, impulsiv. Seine Leidenschaft galt nicht nur dem Football, sondern auch der Musik, Literatur und Geschichte. In seiner legendären Sammlung befanden sich Gitarren von Lennon, Dylan, Prince und Cobain, Muhammad Alis Weltmeistergürtel, Lincolns Taschenmesser – und das Originalmanuskript von Jack Kerouacs „On the Road“. Diese Schätze stellte er in den USA öffentlich aus, oft begleitet von kostenlosen Rockkonzerten, bei denen Irsay selbst auf der Bühne stand.

Seine Offenheit im Umgang mit seinen eigenen Schwächen zeichnete ihn aus. Irsay sprach öffentlich über seine Abhängigkeit von Schmerzmitteln, über Aufenthalte in Entzugskliniken – und über die Scham und Reue, die ihn begleiteten. Gleichzeitig wurde er zu einem engagierten Kämpfer für Suchtprävention und psychische Gesundheit, was ihm große Anerkennung einbrachte.

"Leidenschaftlich und großzügig": Manning ehrt Irsay

Irsay war nicht selten streitbar. Seine Aussagen – mal poetisch, mal verwirrend – sorgten für Schlagzeilen. Er scheute weder Konflikte mit anderen Besitzern noch mit der Liga selbst. So sprach er sich gegen Daniel Snyder als NFL-Eigentümer aus oder verhinderte mit seiner Stimme 2009 den Einstieg von Rush Limbaugh bei den St. Louis Rams – eine Entscheidung, die er offen mit dessen rassistischen Äußerungen begründete.

Sein tiefes Mitgefühl und seine Großzügigkeit machten ihn zum Liebling vieler Spieler und Fans. Er finanzierte Reisen zu Super Bowls für Mitarbeiter, verschenkte Geldscheine und Eintrittskarten auf Social Media und fungierte als Laudator bei mehreren Hall-of-Fame-Feiern seiner Spieler. Peyton Manning, der wohl bedeutendste Quarterback in Irsays Ära, nannte ihn in seinem Nachruf „einen leidenschaftlichen und großzügigen Besitzer“ und „einen der größten Unterstützer meiner Karriere“.

Privat blieb Irsay stets geprägt von familiären Verlusten – dem frühen Tod seiner Schwester Roberta, dem tragischen Leben seines Bruders Thomas und der schwierigen Beziehung zu seinem Vater. Diese Erfahrungen formten einen sensiblen Mann, der sein Leben lang zwischen Stärke und Schmerz balancierte. Als Andrew Luck 2019 überraschend zurücktrat, war es Irsay, der fassungslos auf einem Plastikstuhl saß und weinte – ein Bild, das den tiefen emotionalen Einsatz des Mannes für sein Team symbolisierte.

Mit Jim Irsay verliert die NFL nicht nur einen Visionär, sondern auch einen Nonkonformisten, der nie Angst hatte, seine Menschlichkeit zu zeigen. Einen „Verwalter des Spiels“, wie er sich selbst nannte, der wusste, dass Größe nicht nur in Siegen, sondern auch im Mut zur Verletzlichkeit liegt.