Das Finale selbst war – wie so oft in Abu Dhabi – nicht spektakulär, aber extrem spannend. Hier die wichtigsten Erkenntnisse: Oft heißt es, ein Fahrer werde nur dank des besten Autos Weltmeister. Bei Norris fühlt sich das jedoch anders an. Zwar hätte Verstappen mit einer besseren Red-Bull-Performance wohl die Nase vorn gehabt, doch der Brite lieferte im direkten Titelkampf eine fehlerfreie Vorstellung ab.
Der Druck war enorm: Jeder verlorene Platz hätte ihn den Titel gekostet. Trotzdem blieb Norris ruhig, verteidigte souverän gegen Charles Leclerc und machte trotz schwieriger Phasen keinen einzigen Fehler. Besonders beeindruckend, weil ihn Drucksituationen in der Vergangenheit oft aus der Balance gebracht hatten.
Auch Pech musste er überstehen: Defekt in den Niederlanden, Disqualifikation in Las Vegas – insgesamt verlor er 36 Punkte ohne eigenes Verschulden. Umso bemerkenswerter, dass er dennoch einen großen Rückstand auf Teamkollege Piastri aufholte. Norris ist ein verdienter Weltmeister.
Red Bulls große Schwäche
Red Bull und Verstappen waren jahrelang nahezu fehlerfrei, außer in einem Punkt: dem zweiten Fahrer. Diese Schwachstelle wurde im Finale entscheidend.
Als Norris auf Yuki Tsunoda traf, sah man Parallelen zu 2021, als Sergio Pérez Hamilton meisterhaft aufhielt und so Verstappen den Titel rettete. Tsunoda hingegen konnte Norris weder mit Pace noch mit sauberem Racing wirklich aufhalten und kassierte sogar eine Strafe. Ein Helfer, wie Verstappen ihn gebraucht hätte, war er nicht.
Seit Pérez’ Formkurve vor zwei Jahren einbrach, fehlt Verstappen ein starker Wingman. Red Bull dürfte das nun mehr denn je bereuen und hoffen, dass Nachwuchsfahrer Isack Hadjar 2026 diese Rolle übernehmen kann. Gleichzeitig muss sich das Team fragen, warum so viele Fahrer neben Verstappen scheitern, aber anderswo wieder aufblühen. Ein Auto, das nur ein Fahrer meistern kann, ist langfristig ein Risiko.
Ein neuer Typ Weltmeister
Nach dem Rennen überraschte Norris mit offenen Worten über Oscar Piastri: Er sei sicher, dass der Australier ihn künftig schlagen werde. Ein Weltmeister, der so offen über eigene Schwächen spricht, das ist neu.
Topfahrer zeigten traditionell eine fast unerschütterliche Selbstsicherheit. Norris hingegen geht seit Jahren offen mit Zweifeln und Fehlern um. Viele hielten das für ein Zeichen fehlender Härte. Nun hat er bewiesen, dass Ehrlichkeit und Menschlichkeit kein Hindernis für den größten Erfolg im Motorsport sind.
Carlos Sainz brachte es auf den Punkt: Norris sei der Beweis, dass man auch ohne Rücksichtslosigkeit Weltmeister werden könne.
Für junge Fahrer ist das ein wichtiges Signal: Man muss Gefühle nicht verstecken, um erfolgreich zu sein. Norris steht für einen menschlicheren, modernen Champion. Vielleicht der erste einer neuen Generation.
