"Jede Entscheidung, die wir zur Zusammenarbeit unserer Fahrer treffen, muss unseren Prinzipien folgen", sagt Teamchef Stella vor dem Saisonfinale der Formel 1 in Abu Dhabi (Sonntag, 14.00 Uhr/Sky): "Wir wollen fair zu ihnen sein, und wir wollen sie nicht überraschen. Also wird es vor dem Wochenende weitere Gespräche geben."
Das klingt so kompliziert, wie es tatsächlich ist - die Gemengelage vor dem alles entscheidenden Rennen ist äußerst unübersichtlich. Norris kommt als Spitzenreiter nach Abu Dhabi, aber auch Weltmeister Verstappen im Red Bull (12 Punkte Rückstand) und Piastri (16) haben noch realistische Titelchancen.
McLaren kann in einer überlegen bestrittenen Saison - die Team-WM ist bereits seit Wochen entschieden - den Fahrertitel also noch verlieren. Das liegt auch daran, dass der Rennstall bislang streng einem Prinzip folgte: Kein Fahrer wird benachteiligt, "bis er mathematisch keine Chance mehr hat", so formulierte es die Teamführung immer wieder.
Das ist ein Problem, denn noch sind 25 Punkte zu gewinnen, Piastri ist weiterhin im Rennen. Das Team kann und will den bisherigen Ansatz also nicht komplett einkassieren, hält sich eine Teamorder je nach Rennverlauf aber offen. "Wir lassen unsere Piloten gegeneinander fahren, aber über allem steht, dass wir Verstappen mit einem der beiden schlagen", sagt Stella.
Formel 1: Norris mit bester Ausgangslage
Norris hätte den Titel sicher, wenn er einen Podestplatz einfährt - ein Eingriff des Kommandostandes könnte daher in folgendem Szenario Sinn machen: Verstappen führt das Rennen an, Piastri liegt auf Rang zwei, Norris ist lediglich Vierter. Dann würde der Australier Norris zum Titel verhelfen, wenn er sich hinter den Engländer zurückfallen lässt. Das wäre wohl alternativlos, aber in verschiedener Hinsicht kompliziert.
Zum einen gibt es kaum eine unwürdigere Art, einen WM-Titel zu gewinnen. Norris, ohnehin in bestimmten Fankreisen unbeliebt und regelmäßig ausgebuht, würde das lange mit sich herumtragen. Zum anderen sind Formel-1-Rennen oft derart unvorhersehbar - Unfälle, Schäden, Safety Cars, Strategiefehler -, dass Piastri auch in der Endphase am Sonntag noch selbst auf seinen Titel und daher auf maximale Punkte hoffen dürfte.
Garniert wird all das mit den jüngsten Eindrücken von der Strecke. Zwar hat McLaren weiterhin das stärkste Auto, doch in Las Vegas führte ein Setup-Fehler zur doppelten Disqualifikation, in Katar kostete dann ein Taktikfehler wertvolle Punkte. Das Team scheint in der entscheidenden Phase nicht auf der Höhe - und bei den Fahrern scheint sich das Momentum ebenfalls zu drehen. In Katar hatte Norris einen Titelmatchball, doch er fuhr so schwach wie seit Wochen nicht. Piastri dagegen war beinahe makellos unterwegs, erstmals seit Monaten.
Auch das spricht dafür, weiter auf eine Teamorder zu verzichten. Mit Blick auf den herannahenden Verstappen, der seit dem Sommer fast 100 Punkte aufgeholt hat, bleibt das aber ein gewagtes Unterfangen. Eigentlich, sagte auch Experte Ralf Schumacher zuletzt bei Sky, "muss man sich festlegen. Max ist jetzt da, und Max macht keine Scherze."
