Der Druck ist riesig, die Krise real, aber ein bisschen süßes Ferrari-Leben gab es dann doch für Lewis Hamilton. Im Herzen von Mailand warteten Tausende in Rot, es gab Autogramme und Fotos, und am Ende stieg der Rekordweltmeister auf den Balkon des Königlichen Palastes und sprach zum Volk.
"Incredibile", rief Hamilton ins Mikrofon, und "forza Ferrari: Wir brauchen diese Energie am Wochenende!" Denn am Sonntag (15 Uhr/Sky) in Monza steht für Hamilton das wichtigste Rennen dieses so schwierigen ersten Jahres bei der Scuderia an.
In Erinnerung an Lauda
Und als wäre die Gegenwart nicht schon Herausforderung genug, sorgt nun auch noch die Geschichte für Fallhöhe: Der Sonntag in Monza soll bitteschön ein Feiertag werden.
Denn auf den Tag genau 50 Jahre zuvor gewann Niki Lauda seinen ersten WM-Titel in Rot auf eben dieser Strecke. Ferrari tritt daher mit einer Spezial-Lackierung an und erinnert an den 2019 verstorbenen Österreicher.
Doch dieses besondere Heimspiel findet für Ferrari in unruhigen Zeiten statt. Am vergangenen Wochenende in den Niederlanden drückte das Doppel-Aus für Charles Leclerc und Hamilton gewaltig auf die Stimmung, in der WM-Wertung belegen die beiden nur die Plätze fünf und sechs.
Sportlich "ein Desaster"
Besonders Hamiltons Leistungen werden zunehmend kritisch gesehen. Sein Unfall in Zandvoort entsprang einem Anfängerfehler, und weil er dort zudem unter Gelber Flagge zu schnell unterwegs war, muss er in der Startaufstellung von Monza fünf Plätze zurück. Die Tifosi sind weiterhin bedingungslos zugeneigt, das zeigte der Abend am Mailänder Dom, auch das Rennwochenende ist mit 350.000 Fans ausverkauft.
Doch Italiens Presse geht zunehmend ruppig mit diesem teuren Neuzugang um. "Die größte Investition in Ferraris jüngster Geschichte ist vielleicht rentabel bei der Sponsorensuche", schrieb der Corriere della Sera zuletzt: "Sportlich hat sie sich bisher jedoch als Desaster erwiesen."
Die Geduld ist also endlich rund um Ferrari, selbst mit diesem prominentesten Formel-1-Fahrer der Gegenwart. Das sieht auch Teamchef Fred Vasseur, und er fordert mehr Zeit. Die Umstellung für Hamilton nach rund 20 Jahren bei McLaren und Mercedes werde gemeinhin "unterschätzt". Die Erwartungen seien "riesig, wir müssen sie managen", es gelte, die erfolgreicheren Zeiten vorzubereiten.
Hoffnung gilt der Saison 2026
Der Blick bei der Scuderia geht vor allem in die Zukunft, im kommenden Jahr greift ein komplett neues Reglement, zudem kennen Hamilton und das Team sich dann besser. Anstrengungen für die laufende Saison stehen weniger im Mittelpunkt - Monza bildet allerdings die große Ausnahme.
Die Hochgeschwindigkeitsstrecke stellt andere Anforderungen an die Autos als die meisten im Kalender, und Ferrari hat sich darauf offenbar vorbereitet. Erwartet wird ein aggressives Update in Form eines neuen Heckflügels, denn ein Triumph in Monza kann selbst eine solche Saison retten. Vorbild ist das vergangene Jahr: Damals gelang Leclerc ein überraschender, emotionaler Sieg dank starker Strategie.
Mindestens eine solche braucht auch Hamilton am Sonntag, der Weg in Richtung Podest wird durch die Startplatz-Strafe noch weiter als ohnehin meist. Zumindest am Mittwochabend in Mailand war das aber ein bisschen egal, es wurde groß geträumt. "Siege mit den anderen Teams sind auch fantastisch", rief Hamilton den Fans zu: "Aber nichts ist wie Ferrari."