VfL Bochum - Borussia Dortmund
Man möchte es kaum glauben: Der VfL Bochum befindet sich auf bestem Wege, auch im verflixten zweiten Jahr die Klasse zu halten. Schon in der Saison 2012/22 galt der damalige Aufsteiger als klarer Abstiegskandidat, am Ende stand man souverän auf Platz 11. Noch vor dem Europa-League-Sieger aus Frankfurt, noch vor den Namensvettern aus Wolfsburg. Die Träume, jetzt "nie mehr 2. Liga" spielen zu müssen, wurden seitens der Konkurrenz noch etwas belächelt. Stand Februar 2023 scheint aber vieles darauf hinauszulaufen, dass der laut Eigenverständnis "wahre VfL" den Ruf einer Fahrstuhlmannschaft abwerfen kann.
Nach der Ergebniskrise im September des vorherigen Kalenderjahres - Bochum war mit sechs Niederlagen in die Meisterschaft gestartet, darunter einer 0:7-Heimpleite gegen Bayern München - dachten nicht nur Außenstehende, dass der erste Absteiger der neuen Saison bereits feststeht. Die Entlassung von Langzeittrainer Thomas Reis schockierte die Fans im Ruhrpott. Von 2009 an war Reis fast ununterbrochen und in verschiedensten Funktionen für den Verein tätig gewesen. Dass für den Nachfolger Thomas Letsch eine Ablösesumme von 500.000 Euro plus Boni floss, erhöhte den Erfolgsdruck. Üblicherweise scheut sich der eher sparsam agierende VfL davor, derartige Zahlungen zu tätigen.
In den vergangenen zehn Jahren gaben die Bochumer nur 5,5 Millionen Euro für Ablösesummen aus, jene von Letsch bereits einbezogen. Im selben Zeitraum nahm man hingegen knapp 35,5 Millionen Euro eben hierüber ein. Macht laut Milchmädchenrechnung einen Reingewinn von 30 Millionen Euro.
Knochenhart präsentierte sich das Präsidium, als Ligakonkurrent Schalke um den bereits entlassenen Thomas Reis warb. Der einstige Cheftrainer war lediglich freigestellt, hatte aber noch gültigen Vertrag beim VfL. Üblicherweise zeigen sich Vereine in solchen Situationen gütig, Präsident Hans-Peter Villis präsentierte sich als derart zäher Verhandler, dass sich schließlich Reis selbst dazu bereit erklärte, einen Teil der verlangten Summe zu übernehmen.
Umso verwunderlicher, dass für Thomas Letsch bereitwillig Geld zum Ex-Verein Vitesse Arnheim floss. Der von Ralf Rangnick geförderte 54-Jährige ist mit seiner Arbeitsweise offensichtlich auf viel Vertrauen im Vorstand gestoßen. Wie wir mittlerweile wissen: berechtigterweise. Im Bochumer Kader befinden sich viele Spieler, denen die Bundesliga-Tauglichkeit jahrelang abgesprochen worden war. Letsch holt aus ihnen das Maximum heraus.
Philipp Hofmann erzielte in der laufenden Spielzeit bereits 7 Tore. Zusätzlich netzte der großgewachsene Mittelstürmer in der ersten Runde des DFB-Pokals, als Viktoria Berlin 3:0 bezwungen werden konnte. Jahrelang galt der heute 29-Jährige als Mann für die 2. Liga, der für die höchste Spielklasse einfach nicht die nötige Klasse mitbringe. Erst in Bochum debütierte er in der Bundesliga. Christopher Antwi-Adjei brillierte gegen die TSG Hoffenheim zuletzt mit drei Torvorlagen. Dass der linke Flügelspieler irrsinnig schnell ist, wusste man deutschlandweit, dass er auch ein richtig talentierter Fußballer ist, musste man eher anzweifeln.
Bevor Letsch sein Trainer wurde, sammelte er in 59 Bundesliga-Spielen nur sechs Scorer (2 Tore, 4 Vorlagen). Unter dem neuen Trainer läuft es wesentlich besser, in 13 Partien kam er auf 2 Tore und 6 Vorlagen. Der Deutsch-Ghanaer profitiert starken Umschaltverhalten der Bochumer. Bei Eckstößen und hohen Bällen ist der VfL ebenso brandgefährlich, mit Förster und Stöger finden sich zwei begnadete Standardschützen im Kader wider. In der Defensive brachte Keven Schlotterbeck neue Ordnung ins Team. Er wird am Mittwoch (20:45 Uhr, live auf Sky, ZDF und in der Flashscore Audioreportage) auf seinen Bruder Nico treffen, der bereits im Vorjahr zu Borussia Dortmund wechselte.
Neben dem allgemeinen Aufschwung soll Bochum die große Heimstärke zugutekommen. Fünf Spiele wurden unter Letsch im Vonovia Ruhrstadion absolviert, fünfmal ging der VfL als Sieger vom Platz. "Zu Hause treten sie sehr stark und dominant auf. Man merkt, was dieses Stadion für eine Energie entwickeln kann", zollte BVB-Trainer Edin Terzic dem Gegner vor dem Pokalkracher Respekt. Auch Terzic weiß, wie sich Aufschwung anfühlt.
Seit Jahresbeginn hat die schwarz-gelbe Borussia sämtliche Spiele gewonnen. Nach den denkbar knappen Erfolgen gegen Augsburg und Mainz - beide Male avancierte Giovanni Reyna zum späten Goldtorschützen - und spielerische mauen Auftritten war der Trainer gefordert. Personelle Umstellungen folgten, unter anderem verdrängte Niklas Süle den 76-fachen DFB-Teamspieler Mats Hummels auf die Ersatzbank. In den letzten beiden Spielen konnte auch Sebastien Haller wieder Vollgas geben. Wenngleich Youssoufa Moukoko während seiner Abwesenheit einen wichtigen Entwicklungsschritt machte, ist der von einer Hodenkrebserkrankung genesene Franzose mit seiner hohen Auffassungsgabe und kluger Entscheidungsfindung eine echte Verstärkung im Angriff.
Beim 2:0 gegen Leverkusen ließ er den Ball klug durch, Karim Adeyemi hatte dann leichtes Spiel, durfte sich als Torschütze feiern lassen. Beim 5:1-Heimerfolg gegen Freiburg netzte Haller dann auch selbst - und das am Weltkrebstag. Ein überaus emotionaler Moment, welcher der sensiblen Mannschaft neuen Halt gab. "Ich bin glücklich und hoffe, dass ich viele andere Menschen glücklich gemacht habe. Aber der Weg ist lang, und wir werden ihn gehen und hoffentlich noch viele Tore schießen", gab sich der Stürmer nach dem klaren Erfolg gegen den Sportclub ehrgeizig. Erneut Gelegenheit, seine Fans mit Endorphinschüben zu beglücken, hat er am Mittwoch. Dann will Dortmund in Bochum die Weichen stellen, ins Viertelfinale einziehen und den nächsten Schritt Richtung sechsten Pokaltriumph machen.
1. FC Nürnberg - Fortuna Düsseldorf
Von einer Story wie jener der Bochumer träumt man auch in Nürnberg und Düsseldorf. Das einzige reine Zweitliga-Duell im Pokal-Achtelfinale wird am Mittwoch um 18 Uhr (live auf Sky und in der Flashscore Audioreportage) im Max-Morlock-Stadion stattfinden. Mit in den Freistaat Bayern reisen werden neben 1.250 Fans auch Marcel Sobottka, Dawid Kownacki und Christoph Klarer. Während Kownacki und Klarer ihre Gelbsperren abgesessen haben, kurierte sich Sobottka von einer Erkältung aus.
Ausfallen werden hingegen die Außenverteidiger Matthias Zimmermann und Michal Karbownik. Wie lange Zimmermann ausfallen wird, ist nach seinem schmerzhaften Faserriss noch nicht bekannt. Beim bis Sommer von Brighton ausgeliehenen, im Spiel nach vorwärts extrem dynamischen Karbownik hofft Trainer Daniel Thioune auf ein baldiges Comeback: "In Nürnberg und am Sonntag im Ligaspiel gegen Sandhausen ist Michal sicher nicht dabei", so der Fortuna-Coach vor dem Pokalduell gegenüber der Rheinischen Post.
Ein Aufstieg ins Viertelfinale wäre für die Fortuna von großer Bedeutung. Vereinsboss Jobst verwies auf die hohe wirtschaftliche Bedeutung für F95. Der DFB passte die Preisgelder in den vergangenen Jahren laufend an, um die Attraktivität des traditionsreichen Bewerbes zu erhöhen. Laut Bild würde sich die Fortuna mit dem Einzug ins Viertelfinale eine Gesamtprämie von über 1,6 Millionen Euro erspielen. Laut dem Vorstandsvorsitzenden Alexander Jobst habe das Weiterkommen aus wirtschaftlicher Sicht "einen Reiz", bei der Jahresplanung sei mit dem Einzug ins Viertelfinale nicht kalkuliert worden.
Dass gegen Nürnberg die Chance besteht, unter die besten Acht zu kommen, liegt einerseits am Erstrunden-Sieg gegen die Kickers Offenbach, andererseits am 3:0-Erfolg beim Jahn in Regensburg. Karbownik war da mit zwei Torvorlagen ein ebenso wichtiger Faktor wie Stürmer Kownacki mit einem Treffer und einem Assists.
Der 25-jährige Pole ist bis heute Rekordtransfer der Fortuna, 2019 war er für satte 6,75 Millionen Euro von Lech Posen verpflichtet worden. Eine Ablöse, die er in Düsseldorf lange Zeit nicht rechtfertigen konnte. In der Bundesliga gelangen ihm einst 4 Treffer in 30 Partien. Auch eine Klasse tiefer konnte er seinem Talent nicht gerecht werden.
Bis zu Beginn der aktuellen Spielzeit waren ihm in der 2. Liga in 32 Einsätzen lediglich 6 Treffer und 4 Vorlagen gelungen. In der Saison 2022/23 ist ihm die Integration gelungen, er hält bei 9 Treffer und 7 Vorlagen in 20 Ligaspielen. Blöd nur, dass Kownackis Vertrag im Sommer ausläuft und der Pole bereits seine Absicht kundgetan hat, das Arbeitspapier nicht verlängern zu wollen. Das Wintertransferfenster ist geschlossen, eine hohe Ablösesumme winkt für den Mittelstürmer also keine mehr.
Während die Fortuna mit 7 Punkten Rückstand auf die drittplatzierten Heidenheimer mischen die Düsseldorfer noch im Aufstiegsrennen mit, beim Club ist das nicht der Fall. Stattdessen muss sich die Truppe von Markus Weinzierl mit Abstiegssorgen herumplagen. Im Frankenderby gegen Fürth setzte es am Samstag eine 0:1-Niederlage. Das Gegentor kassierte der 1. FCN dabei erst in der Nachspielzeit, Ragnar Ache bescherte den Nürnbergern mit einem Jokertor die zweite Niederlage im zweiten Spiel 2023.
Eine Pleite mit Potenzial, existenzbedrohend zu werden und die Markus Weinzierl unzufrieden zurückließ: "In der letzten Minute ist zwar das Tor gefallen, aber verloren haben wir es in der ersten Hälfte". Torchancen erspielten sich die Nürnberger kaum.
Die Nerven liegen allmählich blank - in der 2. Liga geht es so eng zu, wie lange nicht mehr. Die letztplatzierten Magdeburg stehen nur drei Punkte hinter den auf Rang elf platzierten Braunschweigern. Planungssicherheit ist so keine möglich. Auch deshalb wurden - von Benjamin Goller abgesehen - im Winter nur leihweise oder ablösefrei Spieler verpflichtet.
Torhüter Vindahl Jensen kam auf Leihbasis von AZ Alkmaar, Jannes Horn aus Bochum, Gustavo Puerta aus Leverkusen, Blum ohne Ablöse von APOEL Nikosia, Florian Flick von Schalke 04. Besonders letztgenannter überzeugte Trainer Weinzierl auf Anhieb. Ein "toller Mentalitätsspieler" sei der 22-jährige defensive Mittelfeldspieler. Am Mittwoch ist Flick auf jeden Fall gesetzt - denn in welchem anderen Bewerb ist Mentalität so gefragt, wie im DFB-Pokal.