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Einer wie sonst keiner: "Eisei" wird endlich vogelfrei

Eisenbichler will die kommenden Jahre genießen.
Eisenbichler will die kommenden Jahre genießen.ČTK / imago sportfotodienst / Eibner-Pressefoto/Florian Wiegand
Markus Eisenbichler nimmt in Planica Abschied vom Skispringen. Der kernige Bayer war beliebt wie streitbar, vor allem aber erfolgreich.

Skispringen sei sein Leben, sagt Markus Eisenbichler. Doch die Aussicht auf ein Leben ohne Skispringen erfüllt ihn mit schierer Vorfreude. "Ich kann trainieren, wann ich will. Heimkommen, wann ich will. Essen gehen, wann ich will. Einfach das tun, worauf ich Lust habe", sagte er dem kicker: "Ich bin dann vogelfrei."

Frei sein wie ein Vogel statt Fliegen wie ein Vogel

"Mein Bauchgefühl sagt mir: Es ist der richtige Zeitpunkt. Es fühlt sich gut an", sagt der 33 Jahre alte Luftkünstler, der ab Donnerstag beim Weltcup-Finale in Planica seine letzte Vorstellung gibt. Noch zwei, maximal vier Wettkampfsprünge, dann war es das für den Eisei: "Und es fühlt sich gut an."

Für den Abschied von dem, das er so liebt, hat er eine Herzensschanze wählen dürfen. Auf der gigantischen Letalnica flog Eisenbichler so wunderschön, wie nur er es konnte. "Wenn Markus einen guten Sprung macht, ist er eigentlich der Allerbeste", schwärmte Ex-Bundestrainer Werner Schuster über seinen einzigartigen, aber auch eigenwilligen Schützling, der mehr Klassenrebell denn Musterschüler war.

In Planica flog Eisenbichler so weit wie kein anderer Deutscher. "Der deutsche Rekord wird mir nie aus dem Kopf gehen", sagt Eisenbichler über jene 248 Meter, die er 2017 und 2019 stand. Beim zweiten Mal war er kurz zuvor dreimal Weltmeister geworden, an einem denkwürdigen Tag am Bergisel auch im Einzel.

Vier seiner sechs WM-Titel holte Eisenbichler, bevor er sein erstes von nur drei Weltcupspringen gewann - 2019 in, natürlich, Planica. Eisenbichler war eben ein Mann für große Momente, keiner für Mittel- oder Langstrecke, für Vierschanzentournee oder Gesamtweltcup. Er glänzte kurzzeitig - brannte dann aber lichterloh.

"Markus war immer für Emotionen bekannt. Das macht ihn authentisch und liebenswürdig", sagte Schuster, mit dem Eisenbichler öfters aneinander rasselte.

Zukunft ungewiss - Hauptsache "genießen"

Der urbayrische Bilderbuch-Individualist liebt und nimmt sich Freiheit, ihn zog es stets in die Berge statt wie die Kollegen Severin Freund und Andi Wellinger ins mondäne München oder Salzburg. "Diese Freiheiten brauche ich", sagt Eisenbichler, "sonst werde ich unerträglich."

Dabei war Eisenbichler unfassbar ehrgeizig, gab sich zwar betont entspannt, aber es brodelte in ihm, wenn es mal nicht lief. In diesem Zwiespalt zwischen bayrisch-humorisch und fuchsteufelswild ähnelte er anderen bajuwarischen Urviechern, Thomas Müller, mehr aber noch Sepp Maier oder Markus Wasmeier.

Bei allem Ehrgeiz wusste aber Eisenbichler zuletzt, dass es nicht mehr ganz reichte. Nach der ersehnten Olympiamedaille mit dem Team 2022 verpasste er regelmäßig den Sprung ins Weltcup-Team, versuchte es mit der Brechstange, wo sein Körper nur noch ein Wattestäbchen anbot. "Ich hatte immer Schmerzen in Knie und Rücken", sagt er. Künstliche Gelenke, die wollte er als Sportrentner dann doch nicht haben.

Nun geht er also, der Eisei, oder besser: er fliegt davon. Ein letztes Mal. Und dann? Trainer, TV-Experte, vieles ist möglich. Wenn es ihm denn die geliebten Freiheiten erlaubt. "Ich habe hoffentlich noch um die 50 Jahre vor mir", sagt er: "Und die möchte ich genießen."