Die Vienna Capitals haben nach dem Rückzug von Langzeit-Präsident Hans Schmid vor der Saison 2024/25 nicht nur den Vorstand neu besetzt, mit Christian Dolezal schwingt auch ein Caps-Urgestein (392 Ligaspiele) als neuer Sportlicher Leiter das Zepter.
Dolezal baute den Kader der Hauptstädter im Sommer kräftig um, denn die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte sollte schnellstmöglich Schnee von gestern werden. Nach einigen Aufs und Abs in der ersten Saisonhälfte, wollen die Caps in der entscheidenden Grunddurchgangsphase endgültig wieder in die Erfolgsspur finden.
Flashscore: Herr Dolezal, das Wichtigste vorab: Wie geht es Ihnen persönlich? Und wie gut haben Sie sich in den ersten rund 8 Monaten als Sportlicher Leiter zurechtgefunden?
Christian Dolezal: Es ist soweit alles einmal im Laufen. Natürlich gibt es auch immer private Themen, die hat aber jeder. Beruflich gibt es immer wieder Sachen, die man angreifen muss. In der Aufgabe, die ich habe, gibt es viele verschiedene Aufgabenbereiche, die abgedeckt werden müssen. Man lebt sich aber ein. Viele Dinge sind am Laufen und gehen in eine gute Richtung.
Gibt es Bereiche, die Ihnen von Anfang an besonders leichtgefallen sind bzw. Themen, wo Sie das Gefühl haben, dass Ihnen noch etwas die Erfahrung oder der langjährige Einblick fehlt?
Natürlich hilft es extrem, Lebenserfahrung zu haben. Einige Punkte habe ich schon lernen dürfen, als ich für den Nachwuchs verantwortlich war. Jetzt sind es mehrere Aufgabenbereiche, wie zum Beispiel die Kooperationsspieler in Zell am See zu besuchen und zu beobachten, oder Gespräche mit dem Management und dem Trainer Marcel Rodman in Zell am See zu führen.
Marcel ist ein ehemaliger Mitspieler von mir, mit dem ich mich auch privat gut verstehe. Er ist ein guter Freund, mit dem ich mich eigentlich wöchentlich austausche. Einmal im Monat versuche ich Zell am See zu besuchen, um unsere Kooperationsspieler zu sehen und um zu schauen, wie sie spielen, ob sie einen Schritt in die richtige Richtung machen und sich weiterentwickeln.
Bei uns im Haus gibt es viele Nachwuchsthemen, die ich oft mit den Coaches abarbeite. Einfach, weil die Coaches viel übernehmen müssen, weil es sich zeitlich nicht ausgeht. Es ist sehr viel Arbeit, aber wir haben Gott sei Dank viele Kollegen, die ihren Job wirklich gut machen. Könnte es besser sein? Zu 100 Prozent, das kann es immer sein und an dem feilen wir auch jeden Tag. Vieles hat mit Kommunikation zu tun. Wenn man ein kleines Puzzleteil vergisst zu informieren, dann wird es ungleich schwieriger.
Als man Sie im April 2024 als neuer Sportlicher Leiter bei den Capitals präsentierte, wurde als eines der wichtigen Ziele kommuniziert, für eine einheitliche Identität vom Nachwuchs bis zu den Profis zu sorgen. Was sind die Kernpunkte dieser Identität?
Das hat vor allem mit Charaktereigenschaften und Einstellung zu tun. Das sind Eckpfeiler, ohne die es definitiv nicht funktionieren wird und an die wir glauben. Wir probieren, die richtigen Charaktere zu finden, vor allem im Nachwuchsbereich, wo man mit jüngeren Spielern, die einen Riesenaufwand betreiben, arbeitet.
Akademiespieler kommen in der Woche drei bis viermal in der Früh her und haben ein hartes Frühtraining. Nach dem Mittagessen haben sie dann einen langen Schultag, am Abend folgt oft noch ein Teamtraining. Das sind Stunden, die ein normal arbeitender Erwachsener in dieser Form nicht hat. Wie die Jugendlichen und ihre Familien diesen Aufwand bewältigen verdient großen Respekt.
Sie wissen aber natürlich auch, dass sie ihr Ziel, hoffentlich Profi zu werden, ohne diesem großen Einsatz nicht erreichen werden. Sie investieren viel Zeit und Schweiß. Die Eltern investieren finanziell enorm viel, damit ihre Kinder überhaupt eine Chance haben, später einmal Geld mit dem Sport zu verdienen. Wir wissen alle, wie schwierig das ist und wie dünn die Luft im Profitum wird. Da geht es dann um kleine Details, um besser zu werden. Vieles hat mit Charakter, Zeitmanagement und Einstellung zu tun. Je früher man damit gut umgehen kann, umso einfacher fällt es einem später als Profispieler.

Vor allem der Übergang vom Nachwuchs bzw. der Akademie in den Profibereich ist bekanntlich kein einfacher. Mit der Kooperation mit Zell am See haben gewisse Spieler die Chance, das zu erreichen. Gibt es bei den Caps Bestrebungen, auch wieder eine eigene zweite Mannschaft zu haben?
Man muss sagen, dass unser eigenes Farmteam damals ein enormer finanzieller Aufwand für den Gesamtverein war, denn man muss das Personal und den gesamten Spielbetrieb dahinter sehen. Ohne jetzt groß auszuschweifen: Man sieht es auch bei anderen Vereinen, dass das finanziell extrem schwierig zu halten ist. Deswegen glaube ich, dass es in Zukunft eher über Kooperationspartner gehen wird. Wir müssen uns mit Satellitenvereinen viel breiter aufstellen.
Unser Management unternimmt einiges in diese Richtung, dass der Sport größer wird und mehr Kinder zum Eishockey kommen und dann auch beim Eishockey bleiben. Selbst wenn sie aus dem aktiven Eishockey rausfallen, sollen sie trotzdem Eishockeyfans bleiben und sich Spiele anschauen. Seien es unsere Caps, seien es andere Vereine oder die NHL. Hauptsache, sie sind begeisterte Eishockeyfans. Wir müssen den Sport noch viel größer machen. Das ist eben auch die Schwierigkeit daran, ein eigenes Farmteam zu haben. Deswegen glaube ich, dass es eher über Kooperationen gehen wird, um Klubs zusammenzuführen und zusammenzuarbeiten. Ich denke, dass wir da die ersten Schritte eingeleitet haben.
Wir haben auch die Kooperation mit dem WEV, die wir noch weiter vertiefen wollen, um das Wiener Eishockey jedes Jahr größer zu machen. Wir sind da noch ganz am Anfang. Man kann auch nicht die Fast-Forward-Taste am Recorder drücken. Es dauert seine Zeit, um gewisse Sachen aufzubauen. Das wird nicht von heute auf morgen alles Weltklasse sein. Aber wir arbeiten mit unseren Partnern fleißig daran, dass wir uns immer wieder austauschen und verbessern.
Bei den Caps wurde 2024/25 nicht nur die sportliche Leitung neu besetzt, sondern auch das Vorstandsteam erneuert. Präsident Martin Reiss hat sich bislang sehr engagiert gezeigt. Wie empfinden Sie die bisherige Zusammenarbeit – sowohl mit dem Vorstand als auch mit den beiden Geschäftsführern Lukas Garhofer und Patrick Wondra?
Immer wenn es große Veränderungen gibt, dauert es seine Zeit bis sich gewisse Abläufe eingespielt haben. Wir haben unsere Meetings, aber jeder hat auch seinen eigenen Bereich. Gemeinsam mit dem Trainerteam bin ich für das Sportliche zuständig, die Geschäftsführer und der Präsident für das Wirtschaftliche und die Überwachung des gesamten Vereins. In den Meetings pflegen wir einen offenen Dialog, wo sie auch mitteilen, was sie von draußen sehen. Im Sport probieren wir dann, diese Beobachtungen in gewisser Form einfließen zu lassen.
Ich glaube das Wichtigste ist, dass man offen und ehrlich miteinander reden kann und, dass man Vertrauen zueinander aufbaut. Es ist wichtig, dass das Fundament auf guten Beinen steht und man sich ehrlich die Meinung sagen kann. Dass jeder sagen kann, was er glaubt und was er sieht, denn das sind die Fakten, die man hat. An denen probiert man zu arbeiten und ich glaube, wir sind auch da auf einem richtig guten Weg, aber auch das ist erst der Anfang der Reise.
Kommen wir zum Sportlichen: Wie fällt Ihr Fazit der bisherigen Saison aus?
Fangen wir mit dem letzten Wochenende an. Ich denke, dass wir phasenweise sehr gutes Eishockey gespielt haben. Wir machen in den Schlüsselmomenten den einen Fehler, den die anderen eiskalt ausnützen können. Ich denke nicht, dass das 1:4 gegen Fehervar den Kräfteverhältnissen entsprach. Es war einfach ein 50:50-Schnittspiel zu Hause gegen den Tabellenführer und ich denke schon, dass die Leistung ansprechend war. Wir hätten genauso gut Punkte mitnehmen können.
Aber hätt’ i, war‘ i, tät‘ i bringt bekanntlich nichts. Im Profisport zählen Resultate und die liefern wir zurzeit nicht. Wir sitzen da alle im selben Boot und müssen uns an der Nase nehmen. Die Performance muss einfach über 60, 65 Minuten und teilweise auch im Penaltyschießen passen. Du kriegst keine Gratispunkte. Diese Zeiten sind schon lang vorbei und ich denke, dass heuer es noch enger ist als jemals zuvor. Das darf aber keine Ausrede sein.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, damit ein Ruck durch die Mannschaft geht, um eventuell in einen Flow zu kommen, in dem alles von allein geht?
Alles von allein, das wird es in der Form nicht spielen. Ich verstehe das mit dem Flow. Eine Sache ist sicher, dass wir den gesamten Kader zur Verfügung haben, um in allen Linien bestmöglich aufgestellt zu sein. Das betrifft auch das tägliche Training. Nichtsdestotrotz dürfen Verletzungen nie als Ausrede zählen und ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind, die nächsten Schritte zu machen.
Am Ende des Tages hilft es nichts, wenn du die Punkte nicht holst, die du vor jedem Spiel liegen hast. Nur gut dabei zu sein, das reicht im Moment einfach nicht. Wir wissen aber auch, dass wir nicht so weit weg sind, aber vor allem bei den Heimspielen lassen wir einfach viel zu viele Punkte liegen. Kleine Details, die ich lieber intern belasse, machen den großen Unterschied aus und diese Punkte tun extrem weh.

Wie zufrieden sind Sie mit den Legionären? Vor allem auf der Torhüter-Position musstet ihr verletzungsbedingt mehrmals adaptieren, aber auch im Angriff habt ihr mit Joseph Cramarossa, der sich bislang gut präsentiert, nachjustiert.
Auf der Torhüter-Position ist es natürlich schwierig, wenn ein ausländischer Tormann nach vier Spielen verletzt ist und du nicht genau weißt, wie lange die Verletzung andauern wird. Man sucht nach dem passenden Ersatz und hofft, dass er einschlägt. Trotzdem braucht man ein gutes Torhüter-Duo. Ich denke, mit Peyton Jones und Sebastian Wraneschitz haben wir so eines, denn beide performen gut.
Wir wissen aber auch, dass die Performance, die vor ihnen stattfindet, ebenfalls ausschlaggebend ist. Schlussendlich ist es immer noch Teamsport. Alle fünf Spieler, die am Eis sind, müssen wie ein Uhrwerk zusammenarbeiten, damit es funktioniert. Nur wenn wir das zu 100 Prozent über die Bühne bringen, dann werden wir auch Erfolg haben.
Sind weitere Transfers geplant?
Selbes Motto wie immer. Wir schauen uns immer um. Stand jetzt wird nichts passieren. Unser voller Fokus liegt am nächsten Spiel. Wir wollen Punkte holen und ich gehe davon aus, dass die Mannschaft hungrig auf Siege ist.
Wenn Sie sich ein Transfer-Zeugnis ausstellen müssten – welche Schulnote würden Sie sich geben?
Schwierig zu beurteilen. Natürlich weiß ich, dass nicht jedes Zahnrad ins andere greift und man sich gewisse Sachen anders vorstellt. Im Nachhinein ist man immer schlauer und wenn ich eine Kristallkugel hätte, hätte ich es wahrscheinlich anders gemacht. Ich habe aber weder jetzt, noch in Zukunft eine. Nach gemeinsamem Austausch war das unserer Meinung nach das Bestmögliche, was wir nach Wien bringen konnten.
Ich denke trotzdem, dass wir in vielen Spielen auch das wahre Potenzial gesehen haben, aber es geht auch darum, diese Konstanz zu finden, und diese Siegermentalität reinzubringen, um enge Spiele zu gewinnen. Da geht es um sehr viele kleine Details, um das zu erreichen. Das Penalty-Killing funktioniert richtig gut, da haben wir eine starke Quote. Das Powerplay funktioniert noch nicht gut und an dem wird auch ständig in Meetings gefeilt.
Mittlerweile ist das durch die Strafen einfach ein Riesenfaktor. Du wirst nicht in jedem Powerplay ein Tor schießen, aber du kannst in jedem Powerplay ein Momentum kreieren. Das ist das, was wir einfach brauchen, um wieder offensiv ans Werk gehen zu können. Mit einem Tor pro Spiel wird es sich nicht ganz ausgehen, dass wir viele Spiele gewinnen.

Ihr steht aktuell auf Platz 9 der ICE Hockey League, 32 Punkte aus 28 Spielen. Vor der Saison war das Erreichen der Play Offs das erklärte Ziel. Ist es das noch immer oder hat sich das aufgrund der bisher gezeigten Leistungen verändert?
Nein, hat sich überhaupt nicht verändert. Wir sind noch immer der festen Überzeugung, dass wir ins Playoff kommen wollen. An dem Ziel arbeiten wir weiterhin. Wir haben jetzt ein paar Spiele mehr als die Hälfte der Saison abgewickelt und jetzt fängt erst der richtig heiße Ritt an.
Denken wir, dass wir Punkte liegen lassen haben? Definitiv, das wissen wir auch. Arbeiten wir alle zusammen als Gruppe akribisch dran, um uns zu verbessern? Absolut. Aber wir wissen genauso, dass noch viel Hockey zu spielen ist. Die Spiele rund um Weihnachten müssen wir nutzen, um einige Punkte zu holen, damit wir uns in der Tabelle verbessern. Das Ziel ist und bleibt aber das gleiche. Wir wollen ins Playoff.