Vor dem dritten Springen der Vierschanzentournee am Samstag (13.30 Uhr/ZDF und Eurosport) ist die uralte Rivalität zwischen den beiden Skisprungnationen aufgeflammt, lodert wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auf der Schanze, wo die dreifach führenden Österreicher um Spitzenreiter Daniel Tschofenig klare Vorteile vor den DSV-Kontrahenten um den Gesamtsechsten Pius Paschke haben. "Ein Springen in Österreich zu gewinnen, wäre das coolste überhaupt", sagt Bundestrainer Stefan Horngacher, selbst "Ösi".
Vor allem aber im Hexenkessel des Bergisel mit den zwei riesigen Fanlagern unter den insgesamt 22.500 Zuschauern (5000 Tickets gingen an "Drittländer"). "Das Stadion wird bummvoll", sagt Innsbrucks OK-Chef Manfred Obergruber, der kurzfristig noch tausende Tickets mehr seinen Landsleuten hätte verkaufen können - denn die wollen sich zusätzlich angeheizt vom heimischen Boulevard vom Rivalen keinesfalls einen möglichen Tournee-Dreifachsieg miesmachen lassen.
"Die Deutschen sind schlechte Verlierer", tönte die Kronen-Zeitung am Freitag als Reaktion auf einen deutschen Medienbericht. Der thematisierte einigermaßen unbelegt, dass Österreichs Dominanz vor allem auf Anzug-Mogelei zurückzuführen sei - das Thema hatten zunächst die Norweger ebenso spekulativ aufgebracht. Dass aber ausgerechnet die Deutschen darauf einstiegen, so der Tenor, sei ungehörig und zudem Kalkül.
"Unsere Lieblingsnachbarn brauchen wohl eine Ausrede, um die bislang dürftigen Leistungen der eigenen Athleten zu erklären", ätzte der Krone-Leitartikler: "Jahr für Jahr die gleiche Leier."
Die Austria-Adler selbst reagierten sachlich. Überragend dank Schummelei? Iwo. "Dass wir geschlossen so gut sind, ist ein Produkt der letzten Jahre. Wir sind super zusammengewachsen als Team mit jung und alt, mit Trainern und Serviceteam, das alles perfekt auf uns abstimmt", sagte der Gesamtdritte Stefan Kraft, der 2015 als bislang letzter Österreicher die Tournee gewann.
Von Nervosität ist im ÖSV-Team nichts zu spüren, beim Medientermin am Donnerstag herrschte Ferienlagerstimmung. Cheftrainer Andreas Widhölzl, 2000 selbst Tourneesieger, hat seine Jungs mit seinen sehr vielfältigen Ansätzen - der "Swida" ist riesiger Heavy-Metal-Fan und ausgebildeter Sozialpädagoge - mental fast unverwundbar gemacht. Und deshalb geht es nach außen hin eigentlich nur noch darum, welcher Österreicher nun die Tournee gewinnt.
Favorit Tschofenig verweist auf seine Kollegen
"Ich sehe mich nicht als Topfavorit, weil ich weiß, was die anderen im Team können", sagt Tschofenig. Der zweitplatzierte Jan Hörl will "den Tschofi ärgern". Kraft greift ohne Druck an, "weil ich den Goldadler schon daheim stehen habe". Der Form halber erwähnt Widhölzl noch den viertplatzierten Schweizer: "Man darf auch Gregor Deschwanden nicht außer Acht lassen."
Von Paschke, der fünf Saisonspringen gewann, und den anderen Deutschen indes redet bei den Österreichern derzeit kaum jemand - zumindest nicht als Konkurrenz. Diese aber könnten ohne den ganz großen Druck und leichtem "Heimvorteil" die Partycrasher-Rolle übernehmen.
Denn in Innsbruck haben die DSV-Adler zwar schon herbe Pleiten, aber auch schon Riesenerfolge wie bei der WM 2019 erlebt. Dass der Bergisel eine deutsche "Schicksalsschanze" ist: für Horngacher "nichts als Aberglauben".