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Almedina Šišić vor der großen Herausforderung bei Austria Wien: „Ich will den Schritt in den Profibereich schaffen!“

Almedina Šišić vor der großen Herausforderung bei Austria Wien: „Ich will den Schritt in den Profibereich schaffen!“
Almedina Šišić vor der großen Herausforderung bei Austria Wien: „Ich will den Schritt in den Profibereich schaffen!“ČTK / AP / Dolores Ochoa
Zwischen Matura, Umzug und neuen Zielen: Almedina Šišić spricht über ihre ersten Schritte im Fußball, eine unvergessliche Zeit in Linz, den Wechsel zu Austria Wien und ihre großen Ambitionen – auf Vereinsebene und fürs Nationalteam.

Almedina Šišić zählt zu den größten Nachwuchs-Aktien im österreichischen Frauenfußball. Bei einem Kaffee in einem Gastgarten am Linzer Hauptplatz hat sie mit Flashscore gesprochen. Und es war wohl eine der vorerst letzten Gelegenheiten, so ein Gespräch mit ihr in Linz zu führen. Immerhin geht es für sie bald in eine noch größere Stadt an der Donau, nach Wien. Was sie dort erwartet, wie sie dort überhaupt hingekommen ist und was das alles mit einem selbst gebastelten und gebauten Fußballplatz in Bosnien zu tun hat, erfahrt ihr in diesem Interview. 

 

Beginnen wir im Hier und Jetzt: Wie geht es dir? Und was tut sich gerade bei dir?

Mir geht es jetzt gerade super, weil ich mit der Schule fertig bin. Am Freitag habe ich meine letzten zwei mündlichen Matura-Termine gehabt. Ich habe es ganz gut abgeschlossen und jetzt heißt es einmal genießen, runterkommen, am Donnerstag Matura feiern und dann ab zur Matura-Reise. Danach geht es eh schon Richtung Wien, um langsam dort das zukünftige Leben zu gestalten.

 

Wien ist natürlich direkt das große Stichwort: Gratulation zum Wechsel zu Austria Wien! Wie ist dieser Wechsel zustande gekommen? Wann ist die Entscheidung gefallen? 

Mit dem Trainer von Austria Wien habe ich schon länger Gespräche gehabt. Da besteht das Interesse schon länger an einem Wechsel und jetzt hat es sich im Sommer perfekt ergeben, weil ich mit der Schule fertig bin und ohnehin in Wien studieren möchte. 

 

Hat es noch andere Möglichkeiten und Angebote gegeben? 

Ja, es hat schon andere Angebote in Österreich gegeben und auch aus dem Ausland. Aber das bei der Austria hat sich einfach so gut angefühlt, die Bedingungen dort sind noch professioneller und ich habe auch viel auf mein Bauchgefühl gehört. Der Transfer ist aktuell auch der ideale Zwischenschritt, bevor ich eines Tages ins Ausland gehen kann. 

 

Also ist das Ausland nach wie vor ein Ziel von dir?

Ja, ich möchte schon den Schritt in den richtigen Profibereich schaffen und nach Deutschland in die erste Liga oder nach England oder Spanien wechseln. Das sind schon Träume von mir, aber davon bin ich noch weit entfernt.

 

Bevor wir auf diesen Transfer noch genauer eingehen, gehen wir einmal ganz zurück: Was ist deine erste Erinnerung an Fußball? 

Meine erste Erinnerung an Fußball? Das war in Bosnien bei meinem Opa daheim. Als wir ganz klein waren und wir nach Bosnien gefahren sind, hat er uns als Überraschung eigene Tore und ein eigenes Fußballfeld gebaut. Also alles ganz selbst gemacht aus Holz.

Da habe ich mich immer so darauf gefreut, wenn ich in Bosnien mit meinem Bruder oder mit meinem Papa eins gegen eins spielen konnte. Das Feld ist außerdem bergab gegangen. Da hat man schon gewisse koordinative Fähigkeiten gebraucht, um das auszugleichen. 

Der Untergrund war natürlich auch nicht so super. Das hat bestimmt auch mein Dribbling verbessert. Das hat mir einfach so viel bedeutet, dass mein Opa sich da so viel Mühe gegeben und uns ermöglicht hat, auch dort daheim Fußball spielen zu können. 

Leider hat er, als er noch gelebt hat, sonst nie die Möglichkeit gehabt, ein Fußballspiel von mir zu sehen. Umso schöner ist es, dass er da mitspielen und zuschauen konnte. So hat er mich immerhin da Fußballspielen gesehen in der Gewissheit, dass ich das noch weitermachen werde. 

 

Ab wann wurde klar, dass aus der ersten, kindlichen Leidenschaft eine richtige Karriere werden kann? 

Als ich noch bei den Jungs mitgespielt habe, dachte ich noch nicht, dass ich irgendwann Profi werden könnte. Damals habe ich noch nicht einmal bemerkt, dass es Frauenfußball so wirklich gibt. Ich hatte noch keinen Plan, welche Vereine es in Österreich gibt und wo man da spielen kann. Erst als ich ins LAZ gekommen bin und gemerkt habe, dass ich auch unter den Burschen immer noch bei den Besseren dabei war, hat sich das geändert. 

Da wurde zunächst die Akademie in St. Pölten ein Thema. Mittlerweile kannte ich auch Katharina Reikersdorfer und Nadine Drescher, die dann in die Frauenfußballakademie Oberösterreich (FFA) gegangen sind. Ich habe es zunächst in St. Pölten versucht, es dort aber nicht geschafft. Danach hat Gerald „Geri“ Reindl, der Leiter der FFA gesagt, ich solle unbedingt nach Oberösterreich kommen und dort den Weg im Fußball weitergehen. So habe ich mit 13 oder 14 Jahren gemerkt, in welche Richtung es gehen soll. 

 

Hattest bzw. hast du Vorbilder?

Meine Eltern sind meine Vorbilder. Mein Papa auf jeden Fall aus sportlicher Sicht und mit seiner Einstellung. Der hat es im Leben nie leicht gehabt, kam aus ärmeren Verhältnissen und hat es trotzdem geschafft, sich bis jetzt ein super Leben aufzubauen. Und meine Mama vor allem auf persönlicher Ebene, bei allem, was auch sie schafft – und das ohne zu jammern. 

Beim Fußball sind es Cristiano Ronaldo und Edin Džeko. Denen habe ich immer zugeschaut, die haben mich inspiriert. 

 

Wie hat dein Weg dann bis zu deiner zuletzt aktuellen Rolle in Linz ausgesehen? 

Geri Reindl und Gerhard Braunschmid waren sogar bei uns daheim. Noch bevor ich nach Oberösterreich bekommen bin, wollten sie mich schon unbedingt davon überzeugen, in die Akademie zu kommen und auch gleich für Union Kleinmünchen zu spielen. 

In Kleinmünchen habe ich zuerst zwei Spiele in der B-Mannschaft gespielt. Dann war ich auch schon bei der ersten Mannschaft dabei. Zunächst noch ein halbes Jahr auf der Bank. In der Rückrunde habe ich dann mit 14 zum ersten Mal in der Startelf gespielt. Das war super für meine Entwicklung, dass ich schon so früh bei den Erwachsenen mitgespielt habe. Auch dort hat mich Geri immer weiter gepusht und gefordert – ihm habe ich da sehr viel, ja fast alles zu verdanken. 

Vor drei Jahren sind wir dann in die erste Bundesliga aufgestiegen. Das war einer meiner schönsten Tage überhaupt – vor allem nach einer so spannenden Saison. Bis zum Schluss waren wir da punktegleich mit zwei anderen Teams. Wir hatten den Vorteil, dass wir die direkten Duelle gewonnen haben, dennoch mussten wir bis zum Schluss jedes Spiel gewinnen, sonst wären wir weg gewesen.

Auch das letzte Spiel haben wir extrem spannend gemacht. Schon nach rund zehn Minuten lagen wir mit 1:0 in Führung. Diese Führung mussten wir dann bis zur 95. Minute verteidigen. Dass wir danach tatsächlich Meister geworden und aufgestiegen sind, war unglaublich. Da war auch Blau-Weiß Linz bereits eingestiegen. Dadurch konnten wir zuletzt auch im großen Stadion spielen, was auch etwas ganz Besonderes war. Diese letzten fünf Jahre in Linz waren für mich damit wirklich schöne fünf Jahre, die ich nie vergessen werde. 

 

Wie konntest du zuletzt Maturastress, Abstiegskampf und die Entscheidungsfindung für die weitere Karriere unter einen Hut bringen?

Das war tatsächlich schwierig, weil so viele schwere Entscheidungen angestanden sind. Schaffe ich die Matura? Wechsle ich und wenn ja, wohin? Was studiere ich? Das waren viele offene Fragen. 

Da haben auch meine Eltern Angst gehabt, dass mir das zu viel wird. Sie haben aber auch immer gesagt, dass ich das alles in Ruhe machen soll, dann wird sich alles so ergeben, wie es sein soll. Ich sollte mir keinen Stress machen. Zuerst mal die Matura erledigen und alles andere kann danach kommen. 

So habe ich es dann auch gemacht. Zuerst lag der Fokus auf der schriftlichen Matura. Erst als fix war, dass ich die geschafft habe, habe ich mich wirklich mit dem Wechsel beschäftigt. Mittlerweile habe ich auch die mündliche Matura geschafft und so kann ich mich auf meinen Umzug nach Wien konzentrieren. Solche Sachen sollte man einfach Schritt für Schritt machen und auch wenn es einmal nicht funktioniert, gibt es immer eine zweite Chance. 

 

Jetzt aber wirklich zum Wechsel zu Austria Wien: Was erwartet dich dort? Wie sehen deine Ziele dort aus? 

Dort erwartet mich auf jeden Fall ein anderes Niveau – ein besseres, höheres Niveau und ein starker Konkurrenzkampf. Mein Ziel ist es auf jeden Fall, dass ich mich persönlich und sportlich weiterentwickle. Es geht bei meinem Wechsel nicht darum, dass es bei Blau-Weiß Linz nicht passt, sondern weil ich mich weiterentwickeln will. 

Auch die Saisonziele unterscheiden sich natürlich bei den beiden Vereinen. Mit der Austria wollen wir schon um den Meister- und den Cup-Titel mitspielen. Champions League-Qualifikation spielen wir auch noch, während es bei Blau-Weiß primär um den Klassenerhalt gegangen ist zuletzt.

Es wird anders, aber ich freue mich schon auf andere Herausforderungen und dass vielleicht auch meine Stärken besser zur Geltung kommen in einer spielstarken Mannschaft. Bis jetzt musste ich auch immer viel gegen den Ball und generell eher defensiv spielen. Da liegt es mir natürlich mehr, wenn wir selbst mehr den Ball haben und mit einer spielstarken Mannschaft offensiver spielen können. Da denke ich, dass ich noch mehr zur Geltung kommen kann. 

 

Neben der sportlichen wird ja auch die persönliche Entwicklung eine Rolle spielen.

Ja, genau. Wien bietet eine völlig neue Umgebung und das Studium kommt auch noch dazu. Und auch die Umstellung auf eine völlig andere Rolle. In Linz war es weitgehend fix, dass ich in der Startelf stehe. In Wien wird das nicht mehr so selbstverständlich sein. Da braucht es noch mal eine ganz andere Einstellung und man muss sich wirklich in jedem Training beweisen. 

 

Zum Ende hin noch der Blick zum Nationalteam: Wie ist deine bisherige Nationalteamkarriere verlaufen?  

Im Jahr 2021 bin ich erstmals nachberufen worden ins U17-Nationalteam, im März für ein Qualifikationsspiel gegen Kosovo. Da habe ich mein Debüt gegeben. So hat es angefangen. In dieser Quali sind wir dann leider gegen Deutschland ausgeschieden. Da hätten wir im letzten Spiel nur noch ein Unentschieden gebraucht. Wir waren 2:0 in Führung, haben aber am Ende noch 2:3 verloren. Immerhin: Von da an war ich dann immer dabei. 

 

 

Dann war ich in der U19 und zuletzt auch bei der U20-Weltmeisterschaft in Kolumbien mit dem Jahrgang 2004. Da war auch eines der Quali-Spiele ganz besonders. Da haben wir in Spanien gegen Island 6:0 gewonnen. Wir standen unter großem Druck, mussten liefern und haben dann den Gegner so deutlich schlagen können. Das war schon beeindruckend. 

 

 

Das ganz große Highlight war natürlich dennoch die WM in Kolumbien. Es war bewundernswert, welchen Stellenwert der Fußball dort hat und wie offen die Leute dort uns gegenüber waren – das lässt sich mit Österreich gar nicht vergleichen. Obwohl uns die Leute dort gar nicht gekannt haben, viele vielleicht gar nicht genau wussten, wo Österreich überhaupt liegt, haben sie uns extrem herzlich empfangen, wollten Fotos machen und Autogramme sammeln. 

Umgekehrt war es dann schon eine Enttäuschung, als bei unserer Rückkehr in Österreich niemand auf uns gewartet hat. Da kommst du von so einem großen Ereignis zurück und bekommst das Gefühl, dass es zu Hause niemand interessiert, dass du gerade noch das Achtelfinale einer Weltmeisterschaft erreicht hast.

Da hätte die Berichterstattung bestimmt auch umfangreicher sein können, wobei auch die Zeitverschiebung ein Thema war. Die Spielerinnen und Trainer in Linz haben teilweise auch um drei in der Früh extra eingeschaltet, um die Spiele zu sehen. Das kann man von der breiten Massen natürlich nicht erwarten.

Unabhängig davon, kann mir die Erfahrung von diesem rund einen Monat in Kolumbien keiner mehr nehmen. Vor allem in einem Land, das man so vermutlich eher nicht besuchen würde. 

 

Wie sehen deine aktuelle Rolle und deine Ziele rund um das Thema Nationalteam aus? 

Mit den Jugendnationalteams bin ich jetzt fertig. Es wird spannend, ob es in Österreich ein U23-Team geben wird. Ich denke, das wäre ein wichtiger Zwischenschritt von den Jugendnationalteams zum A-Team. Wenn es das bald geben sollte, wäre ich da natürlich gerne dabei.

Und natürlich ist es ein ganz großes Ziel, irgendwann auch im A-Team zu spielen. Ich werde alles dafür geben, dass ich mich so entwickle, dass ich auf dem dafür nötigen Niveau spielen kann. Ich denke schon, dass ich mithalten kann, wenn meine Leistungen und die Entwicklung passen. Aber wenn es nicht klappen sollte, dann wäre das halt so. Im Notfall könnte ich auch noch für Bosnien spielen. Solange ich kein Spiel im A-Team mache, darf ich noch wechseln. 

Meine Familie ist ja aus Bosnien und deswegen habe ich da auch eine gute Verbindung. Im Nachwuchs habe ich gleichzeitig die Einberufungen von Bosnien und Österreich bekommen. Da habe ich mich bewusst für Österreich entschieden. Vor allem, weil da das Niveau und die Ausbildung besser und das Umfeld professioneller sind. 

 

Hast du zum Abschluss noch ein Thema, das du ansprechen möchtest? 

Es sollte in der österreichischen Bundesliga mehr Doppelspiele geben. Sprich, wenn etwa Blau-Weiß gegen Sturm spielt, dass Männer und Frauen am gleichen Tag im Stadion spielen. Bei den bisherigen Doppelspieltagen hat man bei uns schon gesehen, dass doch einige Fans dableiben, um auch die Frauenteams zu unterstützen. 

Und natürlich hoffe ich, dass auch die Berichterstattung rund um den Frauenfußball noch umfangreicher wird. So wie zuletzt auch in Form von Übertragungen bei Sky. Bei den Männern ist das schon selbstverständlich, dass sie auf Sky zu sehen sind. Für uns ist das noch ein großes Highlight.