Werder Bremen hat am Samstag eindrucksvoll bewiesen, dass Moral manchmal mehr zählt als Zahlen. 26 Minuten vor Schluss lag der SVW im Weserstadion mit 1:3 zurück, ein Mann weniger nach einer roten Karte – und trotzdem erkämpften die Grün-Weißen in der Nachspielzeit noch ein 3:3 gegen Bayer Leverkusen.
Es war ein Comeback, das Mut machte und den Geist verkörperte, den Trainer Horst Steffen dem Verein einhauchen will.
Steffen trat im Sommer das schwere Erbe von Ole Werner an, der nach einem Vertragsstreit zu RB Leipzig wechselte. Werner hatte Werder stabilisiert und zurück in die Bundesliga geführt, setzte jedoch stark auf erfahrene Spieler – mit der Folge, dass Talente wie Nick Woltemade den Verein verließen und anderswo durchstarteten.
Genau hier setzt Steffen an: Er gilt als Ausbilder mit Gespür für junge Spieler, dem große Klubs wie der FC Bayern oder Werder selbst schon Talente wie Nick Woltemade, Paul Wanner oder Fisnik Asllani anvertrauten.
Werder Bremen: Jugend als Tugend?
Sein Kurs ist riskant. Gegen Leverkusen standen mit Patrice Covic und Karim Coulibaly zwei 18-Jährige in der Startelf, weitere Youngster kamen von der Bank. Naivität und Fehler sind eingepreist, doch der Verein will aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.
Die Devise lautet: Nachwuchs fördern, Wert schaffen, Perspektiven bieten. Dass das Geduld erfordert, liegt auf der Hand.
Gleichzeitig wirkt Werders Transferstrategie widersprüchlich. Trotz solider Eigenkapitalbasis blieb der Klub lange passiv und setzte in letzter Minute auf Leihgeschäfte.
Zwar konnte mit Victor Boniface ein spektakulärer Stürmer verpflichtet werden, doch auch er kam ohne Kaufoption. Sein Potenzial ist unbestritten: wenn er verletzungsfrei bleibt, kann der nigerianische Angreifer das Spiel der Bremer sofort aufwerten.
Belgien-Connection um Boniface als Trumpf
Dabei helfen soll auch die Verbindung zu Ex-Kollege Senne Lynen, mit dem Boniface 2022/23 zusammen in Saint-Gilloise spielte. Läuft alles glatt, präsentiert Werder in den nächsten Stunden mit Cameron Puertas sogar noch einen weiteren alten Weggefährten aus Belgien-Zeiten.
Für Steffen aber geht es nicht nur um Namen oder Tabellenplätze. Er will eine Mannschaft formen, die sich über Leidenschaft, Zusammenhalt und Mut definiert – Attribute, die im Leverkusen-Spiel sichtbar wurden.
„Herzenswärme", "Nahbarkeit" und "Vertrauen“ sind Begriffe, die man mit ihm verbindet. Eigenschaften, die in Bremen längst nicht mehr selbstverständlich waren. Noch fehlen die Siege, um die Euphorie wirklich zu entfachen. Doch das 3:3 gegen ein Top-Team wie Leverkusen war ein Signal.
Horst Steffen steht am Anfang einer heiklen Mission, doch wenn Werder die Geduld behält und seine Talente wachsen, könnte die Stadt schon bald ihren neuen Trainer lieben.