Klar ist: Die beschauliche Zeit, in der Mike Tullberg unerkannt mit seiner Familie am Strand bummeln kann, ist vorbei. Zumindest für ein Spiel rückt der Juniorentrainer zum Chefcoach auf - und er soll helfen, den taumelnden BVB wieder aufzurichten.
Zum Match-Center: Borussia Dortmund vs. Werder Bremen
Dafür überlässt Tullberg nichts dem Zufall. Der 39 Jahre alte Däne, mit der Dortmunder A-Jugend 2021/22 deutscher Meister, habe sich "schon von seiner Familie verabschiedet und wird drei Tage ins Hotel gehen", berichtete Sport-Geschäftsführer Lars Ricken über den Interims-Nachfolger des am Mittwochen entlassenen Nuri Sahin: "Er ist ein sehr emotionaler Trainer und kann auch sehr laut werden. Er ist aber auch fachlich hervorragend."
Aber eben nur eine Lösung auf Zeit. Zwar bereitet Tullberg das Team auf das Duell mit Werder Bremen am Samstag (15.30 Uhr/Sky) vor, im Hintergrund suchen die Bosse aber fieberhaft nach einer größeren Lösung. Roger Schmidt hat bereits proaktiv abgewunken. Der frühere Bayern-Trainer Niko Kovac, laut Medienberichten Favorit, betonte zwar, dass es noch keinen Kontakt gegeben habe. Dennoch sei er ein "Typ, der Herausforderungen braucht und sucht".
"Auf keinen Fall": Roger Schmidt steht Borussia Dortmund wohl nicht zur Verfügung
Eine solche würde er beim BVB zweifelsohne vorfinden. Die Mannschaft ist völlig verunsichert - sie hat alle vier Pflichtspiele des Jahres und in letzter Konsequenz ihren Trainer verloren. Fast noch schlimmer: Es gibt keinerlei Leichtigkeit, kein Selbstverständnis, keine funktionierende Achse.
Niemand, auch nicht der im Profibereich noch unerfahrene Tullberg, kann dies in der Kürze der Zeit aufarbeiten. Die Hoffnung ist wohl, dass die Mannschaft durch den Trainerwechsel aus ihrer Lethargie gerissen wird und eine Art Trotzreaktion zeigt.
Tullberg werde "übergangsweise" auf der Bank sitzen, hatte der BVB mitgeteilt. Der Däne, der im Winter mit dem norwegischen Vizemeister Brann Bergen verhandelt hatte, soll alsbald Platz machen. Aber für wen? Nach Edin Terzic und Sahin soll der Neue diesmal nicht aus dem Kreis des BVB kommen.
Lange Liste der Kandidaten
Die Spekulationen umfassen fast die gesamte Bandbreite unterschiedlicher Trainertypen. Nicht nur Kovac und Schmidt wurden genannt, auch die Namen Erik ten Hag, Urs Fischer, Christian Streich oder gar Joachim Löw fielen.
Der BVB kann sich keinen weiteren Fehlgriff leisten. Sportchef Ricken und Sportdirektor Sebastian Kehl mühten sich in ihren Statements, das Wohl des BVB zu betonen. Dies hatte auch Sahin im Blick, dessen großer Wunsch zum Abschied lautete, dass Dortmund wieder zur Ruhe findet. Der Verein besteht aber nicht nur aus Mannschaft und Trainerteam - den Kurs gibt die sportliche Leitung vor.
Und die wirkte zuletzt häufig uneins. Welchen Einfluss Sven Mislintat als Technischer Direktor hat, ist schwer einzuschätzen. Wesentlich gewichtiger ist das Wort des scheidenden Geschäftsführers Hans-Joachim Watzke. Und da wäre ja noch Matthias Sammer, der externer Berater der Geschäftsführung ist, aber gleichzeitig in seiner Funktion als TV-Experte bei Prime Video beim letzten Spiel von Sahin ein vernichtendes Urteil über den Ist-Zustand des BVB gefällt hat.
Der größte Anreiz für den neuen Cheftrainer: Es kann eigentlich nur nach oben gehen, den aktuellen Absturz haben andere zu verantworten.