Vor dem Anpfiff herrschten in Graz ein traumhaftes Wetter – und eine klare Ausgangslage. Der SK Sturm wollte sich mit einem Heimsieg über Austria Wien an der Tabellenspitze absetzen und den Vorsprung auf die zweitplatzierten Hauptstädter auf sechs Punkte ausbauen.
"Man merkt schon, es herrscht eine ganz besondere Energie im Stadion. Unsere Aufgabe ist es, den Funken aufs Publikum überspringen zu lassen", sagte Jürgen Säumel vor dem Anpfiff am Sky-Mikrofon: "Unser Ziel ist es, zu gewinnen. Ich glaube, dass wir ein richtig gutes Spiel zeigen werden."
Im Vergleich zur 2:1-Niederlage am Verteilerkreis vier Tage zuvor nahm Säumel nur einen Wechsel vor: Tochi Chukwuani ersetzte den gelbgesperrten Malick Yalcouyé. FAK-Trainer Stephan Helm hingegen hatte allen Grund zur Zufriedenheit und verzichtete auf personelle Veränderungen.
Schiedsrichter Gishamer im Mittelpunkt
Beide Mannschaften wählten in der Anfangsphase eine direkte Spielweise, insbesondere die Anfangsphase war von vielen intensiven Zweikämpfen geprägt. In Minute 10 kam Sturm zur ersten Torchance der Begegnung. Eine abgefälschte Freistoßflanke von Tomi Horvat landete vor den Füßen von Gregory Wüthrich. Der Schuss des Schweizers landete aber klar über dem Kasten.
Nur fünf Minuten später kam Nik Prelec auf der Gegenseite in eine gefährliche Abschlusssituation. Allerdings verschleppte der Slowene das Tempo, er wurde von Emanuel Aiwu entscheidend gestört. Es zeichnete sich ein klarer Matchplan der Wiener Austria ab, die hochstehende Grazer Abwehrkette sollte durch vertikale Pässe schnell überbrückt werden.

Das führte in der 22. Minute zur ersten kniffligen Situation für FIFA-Schiedsrichter Sebastian Gishamer. Aiwu beendete ein Laufduell mit Prelec, indem er diesem an die Schulter fasste. Der FAK-Stürmer ging zu Boden, ein Foul-Pfiff blieb allerdings aus.
Fünf Minuten danach stand der Unparteiische aus Salzburg erneut im Mittelpunkt: Während eines Laufduells mit Reinhold Ranftl schlug William Böving mit seinem Knie auf den Oberschenkel seines Gegenspielers. Gishamer zückte die Rote Karte und ließ sich auch nicht durch heftige Proteste der Sturm-Spieler von seiner harten, aber nachvollziehbaren Entscheidung abbringen.
Match-Center: Sturm Graz vs. Austria Wien
Wiesinger vergibt erste Großchance
Der Titelverteidiger spielte fortan in Unterzahl. In der Defensive bemühten sich die Steirer um Kompaktheit, der FAK hingegen erhöhte den Druck auf den Kasten von Torhüter Kjell Scherpen. Der Niederländer konnte sich in der 35. Minute erstmals auszeichnen: Nach einem Austria-Corner wehrte er einen präzisen Kopfball von Philipp Wiesinger ab, anschließend klärte Dimitri Lavalée den Ball.
Dank viel Kampfgeist rettete Sturm das torlose Unentschieden in die Halbzeitpause. Auf dem Weg in die Kabinengänge bekam Referee Gishamer vom Grazer Publikum ein Pfeifkonzert zu hören, auch Otar Kiteishvili redete lautstark auf den 36-Jährigen ein – eine Verwarnung blieb dem georgischen Nationalspieler dennoch erspart.
Zweiter Platzverweis gegen Sturm
Jürgen Säumel nahm vor dem Seitenwechsel eine taktische Anpassung vor – aus der Vierer- wurde eine Fünferkette, Abräumer Jon Gorenc Stankovic ließ sich in die letzte Linie fallen. Die Maßnahme fruchtete sofort, häufig versandeten die Angriffsversuche Austria bereits im Mittelfeld.
In der 65. Minute belohnte sich Sturm beinahe mit dem Führungstreffer: Nach einem Freistoß setzte sich Wüthrich am langen Pfosten im Luftduell mit Ranftl durch – der Schweizer traf aber nur die Innenstange.
Sekunden später nahm das Drama seinen Lauf: Leon Grgic traf mit dem Ellbogen das Gesicht von Aleksandar Dragovic – was Gishamer als schwere Foulspiel bewertete. Weil Grgic bereits in der 3. Minute nach einer Schwalbe verwarnt worden war, wurde der 19-jährige Steirer mit Gelb-Rot vom Platz geschickt. Dementsprechend musste Sturm die Schlussphase zu neunt absolvieren.
Prelec schießt Austria an die Tabellenspitze
Trainer Säumel rührte nun endgültig Beton an, Mittelfeldspieler Horvat wurde durch den Verteidiger Arjan Malic ersetzt – FAK-Trainer Helm hingegen schickte in Person von Andreas Gruber eine zusätzliche Offensivkraft aufs Spielfeld.
In der 80. Minute geschah, was geschehen musste: Kjell Scherpen verschätzte sich bei einem von Dominik Fitz getretenen Eckball, die Kugel landete vor den Füßen von Prelec, dieser erzielte aus kurzer Distanz das Goldtor für die Austria.
Das Karten-Festival wurde fortgesetzt, in der 90. Minute sah auch Ranftl die Ampelkarte. Eine Randnotiz, denn die Veilchen brachten die 1:0-Führung erfolgreich über die Zeit. In der sechsten Minute der Nachspielzeit brachte der eingewechselte Belmin Beganovic das Spielgerät zwar im Kasten unter, die Merkur Arena jubelte über den vermeintlichen Ausgleich – dieser wurde aber nach einem VAR-Check wegen eines angeblichen Foulspiels aberkannt.
Der Auswärtserfolg an der Mur ist für die Austria von enormer Bedeutung: Die Hauptstädter zogen nach Punkten (33) mit Sturm gleich, übernehmen aber dank des besseren Abschneidens in den direkten Duellen die Tabellenführung in der ADMIRAL Bundesliga. Winkt gar die erste Meisterschaft seit der Saison 2012/13? Klar ist: Der Titelkampf in Österreich bleibt enorm spannend, vier Spieltage sind noch zu gehen.
"Es war ein verrücktes Spiel. Die Stimmung im Stadion war Wahnsinn", sagte Matchwinner Prelec nach dem Schlusspfiff, "aber ich glaube, es war ein verdienter Sieg für uns." Sturm-Goalie Scherpen kritisierte unterdessen Schiedsrichter Gishammer: "In einem Spitzenspiel sollte das nicht passieren. Er ist nicht ruhig geblieben. Ich könnte jetzt viel sagen. Es war wirklich eine Katastrophe."
