Als sich der große Traum vom "Titel dahoam" im Mailänder Regen aufgelöst hatte, klammerten sie sich beim FC Bayern voller Enttäuschung an das nächste, das (fast) letzte Ziel dieser Saison.
"Wir haben noch viel vor", rief Vorstandschef Jan-Christian Dreesen den geknickten Stars um Rekordspieler Thomas Müller im Teamhotel ein paar Kilometer östlich vom San Siro zu: "Wir haben noch fünf Spiele in der Liga vor uns. Das ist eure Meisterschaft!"
Die Rückkehr auf den Thron in der Bundesliga ist nach dem 2:2 (0:0) bei Inter Mailand und dem gleichbedeutenden Aus in der Champions League das neue, und wahrlich nicht unwesentliche, große Ziel zur Rettung dieser Saison. Wobei: War es das nicht immer?

Dreesen zumindest erinnerte beim traditionellen Bankett nach dem Spiel tröstend an die Worte seines Vorgängers Karl-Heinz Rummenigge: "Die Champions League ist die Kirsche, nicht die Torte." In diesem Jahr, einem Jahr mit dem Endspiel am 31. Mai in München, war sie aber mindestens auch ein bisschen Sahne.
Trauer-Erlaubnis für eine Nacht
Entsprechend "bescheiden" war am Mittwochabend die Stimmung beim deutschen Rekordmeister, wie Sportvorstand Max Eberl betonte. Man merke natürlich, was die Aussicht auf ein zweites "Finale dahoam" nach 2012 und eine Chance auf Wiedergutmachung "den Fans und dem Verein bedeutet hat", ergänzte Joshua Kimmich: "Dieser Traum ist geplatzt, das ist sehr bitter." Und doch waren die Beteiligten bemüht, den Blick tapfer nach vorne zu richten.

"Wir können vielleicht eine Nacht trauern, aber dann spielen wir schon wieder in Heidenheim. Da wollen wir weiter versuchen, die deutsche Meisterschaft einzutüten", sagte Eberl. Vom San Siro auf den Schlossberg: Beim maximalen Kontrastprogramm auf der Ostalb können die Bayern am Samstag (15:30 Uhr/Sky und Flashscore-Audioreportage) den nächsten großen Schritt Richtung Titel machen. Immerhin mache es die Enttäuschung von Mailand "einfacher, eine Reaktion zu zeigen", mutmaßte Kimmich: "Es gibt keine Ausreden."
Auch Vincent Kompany wollte sich am Mittwoch nicht allzu lange mit der "bitteren" Realität befassen. Natürlich sei das Aus "schade", sagte der Bayern-Trainer, der jedoch wie gewohnt optimistisch vorausblickte: "In fünf Monaten ist wieder Champions League. Dann beginnt eine neue Geschichte, wieder mit Hoffnung, wieder mit dem Gefühl, dass wir es schaffen", sagte der 39-Jährige: "Es geht immer weiter."
Müller auf Augenhöhe mit Messi
Dabei soll das Aus gegen ein auch am Mittwoch abgezocktes Inter bei aller Enttäuschung vor allem Ansporn und Lehre sein. Für den Liga-Endspurt, für die Klub-WM im Sommer, für die kommende Spielzeit. Man könne "viel mitnehmen" aus dieser Königsklassen-Saison und "erhobenen Hauptes hier rausgehen", betonte Eberl.
"Wir können immer mithalten", sagte Müller, der mit seinem 163. und wohl letzten Champions-League-Einsatz mit Lionel Messi gleichgezogen war. Auch ohne ihn sei die Mannschaft in Zukunft, so der Routinier, "absolut in der Verfassung, um den Champions-League-Titel mitzuspielen".

Ausscheiden selbst verschuldet
Und doch hinterließ das jähe Ende bei den Bayern auch einen bitteren Nachgeschmack. Zu unnötig wirkte das Aus angesichts der offensiven wie defensiven Ineffizienz.
Auch im Rückspiel machten sich die Bayern nach der Führung durch Harry Kane (52.) mit zwei einfachen Gegentreffern durch Lautaro Martínez (58.) und dem Ex-Münchner Benjamin Pavard (61.) das Leben selbst schwer - und nutzten nach dem Ausgleich von Eric Dier (76.) ihre Chancen nicht.

"Wir müssen aus den Vorteilen, die wir uns erspielen, auch das Ergebnis ziehen. Das geht uns im Moment ab", mahnte Kimmich. Gerade international habe man, so der DFB-Kapitän, in dieser Spielzeit "deutlich zu viele Niederlagen hinnehmen müssen."
Und auch im nationalen Titelkampf seien die Ergebnisse zuletzt zu oft ausgeblieben. "Da müssen wir aufpassen", mahnte Kimmich, "gerade in der Liga". Nicht, dass auch der nächste große Traum plötzlich noch platzt.
