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EXKLUSIV: Flashscore trifft Cesar Azpilicueta: „Wollte immer Perfektion erreichen“

Cesar Azpilicueta wurde zur Vereinslegende beim FC Chelsea.
Cesar Azpilicueta wurde zur Vereinslegende beim FC Chelsea.JUSTIN TALLIS / AFP

Cesar Azpilicueta gehört zu den erfolgreichsten und konstantesten Fußballern seiner Generation. Über ein Jahrzehnt prägte der Spanier eine Ära beim FC Chelsea, feierte Meisterschaften, Pokalsiege und den Champions-League-Triumph. Im exklusiven Gespräch mit Flashscore blickt der Verteidiger auf seine Jahre in London zurück und spricht über sein neues Kapitel beim FC Sevilla.

„Ich bin sehr diszipliniert, das war mein Schlüssel“

Flashscore: Cesar, 11 Jahre, über 500 Einsätze für Chelsea, das ist eine außergewöhnliche Bilanz. Gab es über so viele Jahre hinweg eine Routine, die du dir bewahrt hast?

Cesar Azpilicueta: Ich bin sehr diszipliniert. Ich versuche, Routinen zu entwickeln, um fit und einsatzbereit zu bleiben. Mein Ziel war immer, schon an das nächste Spiel zu denken. Ich bin sehr dankbar, weil ich in meinen 11 Jahren das Vertrauen vieler Trainer gespürt habe und einige großartige Momente erleben durfte.

Flashscore: Was verstehst du unter Disziplin? Geht es dabei eher um Training, Ernährung oder mentale Stärke?

Azpilicueta: Alles zusammen. Auch das Gleichgewicht zu halten zwischen Siegen und Niederlagen. Ich bin sehr selbstkritisch, versuche immer, Perfektion zu erreichen. Selbst nach guten Spielen denke ich: Es hätte besser laufen können. Ich schaue mir Videos an, mache Regeneration, Physio, Dehnübungen – alles, um bei 100 Prozent zu sein. Gerade in England ist die Belastung enorm, und ich habe alles getan, um bereit zu bleiben.

„Jose Mourinho war immer einen Schritt voraus“

Flashscore: Du hast unter einigen der größten Trainer gespielt, allen voran Jose Mourinho. Er machte dich vom Rechts- zum Linksverteidiger und nannte dich später den besten der Liga. Wie erinnerst du dich an ihn?

Azpilicueta: Er hatte alles im Griff. Seine Erfahrung, seine Sicht auf Fußball, seine Art der Motivation, ich habe viel von ihm gelernt. Der Start war nicht leicht, weil ich später kam und das Team schon eingespielt war. Aber er hat immer an mich geglaubt und mir das Gefühl gegeben, wichtig zu sein.

Ich hatte damals mit Branislav Ivanovic, Ashley Cole und später Filipe Luis große Konkurrenz. Das hat mich angespornt, noch härter zu arbeiten. Als ich dann mit John Terry auf der linken Seite spielte, war das für mich wie ein Meisterkurs im Verteidigen. Ich bin wirklich dankbar, dass ich diese Chance hatte.

Flashscore: Mourinho sagte einmal: „Wenn wir elf Azpilicuetas hätten, würden wir die Champions League gewinnen.“ Was bedeutete das für dich?

Azpilicueta: Das hat mich überwältigt. Es war großartig, so etwas von einem der besten Trainer der Welt zu hören. Ich war dankbar und es hat mich motiviert, diesen Standard immer zu verkörpern.

„Tuchel brachte uns Klarheit und den Champions-League-Titel“

Flashscore: Auch Antonio Conte hat bei Chelsea seine Spuren hinterlassen. Wie war er als Trainer?

Azpilicueta: Sehr fordernd. Er hat das System mehrfach umgestellt, bis wir schließlich auf 3-4-3 gewechselt sind. Ab da lief alles. Wir gewannen 13 Spiele in Folge, die ersten sechs ohne Gegentor, und am Ende 30 von 38 Premier-League-Spielen. Ich spielte als rechter Innenverteidiger in der Dreierkette. Es war zwar eine neue Position für mich, aber die habe ich sehr genossen.

Flashscore: Dann kam Thomas Tuchel, und nur wenige Monate später standest du mit der Champions-League-Trophäe da. Was war der Schlüssel?

Azpilicueta: Tuchel war sehr klar in seiner Vorstellung, wie wir spielen sollten. Wir waren defensiv stabil, obwohl wir gar nicht viel an der Defensive gearbeitet haben. Durch seine Spielidee konnten wir Bälle früh gewinnen und Chancen kreieren. In fünf Monaten haben wir uns in der Liga für die Champions League qualifiziert, sie gewonnen und das FA-Cup-Finale erreicht, mit derselben Mannschaft. Das war eine echte Wiederauferstehung.

„John Terry war mein Vorbild, er war das Herz der Mannschaft“

Flashscore: Du hast John Terry erwähnt. Was hast du von ihm gelernt?

Azpilicueta: Sehr viel. Er war ein Vorbild in jeder Hinsicht. 2014/15 spielte er jede Minute der Saison, das hat mich beeindruckt und motiviert. Zwei Jahre später habe ich das selbst geschafft. Er war ein echter Kapitän, jemand, der das Team getragen hat.

Flashscore: Wenn man über Chelsea spricht, fällt auch der Name N’Golo Kanté. Wie war es, mit ihm zu spielen?

Azpilicueta: Er war im Mittelfeld überall. Defensiv wie offensiv. Mit dem Ball hat er die richtigen Entscheidungen getroffen, oft einfache, aber immer effektive. Für uns Verteidiger war es ein Segen, ihn vor uns zu haben. Er war die Absicherung, die jeder Trainer sich wünscht.

„Ich wollte ein Projekt, bei dem ich wichtig sein kann“

Flashscore: Nach zwei Jahren bei Atletico Madrid bist du nun beim FC Sevilla. Warum dieser Schritt?

Azpilicueta: Nach meinem Vertrag bei Atletico habe ich auf das richtige Projekt gewartet. Als ich mit Sevilla gesprochen habe, hatte ich sofort das Gefühl, wichtig sein zu können, auf und neben dem Platz. Ich wollte diese Erfahrung machen und helfen, den Verein wieder dorthin zu bringen, wo er hingehört.

Flashscore: Sevilla ist stark in die Saison gestartet: der beste Beginn seit 2021/22. Ist der Verein wieder auf dem Weg nach oben?

Azpilicueta: Es ist noch zu früh, das zu sagen. Aber wenn wir weiter so arbeiten, uns gegenseitig fordern und jeder seine Rolle annimmt, können wir viel erreichen. Die Saison ist lang, und jeder muss bereit sein, wenn er gebraucht wird. Die Stimmung im Stadion ist fantastisch.

„Trainer Almeida gibt uns eine klare Identität“

Flashscore: Zuletzt habt ihr gegen Barcelona gewonnen. Wie habt ihr das geschafft?

Azpilicueta: Wir wussten, dass sie jederzeit gefährlich sein können. Deshalb wollten wir ihnen wenig Raum und Zeit lassen. Mit dieser Intensität und Konzentration haben wir das Spiel gewonnen. Natürlich war es nur ein Spiel, aber ein wichtiger Schritt für uns.

Flashscore: Welchen Einfluss hat Trainer Mathias Almeida?

Azpilicueta: Er gibt uns eine Identität. Wir trainieren so, wie wir spielen wollen: intensiv, aggressiv, mit viel Druck. Jeder weiß, was seine Aufgabe ist. Wir verändern auch unsere mentale Herangehensweise. Die Ergebnisse kommen nach und nach, und das ist entscheidend.

„Simeone hat die Geschichte von Atletico verändert“

Flashscore: Du hast vorher unter Diego Simeone bei Atletico gespielt. Wie würdest du ihn beschreiben?

Azpilicueta: Seine Leidenschaft für den Klub ist außergewöhnlich. Er hat Atletico verändert: zwei Meisterschaften, zwei Champions-League-Finals, das spricht für sich. So lange bei einem Verein zu bleiben und ihn auf Weltklasseniveau zu halten, ist etwas ganz Besonderes.

Flashscore: Zum Abschluss: das bittere Champions-League-Aus mit Atletico gegen Real Madrid. Wie habt ihr das verarbeitet?

Azpilicueta: Das war wirklich hart. Wir waren nah dran, haben gut gespielt, aber dann kamen die Elfmeter. Wir waren sehr enttäuscht, weil wir das Weiterkommen verdient gehabt hätten. Doch so ist Fußball, man muss weitermachen und in der nächsten Saison wieder angreifen.