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FlashFocus: Neuanfang, Seilschaften und Trainer-Aus - Achterbahnfahrt beim FC Porto

Vítor Bruno wurde nach nur einem halben Jahr als Trainer des FC Porto entlassen.
Vítor Bruno wurde nach nur einem halben Jahr als Trainer des FC Porto entlassen.LUSA
Als André Villas-Boas im Mai 2024 als Präsident zum FC Porto zurückkehrte, versprach er einen Neuanfang mit drastischen und strukturellen Veränderungen im Verein. Es galt, die sage und schreibe 40-jährige Regentschaft seines Vorgängers mit 68 Titeln auch nur ansatzweise gleichwertig zu ersetzen. Als er den ehemaligen Assistenztrainer von Sérgio Conceição zum Trainer beförderte, begann das Grummeln unter den Fans. Genau dieser Vítor Bruno wurde inzwischen bereits wieder entlassen, der Verein dümpelt auf dem dritten Tabellenplatz und hat noch immer keine Garantie für die Qualifikation für die nächste Phase der Europa League.

Die Drachen wussten bereits im April, dass die Saison 2024/25 sehr kompliziert werden würde, als Ex-Präsident und Titelsammler Pinto da Costa von einem ehemaligen Trainer Villas-Boas abgelöst wurde. Von dem Villas Boas, der im Juni 2011 zunächst sagte, die Trainertätigkeit in Porto sei sein "Traumjob", nur um wenige Tage später zum FC Chelsea zu wechseln.

Trotzdem erschien "AVB" als Retter und Gesicht des Wandels nach rund 15 Jahren unruhiger, merkwürdiger Entscheidungen, die den Interessen des Vereins eindeutig abträglich waren. Seine Amtszeit begann mit Versprechungen, die Misswirtschaft zu bereinigen, aber auch mit der Ankündigung unangenehmer Entscheidungen wie Kürzungen bei den Leistungen für die Mitglieder der größten Fangruppe. 

Conceicao-Aus mit Nebengeräuschen

Ex-Erfolgstrainer Sérgio Conceição verbündete sich mit Pinto da Costa und verband seine Zukunft mit dem ehemaligen damaligen Präsidenten, sodass Villas-Boas nach seiner Ankunft einen Nachfolger finden musste. Die Wahl fiel auf Assistenztrainer Vítor Bruno, der einige Monate schon vor dem Absprung stand, aber das Angebot schließlich die Einladung annahm. Zumindest bei seinem ehemaligen Stab um Conceicao, der seinerseits inzwischen die AC Mailand trainiert, kam das nicht gut an.

Der neue Coach begann also nicht sorgenlos, zumal mit Pepe, Francisco Conceicao (genau, der Sohn des Ex-Trainers), Mehdi Taremi und Evanilson einige wichtige Spieler den Verein verlassen hatten.

Trotz der begrenzten finanziellen Möglichkeiten - die neue Verwaltung fand angeblich nur achttausend Euro auf den Konten des Vereins vor - bemühte sich das Management, den Kader mit starken Namen zu ergänzen. SamuFrancisco Moura, Nehuén Pérez, Fábio Vieira und Tiago Djaló kamen mit guten Referenzen, während Deniz Gul noch ein Geheimtipp war.

Doch Vítor Bruno wollte innerhalb und außerhalb der Umkleidekabine ein Zeichen setzen und versuchte, die von Conceição vernachlässigten Akteure einzubinden: Fran Navarro, David Carmo, Toni Martínez, André Franco und Iván Jaime bekamen Einsatzzeiten, doch konnten das Vertrauen nicht zurückzahlen.

Die schlechteste Bilanz seit 16 Jahren... zweimal

Trotz eines guten Starts mit einem spektakulären Super-Cup-Sieg gegen Sporting, bei dem man einen 0:3-Rückstand noch in einen 4:3-Sieg umwandeln konnte, begann der Trainer langsam die Umkleidekabine zu verliere, und die Mannschaft schwächelte in den wichtigsten Spielen. Die Pleiten gegen Bodo/Glimt, Benfica, Lazio, Sporting, Moreirense und die jüngste Niederlagenserie zeigten ein Team, das von Woche zu Woche abbaute.

Der Trainer, der auf dem Platz keine Argumente sammeln konnte, verrannte sich auch in der Außendarstellung. Bei seiner Präsentation gab er auf die Frage nach der Trennung von Sérgio Conceição an, er schlafe "jeden Tag unter dem Applaus meines Gewissens ein". Im Oktober konterte er Kritik an der mangelnden Weiterentwicklung seiner Mannschaft mit den Worten, er kenne "nur eine Person, die im Leben Rückschritte gemacht hat, und das ist Michael Jackson".

Das mutigen Aussagen in der Öffentlichkeit standen im krassen Gegensatz zu dem, was man auf dem Platz sah, vor allem in den erwähnten wichtigen Spielen. Selbst Siege trugen nicht dazu bei, eine gemeinsame Basis zu finden, denn die Mannschaft überzeugte selten, war nicht konsequent und machte immer wieder Fehler. Im November musste der Verein zum ersten Mal seit 16 Jahren drei Niederlagen in Folge hinnehmen. 

Trotzdem ging der FC Porto mit der Chance auf den Gewinn des Ligapokals und einer ordentlichen Ausgangsposition in der Liga ins Jahr 2025. Die Niederlage im Pokal-Halbfinale gegen Sporting (0:1) wurde durch die Tatsache gemildert, dass der Klub zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren wieder an die Tabellenspitze zurückkehren konnte, wenn er das abstiegsbedrohte CD Nacional in einem wegen Nebels unterbrochenen und verschobenen Spiel schlagen würde.

Anfängerfehler von Trainer Bruno

Am 12. Januar wurde das Spiel dann fortgesetzt, doch zwei Minuten nach Wiederanpfiff lagen die Drachen bereits zurück. Trainer Vítor Bruno leistete sich einen Anfängerfehler, als er bei einem defensiven Eckstoß auswechselte - direkt im Anschluss fiel das 0:2. Obwohl das Spiel tabellarisch eine große Bedeutung hatte, fand der Top-Klub keinen Zugang in die Partie und verlor am Ende deutlich.

Am darauffolgenden Spieltag, als man bei Gil Vicente zu Gast war, gingen die Hafenstädter mit einem Rückstand in die Partie und erzielten kurz nach der Pause durch Neuzugang Gonçalo Borges den Ausgleich. Gerade als man auf ein Comeback zuzusteuern schien, machte man einen weiteren Abwehrfehler und kassierte das 1:2. Kurz vor Ende des Spiels wurde Nico des Feldes verwiesen. Borges glaubte, den Ausgleich erzielt zu haben, doch der Treffer wurde zurückgenommen und es gab einen Strafstoß auf der anderen Seite, der zum 1:3-Endstand führte. Wieder drei Niederlagen in Folge, die zweite Serie in einer Saison, so etwas hatte es seit 52 Jahren nicht mehr gegeben.

Die letzten 15 Spiele von Vitor Bruno beim FC Porto.
Die letzten 15 Spiele von Vitor Bruno beim FC Porto.Flashscore

Zu viele Negativerlebnisse

Wie schon zuvor mit Otávio, Alan Varela, Iván Jaime und Fábio Vieira wollte der Trainer der Mannschaft zeigen, dass niemand unersetzlich ist, und verbannte Pepê nach schlechten Leistungen aus dem Kader. Nach dem Spiel sagte Vítor Bruno, dass sich Pepê aufgrund seines mangelnden Engagements "selbst ausgeschlossen" habe, woraufhin der brasilianische Stürmer in den sozialen Medien antwortete, dass er die ganze Woche individuell trainieren musste, weil er zu hart auf ein Mini-Tor geschossen habe.

Es gab auch andere bemerkenswerte Zitate, wie z. B. die Rechtfertigung der Niederlage mit einem einfachen "wir hätten einfach mehr Tore schießen müssen" und dass die Mannschaft "zu sehr für Fehler bestraft wird". Da war es dann schon keine Überraschung mehr, dass auch der Vorstand keine Möglichkeit mehr sah und die Reißleine zog.

Murphys Gesetz

José Ferreirinha Tavares wurde zum Interimscoach ernannt, um die Mannschaft auf das Spiel gegen Olympiacos am Donnerstag vorzubereiten. Trotz eines guten Starts erlitten die Dragons nach 15 Minuten einen Blackout und verloren am Ende mit 0:1. Es war das Ergebnis eines weiteren Abwehrfehlers, in einem Spiel, in dem sie nur zwei gute Torchancen hatten, eine kurz vor der Halbzeit und die andere am Ende des Spiels.

Die vierte Niederlage in Folge gefährdet nicht nur die Zukunft im Wettbewerb, sondern stellt auch den schlechtesten Vereinsrekord aller Zeiten dar und führte dazu, dass der Präsident nach dem Spiel zur Pressekonferenz erschien. AVB übernahm nicht nur die Verantwortung für die schlechte Situation und bestätigte den Namen des nächsten Trainers, sondern gab auch bekannt, dass Pepê, obwohl er in der Startelf steht, wegen seines Posts in den sozialen Medien ein Disziplinarverfahren erhalten wird.

Der Versuch, die Wogen zu glätten und die Schuld auf sich zu nehmen, trug wenig dazu bei, die Gemüter zu beruhigen, und die Entscheidung über den brasilianischen Stürmer bestätigte nur eines: Wenn es Rauch gibt und es nach Rauch riecht, dann brennt das Haus.

Die Vorsaison und die Planungen im Schnelldurchlauf, die späte Ankunft wichtiger Verstärkungen und ein Spielstil, der noch auf der Suche nach seiner wahren Identität war, trugen nicht zu einem reibungslosen Übergang bei. Der Mangel an Optionen auf dem Markt für einen klaren Kandidaten ließ AVB und Sportdirektor Andoni Zubizarreta in einer schlechteren Position als zu Beginn der Saison zurück.

Die Blau-Weißen brauchen einen Trainer, der die Umkleidekabine vereinen kann, das maximale Potenzial aus den jungen Spielern herausholt, der mit einem begrenzten Budget arbeiten kann und der vor allem wieder eine defensive Festung schaffen kann. Sarri, Xavi, Abel Ferreira, Luís Castro und Paulo Fonseca wurden in der portugiesischen Presse als mögliche Nachfolger gehandelt. Die Wahl ist jedoch ein weiteres Kaninchen aus dem Hut, das von allen Seiten umstritten ist.

Kopf, Herz und Eier

Quién llenará de primaveras este enero? ( "Wer wird diesen Januar mit Federn füllen?") fragte Alejandro Sainz in einem Lied, das die Millenials und die Generation Z am Ende des letzten Jahrhunderts begeisterte. Um die gebrochenen Herzen der Portistas nach dem schlimmsten Januar ihrer Geschichte zu heilen, kommt der Balsam aus Argentinien, mit eisernem Mut und einer Intelligenz, von der sie sagen, dass sie El Loco ebenbürtig ist.

Der Argentinier Martín Anselmi wurde nie Profifußballer. Er war Journalist, bis er von diesem Beruf die Nase voll hatte und beschloss, Trainer zu werden. Er verkaufte sein Motorrad, um nach Europa zu reisen und dort sein Idol und seinen Mentor Marcelo Bielsa zu treffen. Er kehrte nach Argentinien zurück und begann seine Karriere ganz unten, arbeitete mit Kindern, ohne Bezahlung und mit der Hilfe seiner Frau.

Einige Jahre und Erfahrungen später gewann er mit Independiente del Valle die ecuadorianische Meisterschaft und den Copa Sudamericana. Seine letzten beiden Spielzeiten bei Cruz Azul machten ihn zu einem Idol, das nun vom mexikanischen Klub fallen gelassen wird, der ihm Verrat vorwirft und ihm den Weggang erschwert hat. Die Wahrheit ist, dass der Trainer schon früh seine Absicht kundgetan hat, zu Porto zu wechseln, wo er seine 3-4-3-Formation einführen will.

Im Alter von 39 Jahren macht der Argentinier nun seine erste Erfahrung in Europa und versucht, einen gefallenen Riesen wieder aufzubauen. Nach dem Motto des spanischen Tennisspielers Carlos Alcaraz (cabeza, corazón y cojones - Kopf, Herz und Eier) werden die beiden letzteren kein Problem sein, wie seine Bilanz und das unten stehende Video zeigen. Es ist zu hoffen, dass Anselmi den Kopf hat, nicht nur für den europäischen Fußball, sondern vor allem für den Umgang mit dem Melodrama und den Hinterzimmergeschäften im portugiesischen Fußball.

Es ist unwahrscheinlich, dass der Trainer rechtzeitig eintrifft, um am Sonntag (18.00 Uhr) im Spiel gegen das Überraschungsteam der portugiesischen Liga, den Tabellenfünften Santa Clara, sein Debüt auf der Trainerbank zu geben. Schlimmer noch: Statt vor den eigenen Fans zu spielen, wird er am kommenden Donnerstag auf der Reise zu Maccabi Tel Aviv seine Feuertaufe bestehen müssen - in einem Alles-oder-Nichts-Spiel für die Drachen in der Europa League.