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Zwischen Schock und Trotz: DFB-Frauen wollen "für Giuli spielen"

Giulia Gwinn ist nach der Verletzung sehr "niedergeschlagen".
Giulia Gwinn ist nach der Verletzung sehr "niedergeschlagen".Foto von SEBASTIEN BOZON / AFP
Das EM-Aus von Giulia Gwinn trifft das DFB-Team hart, ohne die Anführerin wird die Titeljagd noch schwieriger.

Mit Sonnenbrille und Schiene am Bein stand Giulia Gwinn am Rande des Trainingsplatzes im Sportzentrum Buchlern. Die tapfer lächelnde Anführerin schaute noch einmal bei ihren Teamkolleginnen vorbei, ehe sie am Sonntag schweren Herzens das EM-Quartier in Zürich verließ, um sich in München um ihr wieder einmal lädiertes linkes Knie zu kümmern. Mit der Diagnose Innenbandverletzung stand die bittere Gewissheit fest: Die deutschen Fußballerinnen müssen die Titeljagd ohne ihre Kapitänin fortsetzen - nach dem Schock braucht die schwer mitgenommene DFB-Auswahl eine "Jetzt erst recht"-Mentalität.

"Ich bin überzeugt von diesem Team und diesem Teamspirit. Und natürlich wollen alle jetzt auch noch mal mehr für Giuli spielen", sagte Nia Künzer, auch die DFB-Sportdirektorin wirkte nach dem tränenreichen und teuer erkauften EM-Auftaktsieg reichlich angefasst. Gwinn sei "niedergeschlagen", berichtete die Weltmeisterin von 2003 von der Stimmung im Basislager: "Sie hat sich sehr auf das Turnier gefreut, dementsprechend ist sie jetzt enttäuscht."

Worst Case nicht eingetreten

In bangen Stunden blieb Giulia Gwinn bei der Untersuchung am Samstag immerhin der Worst Case nach bereits zwei Kreuzbandrissen (2020 und 2022) erspart. Die Ausfallzeit, so hieß es in der knappen DFB-Mitteilung am Samstag, soll "mehrere Wochen" betragen. In Absprache mit ihrem Verein FC Bayern ist geplant, dass die 26-Jährige zum dritten Gruppenspiel am Samstag (21.00 Uhr/ZDF und DAZN) gegen Schweden nach Zürich zurückkehrt, um ihr Team vor Ort zumindest von außen weiter nach Kräften zu unterstützen.

Gwinns Ausfall nach nicht einmal 40 gespielten EM-Minuten infolge einer wichtigen Rettungsaktion gegen Ewa Pajor beim 2:0 gegen Polen wiegt schwer. Zumal die verjüngte deutsche Auswahl von Bundestrainer Christian Wück ohnehin schon auf Antreiberin Lena Oberdorf verzichten muss.

Zum Match-Center: Deutschland vs. Polen

Vor allem menschlich wird die selbstbewusste neue Frontfrau fehlen, die zum Gesicht der neuen Generation nach der Ära Alexandra Popp geworden ist. Als empathische Leaderin, die auf dem Platz mitreißt und sich hinter den Kulissen kümmert, immer die Teamchemie im Blick hat, wenn nötig aber auch Klartext spricht.

"Müssen jetzt als Mannschaft zusammenstehen"

Die Regenbogenbinde als Spielführerin wird nun Vize-Kapitänin Janina Minge vom VfL Wolfsburg übernehmen. Die Innenverteidigerin schwor die Vize-Europameisterinnen nach dem "brutalen Schock" gleich in St. Gallen noch mit eindringlichen Worten auf die nächsten Aufgaben ein: "Wir müssen jetzt als Mannschaft zusammenstehen und Giuli beistehen."

Sportlich wird auch gegen die Däninnen um Bayern-Star Pernille Harder am Dienstag (18.00 Uhr/ARD und DAZN) in Basel eine Newcomerin in die Bresche springen. Die erst 21 Jahre alte Vertreterin Carlotta Wamser überzeugte beim Sprung ins eiskalte EM-Wasser mit ihrem "faszinierenden" Auftritt, wie Nationaltorhüterin Ann-Katrin Berger schwärmte.

"Zurecht bei uns"

"Wir sind sehr begeistert, welche Entwicklung Carlotta in den letzten Monaten gemacht hat", lobte auch Künzer: "Wir sind komplett überzeugt von ihr." Wamser, die diesen Sommer von Eintracht Frankfurt zu Bayer Leverkusen wechselt, erhielt daher auch ein Sonderlob vom Bundestrainer.

"Jetzt hat auch der Letzte gesehen, dass sie zurecht bei uns ist", sagte Wück. Die gebürtige Herforderin habe "Fähigkeiten als Außenverteidigerin und auch als rechte offensive Spielerin, die unheimlich wertvoll für uns sind", erklärte der 52-Jährige weiter. "Sie ist eine unheimlich körperliche Spielerin, sie bringt Dynamik rein, sie hat einen guten Zweikampf."

Im Team wird auch Wamsers Persönlichkeit abseits des Platzes geschätzt. "Sie bringt nochmal eine andere Art mit rein, sie ist ein Typ, den wir gerne im Team haben", betonte Künzer. Wamser sei "unglaublich natürlich, spontan und witzig. Sie macht sich nicht viele Gedanken." Die Hochgelobte selbst blieb ganz cool: "Man kommt nicht gerne rein, wenn sich eine Mitspielerin verletzt. Ich habe versucht, das Beste daraus zu machen."

Zum Match-Center: Deutschland vs. Dänemark