Kumpelfußball und ein Treueschwur: Nagelsmanns EM-Gemeinschaft steht

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Kumpelfußball und ein Treueschwur: Nagelsmanns EM-Gemeinschaft steht
Julian Nagelsmann (r.) und sein Co-Trainer Benjamin Glück (l.) nach dem 2:1-Sieg gegen die Niederlande.
Julian Nagelsmann (r.) und sein Co-Trainer Benjamin Glück (l.) nach dem 2:1-Sieg gegen die Niederlande.AFP
Der neue EM-Geist von Frankreich und Frankfurt soll zum Titel-Spirit reifen. Wer jetzt nicht beim Zusammenwachsen der Nationalmannschaft dabei war, wird es enorm schwer haben.

Julian Nagelsmanns verschworene EM-Gemeinschaft wollte ihren magischen Bund gar nicht mehr auflösen. Bis tief in die Nacht saßen die Spieler mit ihren Familien im VIP-Bereich zusammen, eine frische EURO-Euphorie trieb endgültig die bösen Geister der Vorjahre aus - und alle waren sich einig: Wenn es in Weimar in 60 Tagen wieder losgeht, soll der neue deutsche Kumpelfußball die Nationalmannschaft zum Titel tragen.

Eine überdeutliche Ansage des Bundestrainers schweißte die 23 Gefährten von Frankreich und Frankfurt noch fester zusammen. "Wer jetzt nicht dabei war, muss Vollgas geben - und besser sein als diejenigen, die dabei sind", sagte Nagelsmann in aller Härte. "Wir werden nicht zehn oder fünf Spieler tauschen. Vielleicht einen oder zwei, wenn sich niemand verletzt."

Abzüglich Manuel Neuer stand beim Stimmungsbooster im Klassiker gegen die Niederlande (2:1) wie schon in Lyon die EM-Startelf auf dem Platz - vom überglücklichen Torschützen Maximilian Mittelstädt bis Florian Wirtz, von Jonathan Tah bis Kai Havertz ist an den Stammplätzen und selbst an den hinteren Rängen nur mit absoluter Spitzenleistung zu rütteln. Leroy Sané rückt noch in den Kader, das wird ihm Nagelsmann demnächst beim Abendessen zusichern, aber nicht in die erste Elf.

Mittelstädt (r.) war der große Gewinner des Länderspiel-Doppels.
Mittelstädt (r.) war der große Gewinner des Länderspiel-Doppels.AFP

"Diese Gruppe hat das echt sehr, sehr gut gemacht", betonte der Bundestrainer, "sie haben ein sehr gutes Verhältnis, aber auch einen brutalen Ehrgeiz. Der Spirit hat sich ganz anders angefühlt als im November." Das donnernde Abklatschen miteinander, dutzendweise, hallte noch lange in den Stadiongängen nach. "Don't stop me now" - der Queen-Song zum Abschied hätte nicht passender sein können.

Nagelsmann schwebte in mehrfacher Hinsicht in die Nacht. Einerseits war der 36-Jährige mit der Leistung und Atmosphäre hochzufrieden. Das Feuer griff endlich vom Feld auf die Ränge über, dazu trugen die pink-lila Trikots und der Hype um die erstmals abgespielte Torhymne "Major Tom" bei: "Wir haben das Stadion am Ende richtig heiß gemacht."

Zum Match-Center: Deutschland vs. Niederlande

Nagelsmanns Perfektionismus 

Andererseits war noch nicht alles perfekt, was Tüftler Nagelsmann äußerst gelegen kommt. "Es war ein herausragend geiles Spiel zum Analysieren", schwärmte er, Zuhörer konnten sich bildlich vorstellen, wie er sich in Statistiken und Videos vergraben wird.

Und: Seine Position in den alsbald anstehenden Vertragsverhandlungen mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) ist eine fantastische. Präsident Bernd Neuendorf wird nicht nur an seine Türe klopfen, er wird sie eintreten und alles dafür tun, dass sein Bundestrainer bis zur WM 2026 weitermacht. Wer sah, wie "Herbergsvater" Rudi Völler an der Kabine jeden fest in den Arm nahm, bekam das Gefühl, dass auch er einen neuen Vertrag unterschreiben wird.

Zunächst aber trennten sich in der Frühlingsnacht die Wege. "Leider habe ich jetzt erst mal keinen Zugriff", sagte Nagelsmann über seine Spieler, die um Meistertitel und Champions-League-Krone kämpfen werden. "Da sind wir die zweite Geige", stellte der Bundestrainer fest, "im Sommer aber die erste. Ich freue mich auf Weimar." Das Trainingslager in der Goethestadt (26. bis 31. Mai) soll die Startrampe zum EM-Höhenflug werden, Mitte Mai steht die Kader-Nominierung an.

Vergangenen Tage haben "sehr viel Spaß gemacht"

"In allererster Linie" blieb für Nagelsmann, "dass die zehn Tage von A bis Z sehr viel Spaß gemacht haben." Kein Wunder, hatte es zwei Siege gegen Topteams nacheinander doch zuletzt bei der WM 2014 gegeben, damals gegen Frankreich, Brasilien - und Argentinien im Finale. "Schreibt's uns schön in den Himmel!", rief Thomas Müller den Journalisten zu.

Das Wort des Tages aber war eindeutig Gruppe, Gruppe, Gruppe. "Natürlich ist es eine ganz andere Gruppe, die du beisammen hast", betonte Siegtorschütze Niclas Füllkrug. "Es ist eine sehr homogene Gruppe, die funktioniert." Etwas jugendlicher ausgedrückt, von Jamal Musiala: "Die Vibes sind echt gut."

Jamal Musiala fühlt sich neuerdings auch im DFB-Trikot pudelwohl.
Jamal Musiala fühlt sich neuerdings auch im DFB-Trikot pudelwohl.AFP

Gewinner sind die Stammspieler - und jene, die später den deutschen Ballzirkus belebten, Verlierer all die Daheimgebliebenen. Die ganzen Dortmunder, seien es Brandt, Hummels, Süle, bei den Bayern Goretzka und Gnabry. Sie waren nicht dabei, als sich Magie entfaltete, aber bei den Blamagen gegen die Türkei und in Österreich.

Seitdem hat sich vieles verändert. "Vor ein paar Monaten", sagte der Boss Toni Kroos, "wären wir nach dem 0:1 wahrscheinlich halb zusammengebrochen."