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Heuchlerische Kritik an der Klub-WM: Europas Fußball fürchtet den Machtverlust

Die Gruppenphase der Klub-WM wird am 5. Dezember um 19 Uhr (MESZ) in Miami ausgelost.
Die Gruppenphase der Klub-WM wird am 5. Dezember um 19 Uhr (MESZ) in Miami ausgelost.FIFA
Mit lauten Nebengeräuschen verkündete die FIFA auf ihrem Kongress in Miami im Jahr 2019 die Neuausrichtung der Klub-Weltmeisterschaft. Fast sechs Jahre später findet am kommenden Donnerstag (5. Dezember) an gleicher Stelle nun die Auslosung für die erste Ausspielung des 32er-Turniers im Jahr 2025 statt. Leiser ist die Kritik zwar nicht geworden, doch sie ist heuchlerisch: Sie zeichnet das Bild eines europäischen Fußballs, der nichts mehr fürchtet als den Machtverlust.

31 der 32 Teilnehmer standen rund ein halbes Jahr vor dem ersten Anstoß bereits fest, der letzte Klub hat sich am Wochenende im argentinischen Buenos Aires qualifiziert. Dort stand das Finale der Copa Libertadores an, dem südamerikanischen Pendant zur europäischen Champions League. Doch mal ehrlich, wer von euch hatte dieses Spiel wirklich auf dem Schirm?

Immerhin ist es das größte Spiel des möglicherweise fußballverrücktesten Kontinents. Mit Atletico Mineiro und dem späteren Sieger Botafogo trafen zwei Rivalen aus Brasilien aufeinander, dazu vor der beeindruckenden Kulisse des El Monumental, in dem normalerweise das traditionsreiche River Plate seine Heimspiele austrägt. Viel mehr Fußball-Pathos geht nicht, doch selten schafft es die Begeisterung für die Copa Libertadores über die Grenzen Südamerikas hinaus.

Zugegeben: Auch aufgrund der für den deutschen Markt ungünstigen Anstoßzeiten mitten in der Nacht versendet sich der Wettbewerb nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit beim bald eingestellten Spartensender Sport1+. Doch die Copa steht sinnbildlich für die Geringschätzung des Fußballs außerhalb des europäischen Kontinents.

Doch ob es uns gefällt oder nicht, der Sport wird globaler. Formel 1 in Katar, Tennis in Saudi-Arabien, und auch die europäischen Top-Fußballvereine reisen zu Werbe-  und Vorbereitungszwecken nur allzu gerne nach Asien oder Nordamerika. Die Stimmen, die die Chancen eines weltumspannenden Vereinsturniers betonen, sind hierzulande momentan noch in der Unterzahl.

Dabei dürften Fußballfans voller Vorfreude sein, was den Sommer angeht: Die deutschen Klubs FC Bayern und Borussia Dortmund könnten zu echten Botschaftern des Landes werden, wenn sie auf Gegner aus der ganzen Welt treffen. Die besten Spieler aus allen Teilen der Erde können sich in einem Turnier messen, wie es nicht einmal die Weltmeisterschaft der Nationalmannschaften ermöglicht. 

Die Zuschauer, die in den im Schnitt fast 60.000 Zuschauer fassenden Arenen der USA bestens umsorgt sein dürften, können Paarungen entgegensehen, die eben nicht die fünfte Auflage der „Revanche“ zwischen Bayern und Paris, Real Madrid oder Salzburg sind, sondern echte Neuheiten. Die Münchner gegen Lionel Messi und Inter Miami, der BVB gegen Neymar und Al-Hilal, das hätte doch etwas. Und ganz nebenbei: Auch für die Vereine gibt es zwischen 50 und 100 Millionen Euro Preisgeld zu verdienen.

Gespaltene Reaktionen unter den Aktiven

Tja, das liebe Geld. Nun wollen wir nicht so tun, als würde das bei den Plänen des Weltverbands FIFA so gar keine Rolle spielen. Natürlich erhoffen sich Gianni Infantino und Co. weitere Einnahmen durch das Mega-Event in den USA, natürlich werden die Tickets nicht kostenlos vergeben und natürlich wird auch DAZN als Käufer der Übertragungsrechte direkt oder indirekt den einen oder anderen Euro an den Nutzer weitergeben. Die Zeiten, in denen hochklassiger Sport großflächig kostenlos zu sehen war, sind nicht erst seit dem Gebaren der FIFA vorbei. 

Bei den Kickern selbst sind die Reaktionen auf das neue Turnier unterdessen gespalten: Während Ex-Profi Toni Kroos bereits ankündigte, sich die Spiele nicht angucken zu wollen, bezeichnete der verletzungsgeplagte Neymar die Teilnahme in den USA kürzlich als „eine Ehre“. Auch Martin Demichelis, Ex-Bayern-Profi und bis zum Sommer Trainer von River Plate, blickt mit Vorfreude für sein Team auf den Sommer: „Ganz River sollte das feiern und sich darüber freuen.

Die Meinungen des Brasilianers und des Argentiniers stehen stellvertretend für eine grundsätzlich positive Sichtweise der neuen Klub-WM im außereuropäischen Ausland. Man betrachtet das Turnier als große Chance, sich mit den besten Gegnern der Welt zu messen und das eigene Land zu repräsentieren. Aus UEFA-Sicht berechtigte Bedenken wie körperliche Überbelastung spielen da nur am Rande eine Rolle.

Nur zwölf der 32 teilnehmenden Vereine kommen aus Europa, dementsprechend ist auch die europäische Perspektive für die FIFA nicht die maßgebende. Die Relevanz des immer noch fußballerisch attraktivsten Kontinents wird in der Welt immer mehr hinterfragt und es gilt, die eigene Wichtigkeit immer wieder aufs Neue zu untermauern. Und zwar nicht durch Worte, sondern durch sportliche Erfolge.

Mit dem Blick zurück auf die Weltmeisterschaft in Katar und die kürzlichen Aussagen von DFB-Kapitän Joshua Kimmich bleibt die Hoffnung, dass nicht das nächste sportliche Großereignis bereits im Vorfeld niedergeredet wird. Denn was für tolle fußballerische Leistungen und grandiose Atmosphären uns erwarten, darauf haben wir am Samstagabend beim emotionalen Sieg von Botafogo über Atletico Mineiro bereits einen Vorgeschmack bekommen. 

Anton Latuska
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