Der Druck der Geschichte und die aktuelle Realität
Boavista ist im Jahr 2025 sowohl finanziell als auch sportlich-institutionell angeschlagen. Anders als im Jahr 2000, als der Verein unter Jaime Pacheco über eine geschlossene, gut organisierte Mannschaft mit einer starken Identität verfügte, ging es in die Saison 2024/2025 ohne eine solide Basis und mit einer geschwächten sportlichen Struktur.
Eben jene Schwächen in der Vereinsführung und die Rolle des Investors Gerard Lopez sind von grundlegender Bedeutung für das Verständnis der aktuellen Situation. Der Verein ist mit 16 laufenden FIFA-Verfahren konfrontiert, die unter anderem zu einem Verbot der Registrierung von Spielern geführt haben.
Verschärft wurde diese Situation durch die gleichzeitigen Verletzungen der beiden Haupttorhüter, die den Verein zu personellen Notlösungen zwangen. Auch gab es Berichte über die Nichtzahlung von Gehältern an Spieler und Personal, was zu Protesten und interner Instabilität führte, die bereits den Beginn der laufenden Saison unmittelbar gefährdet hatten.
Mitglieder äußerten sich besorgt über die mangelnde Klarheit der Vorstandsentscheidungen, insbesondere in Bezug auf die Finanzverwaltung und den Einfluss des Hauptinvestors. So kam es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Vorstand des Vereins und der Sociedade Anónima Desportiva (SAD), die Gesellschaft, die den Profifußball im Verein verwaltet. Diese spitzte sich in der Woche vor dem Ligaspiel gegen Sporting im April zu, als das Bessa-Stadion ohne Strom und Licht blieb, da man die Schulden beim Lieferanten auf Seiten des Vereins nicht zahlte. Die Spieler waren somit gezwungen, außerhalb der Stadt zu trainieren.
Die Rolle von Gerard Lopez
Gerard Lopez, ein luxemburgischer Geschäftsmann, wurde Mehrheitsaktionär der SAD von Boavista und versprach mit einer Kapitalspritze von drei Millionen Euro Investitionen und Stabilität. Sein Engagement war jedoch umstritten.
Lopez war bereits zuvor an Sportprojekten beteiligt gewesen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, wie z. B. Lille, Mouscron oder Bordeaux, ehemaliger französischer Meister, der in die vierte Liga abgestürzt ist und dem nun der Bankrott droht. Dies hat natürlich Fragen zu seinem Management von Boavista aufgeworfen.
Der Investor wurde mit wichtigen strategischen Entscheidungen vertraut, wie beispielsweise mit Veränderungen an der Spitze der SAD und finanziellen Umstrukturierungsplänen. Einige Mitglieder zweifeln an der Wirksamkeit seiner Investitionen und verweisen auf die anhaltenden finanziellen und operativen Probleme des Vereins.
Vier Trainer, ein Ziel
Die Unruhen im Management hatten unmittelbare Auswirkungen auf die sportliche Performance. Cristiano Bacci begann die Saison als erster Trainer, doch unbefriedigende Ergebnisse führten zu seinem Rücktritt. Jorge Couto übernahm das Amt übergangsweise, bevor im Februar 2025 Lito Vidigal zum Übungsleiter ernannt wurde, der den Abstieg mit Erfahrung und einem pragmatischen Ansatz vermeiden wollte.
Nach dem Anhalten der sportlichen Misere folgte Stuart Baxter, der mit zwei Siegen gegen die Aufstiegskonkurrenten Farense (0:1) und AFS (1:2) aus drei Spielen vielversprechend startete. Der schottische Trainer hat der Mannschaft eine neue taktische Ausrichtung und Disziplin verpasst, die Defensivarbeit verbessert und den Fans somit zumindest die Hoffnung auf das Wunder vom Nichtabstieg gebracht.
Ungewöhnliche Maßnahme auf dem Transfermarkt
Der vielleicht ungewöhnlichste Moment der Saison war die Verpflichtung mehrerer vertragsloser Spieler im Februar. Einige dieser Spieler hatten seit Monaten nicht mehr in einem offiziellen Wettbewerb gespielt. Dieser in Portugal in dieser Größenordnung einmalige Schritt wurde von vielen Fans und Experten kritisiert - und als verzweifelter Versuch gesehen, den durch Verletzungen und fehlende Qualität geplagten Kader wieder zu beleben.
Immerhin: Einige der Spieler zeigten trotz ihrer mangelnden Fitness das Engagement und die Bereitschaft, die es im Abstiegskampf benötigt. Da wären zum Beispiel Tomas Vaclik (35), tschechischer Nationaltorhüter (früher Sevilla und Olympiacos), Layvin Kurzawa (32), französischer Linksverteidiger (früher PSG), Osman Kakay (27), Rechtsverteidiger aus Sierra Leone (früher QPR), Sidoine Fogning (23), kamerunischer Innenverteidiger (früher Coimbrões), Vitalii Lystsov (29), russischer Innenverteidiger (União de Leiria), Steven Vitória (38), kanadischer Innenverteidiger (früher Chaves) Marco van Ginkel (32), niederländischer Mittelfeldspieler (früher Vitesse), Moussa Kone (28), senegalesischer Flügelstürmer (früher LASK Linz), und Gboly Ariyibi (30), amerikanischer Flügelstürmer, früher (Keciorengücü), die dem Team seit ihrer Ankunft frischen Wind eingehaucht haben.
Abstiegskampf bis zur letzten Sekunde
Nach 32 Spieltagen ist für Boavista der Klassenerhalt nach wie vor akut in Gefahr, aber theoretisch noch möglich. Viele sehen bereits Parallelen zum Last-Minute-Wunder der Saison 2023/24, als man sich mit vier Punkten aus den beiden abschließenden Spielen gerade noch auf den 15. Platz rettete, der zum Verbleib in der Liga ausreichte. Das würde in diesem Jahr nicht reichen, denn der aktuelle Rückstand auf das rettende Ufer beträgt bei zwei verbliebenen Spielen fünf Punkte. Zwei Siege gegen den FC Porto im Estadio do Dragao und bei Arouca sind also Pflicht, während man gleichzeitig auf Schützenhilfe angewiesen ist.
Hoffnung gibt der 2:1-Auswärtssieg über AFS am vorherigen Spieltag. Doch unabhängg vom Ausgang des Saisonfinals steht der Verein, der sich vor 25 Jahren als Meister feiern lassen durfte, vor dem Abgrund. Gelingt der Klassenerhalt, wäre das ein momentärer Sieg des Charakters und des Durchhaltevermögens. Die Zukunft des Klubs muss aber grundlegend überdacht werden, um die Hoffnung aufrechtzuerhalten, dass der Geist des Jahres 2000 eines Tages zu einem solideren und ehrgeizigeren Wiederaufbau inspirieren kann.
Zum Match-Center: Boavista vs. Porto