Unter Ruben Amorim hast du nicht viele Minuten bekommen. Aber unter dem neuen Trainer Rui Borges hat sich das geändert. Was ist unter Amorim nicht gut gelaufen? War es die Anpassung an den portugiesischen Fußball? Oder die Ideen des Trainers?
Ich denke, es war damals eine Kombination aus verschiedenen Faktoren. Als ich bei Sporting Lissabon angekommen bin, war ich voller Vorfreude und sehr glücklich, bei so einem großen Verein zu unterschreiben. Viele Spieler, die hierherkommen, wissen gar nicht, was das für ein großer Verein in Portugal ist.
Als ich hierherkam, wusste ich nicht, wie groß der Druck bei Sporting sein würde. Ich trainierte gut, bekam ein paar Einsatzminuten. Dann bremste mich eine Schulterverletzung. Wegen der Schmerzen konnte ich manche Dinge nicht richtig tun. Manchmal beendete ich die Trainingseinheiten mit großem Frust.
Eines führte zum anderen: In der Europa League gegen Atalanta Bergamo erlebte ich einen Wendepunkt. Ich hatte große Schmerzen in der Schulter. Ich spürte, dass ich nicht in den Zweikampf mit dem gegnerischen Verteidigen gehen konnte. Danach habe ich das Gespräch mit dem Mannschaftsarzt gesucht und mich auch mit Ruben Amorim unterhalten.

Man hat mir geholfen und versucht, mir die Angst vor einer erneuten Verletzung zu nehmen. Aber das waren nicht nur Schmerzen, nicht nur Angst – das war ein ernsthaftes Problem. Schließlich hat auch der Arzt eingesehen, dass eine Operation am besten wäre. Nach der OP dauerte es drei Monate, in denen ich hart gearbeitet habe, wieder ins Training einzusteigen.
Die Mannschaft hat sich auf einem sehr hohen Niveau befunden. Es war schwierig für mich, einen Weg in die Startelf zu finden. Ich hatte immer zu allen ein gutes Verhältnis. Aber das Niveau des gesamten Teams war höher als vor meiner Verletzung.
"Die Öffentlichkeit blickt nur auf das Endergebnis"
Du warst auf der rechten Defensivseite als Nachfolger von Pedro Porro eingeplant, der 2022 nach Tottenham gewechselt ist. Unter Amorim war er immer gesetzt. Spürtest du da einen großen Leistungsdruck?
Pedro Porro ist ein fantastischer Spieler, der mittlerweile in der spanischen Nationalmannschaft ein unglaublich hohes Niveau erreicht hat. Ich versuche, mich nicht mit ihm zu vergleichen.
Als ich als Innenverteidiger in einer Dreierkette spielen musste, habe ich mich nie wirklich wohlgefühlt. Der Trainer hat das bemerkt und mich gegen Ende seiner Amtszeit öfter auf dem Flügel eingesetzt. Vielleicht erkannte der Coach auch, dass es zum damaligen Zeitpunkt bessere Spieler als mich gegeben hat.

Aus dieser komplizierten Zeit habe ich viel gelernt. Es sind die schwierigen Momente, die einen stärker machen. In denen man lernt, an sich selbst zu arbeiten. Das habe ich immer getan. Die ersten eineinhalb Jahre in Lissabon waren nicht leicht für mich. Allerdings habe ich mich als Spieler verbessert und gelernt, anders zu arbeiten.
Wenn du nicht spielst, sieht das niemand, klar. Nach Verletzungen muss man viel Schattenarbeit betreiben. Die Öffentlichkeit blickt nur auf das Endergebnis: Einsatzzeit, Tore, Assists. Ich bin sehr glücklich, der Mannschaft jetzt besser helfen zu können.
Wirst du für fünf Minuten eingewechselt, wird man sehr nervös – man möchte sich zeigen, oft an den Ball kommen. Und meistens kommt man kaum an den Ball. Aber auch das war eine tolle Lernerfahrung. Ich versuche immer, das Positive mitzunehmen.
"Ich habe stets versucht, entspannt zu bleiben"
Im Januar gab es Gerüchte, dass du nach Italien wechseln würdest. Como war interessiert. Aber du bist geblieben und mittlerweile Stammspieler. Sind die schlechten Zeiten jetzt endgültig vorbei?
Das war natürlich keine einfache Situation. Man weiß nicht, was der morgige Tag bringt. Aber das ist ja auch das Schöne am Fußball, alles kann sich schlagartig ändern. Ich habe stets versucht, entspannt zu bleiben. Zeit mit meinen Teamkollegen zu verbringen und Spaß zu haben. Wären es meine letzten Tage in Portugal gewesen, hätte ich nichts versäumt. Ich habe einfach ganz normal weitergemacht.
Im Fußball, im Sport – aber auch im Leben allgemein – sind mentale Aspekte unfassbar wichtig. Man muss herausfinden, wie man mit solchen Abschiedsgedanken umgeht und sich positive Aspekte in Erinnerung rufen. Wenn dann noch einmal eine schwierige Zeit kommt, weiß man, wie man sie bewältigen kann.
In diesem Kalenderjahr hast du drei Tore für Sporting erzielt – deine ersten Treffer im Profi-Bereich. Du hast gegen Farense, den FC Porto und Famalicao getroffen. Gibt es diesen Fresneda künftig öfter zu sehen?
Ich hoffe und glaube, dass ich in Zukunft noch besser sein werde. Man sollte immer versuchen, sich zu verbessern. Vielleicht fallen jetzt endlich die Tore. In Spanien, bei Valladolid, habe ich nur einen einzigen Assist verbucht – aber ich hatte immer eine Menge Offensivkraft. Manchmal klappt es nicht, manchmal klappt es.
Ich möchte noch mehr Vorlagen geben und mehr Tore schießen. Viktor Gyökeres zieht mich jeden Tag auf, ich solle ihm endlich eine Vorlage liefern.
Ich möchte der Mannschaft immer helfen. Ob durch Tore, Vorlagen oder in der Defensive – für mich zählt das alles. Wenn man kein Gegentor bekommt, ist man dem Sieg immer sehr nah.
Geovany Quenda: "Zum verrückt werden"
Du bist ein junger Spieler, wie viele deiner Teamkollegen. Warst du von der Qualität von Sportings Akademie überrascht?
Ja! Es gibt so viele Spieler, die ich in den Trainings oder den Spielen sehe – ein unglaubliches Niveau. Man kann das Niveau von Geovany Quenda, João Simões – er ist aktuell verletzt – oder Eduardo Felicíssimo …
Bei Sporting wird großartige Arbeit geleistet. Das Niveau der Akademie ist sehr hoch. Diese Arbeit wird in Zukunft belohnt werden.

Quenda wurde bereits an den FC Chelsea verkauft, bleibt aber noch ein Jahr bei Sporting. Ein steiler Aufstieg. Kommt das überraschend?
Ich habe ein ausgezeichnetes Verhältnis zu ihm. Ich bin 20, er 17 Jahre alt – das passt gut. Man muss nur eine Woche hier bleiben und sich seine Trainingsleistungen ansehen. Was der Junge anstellt – da könnte man verrückt werden. Das Interesse von Chelsea hat im Klub niemand überrascht. Quenda wird dort künftig eine große Rolle spielen und für viel Gesprächsstoff sorgen.
Tormaschine Gyökeres
Und Viktor Gyökeres? Ist er im Training dieselbe unaufhaltsame Tormaschine wie in den Matches?
Immer, immer! Er muss immer Tore schießen und ist mega frustriert, wenn er es nicht tut. Er ist eine Maschine – im Spiel, im Training und im Leben. Ein Star aus einer anderen Welt.

Es ist also keine Überraschung, dass die halbe Welt hinter Gyökeres her ist?
Nein, überhaupt nicht. Was die Leute auf dem Spielfeld sehen, beobachten wir im Training auch. Er ist immer derselbe Spieler, jeden Tag.
Du bist nach Portugal gekommen und hast in deiner ersten Saison gleich den Meistertitel geholt. Was war das für ein Gefühl – und wie wäre es, den Titel dieses Jahr zu verteidigen?
Den Titel in der letzten Saison zu holen – das war unglaublich. So viele Menschen in einer Stadt hatte ich zuvor noch nie gesehen. Ein einzigartiges Gefühl. Ein zweites Mal Meister zu werden, das wäre noch besser.
Da sprechen wir dann schon davon, ein Vermächtnis bei Sporting zu hinterlassen. Von so etwas habe ich immer geträumt, seit ich hierhergekommen bin: Mit Sporting zu triumphieren. Dieses Ziel möchte ich unbedingt erreichen.
Steht auch der Gewinn des portugiesischen Pokals aus deiner Agenda?
Natürlich! Wir spielen in zwei Wettbewerben, die wir beide gewinnen wollen.

CL-Aus gegen den BVB
Sprechen wir über die UEFA Champions League: Sporting hat in der Ligaphase 11 Punkte geholt. Ihr habt die Play-offs souverän erreicht und den Eindruck erweckt, Borussia Dortmund auf Augenhöhe begegnen zu können. Warum seid ihr nicht weitergekommen?
Grundsätzlich glaube ich, dass wir gut genug sind, solche Mannschaften zu schlagen. Im Hinspiel hatten wir Chancen, den ersten Treffer zu erzielen. Doch unmittelbar nach der Halbzeitpause haben wir einen Rückstand kassiert. Ich glaube, da hat die Mannschaft das Vertrauen in sich selbst verloren. Wir kassierten das zweite Gegentor und haben nachgelassen (0:3-Niederlage).
Vor dem Anpfiff hatten wir wirklich daran geglaubt, das Spiel gewinnen zu können. In Deutschland haben wir dann ein gutes Spiel gemacht (0:0-Unentschieden), da war auch unsere Mentalität eine andere.

Wer holt sich dieses Jahr den Sieg in der Champions League?
Als Spanier habe ich da natürlich eine klare Meinung. Der FC Barcelona spielt auf sehr hohem Niveau und Real Madrid hat fantastische Einzelspieler. Es weiß jeder, dass Real in der Königsklasse eine eigene Aura hat. Im Viertelfinale ist Arsenal der nächste Herausforderer, mit Mikel Arteta, einem fantastischen Trainer. Trotzdem glaube ich, dass es für sie schwierig wird. Real in der Champions League ist ein harter Brocken. Ich glaube jedenfalls, dass und zwei tolle Matches erwarten.
Zum Schluss noch ein paar Fragen kurze Fragen. Wir bitten dich um schnelle Antworten. Die beste Mannschaft in der portugiesischen Liga?
Sporting Clube de Portugal, natürlich.
Bester Spieler in der portugiesischen Liga?
Momentan Viktor Gyökeres.
Ein Spieler, mit dem du dich gerne vergleichst – und wieso?
Dani Carvajal und Pedro Porro, beide spielen auf der gleichen Position wie ich.
Ein Wort zu den Sporting-Fans?
Unglaublich!
Und Lissabon?
Eine fantastische Stadt, ich liebe sie. Mein Zuhause.