Der jüngste Aufstieg nach Jahrzehnten der Stagnation und Enttäuschung ist ein ermutigender und der Wohlfühlfaktor ist beim Verein von der Südküste stärker denn je. Bournemouth hat sich nicht nur vom Abgrund erholt und einen Platz in der oberen Tabellenhälfte erobert, sondern sich auch als erstklassige Mannschaft in der Premier League etabliert. Man scheint durchaus in der Lage zu sein, mit den reichsten und höchstdekorierten Teams des Landes mitzuhalten.
Der Verein, der wegen seiner kirschroten Trikots den Spitznamen "The Cherries" trägt, spielt seine Heimspiele im 11.300 Zuschauer fassenden Vitality Stadium - dem mit Abstand kleinsten Stadion der höchsten Spielklasse.

Bournemouth verfügt nicht über ein großes Stadion oder unendlich viel Geld und hat auch nicht einen besonders starken Kader. Doch der Verein hat eine Stimmung geschaffen, die ihn von einem Abstiegskandidaten der Saison 2023/2024 zu einem Hoffnungsträger für Europa 2024/2025 gemacht hat - und das nur 18 Monate später.
Es ist eine bemerkenswerte Entwicklung, die zu einem Verein passt, der auf seinem Weg von den unteren Rängen der englischen Fußballpyramide viele Widrigkeiten überwunden hat.
Aufstieg durch die Ligen
Fast 50 Jahre lang pendelte Bournemouth zwischen der dritten und vierten Liga des englischen Fußballs bis der legendäre Trainer Harry Redknapp den Cherries Ende der 1980er Jahre zum Aufstieg in die zweite Liga verhalf.
Nachdem die Cherries in der Saison 1988/89 den Aufstieg in die erste Liga nicht geschafft hatten, konnte der Verein den Schwung sowohl auf als auch neben dem Spielfeld nicht fortsetzen. 1990 stiegen sie in die dritte Liga ab, bevor sie 18 Jahre später Insolvenz anmelden mussten. Ein 10-Punkte-Abzug und der Abstieg in die vierte Liga folgten - Bournemouth war am Rande des Bankrotts.
Angesichts eines weiteren Punktabzugs von 17 Zählern und des drohenden Abstiegs aus der viertklassigen League Two, übernahm der ehemalige Spieler Eddie Howe das Amt des Interimstrainers und wurde mit 31 Jahren der jüngste Trainer in der Football League.
Howe hat die Geschicke des Vereins sofort wieder in die richtige Bahn gelenkt: Am vorletzten Spieltag der Saison 2008/09 entkam er dem Abstieg, bevor er die Cherries in der Folgesaison in die League One führte. Dank neuer Eigentümer und größerer Stabilität hinter den Kulissen erklomm Bournemouth 2015 neue Höhen, als der Verein zum ersten Mal in die höchste Spielklasse des englischen Fußballs aufstieg.
Seit diesem lang ersehnten Durchbruch haben sich die Cherries in der Premier League mehr als gut behauptet - mit einem neunten Platz in der Saison 2016/17 und der Verpflichtung mehrerer Topspieler wie Nathan Ake, Jack Wilshere und Dominic Solanke. Ein zweijähriges Gastspiel in der Championship zwischen 2020 und 2022 erwies sich nur als kurzer Ausrutscher und Bournemouth etablierte sich wieder als erstklassiger Premier-League-Klub.
Mittlerweile sind die Cherries, an denen auch Hollywood-Schauspieler Michael B. Jordan beteiligt ist, im Besitz des Black Knight Football Club - einem Unternehmen, das von dem amerikanischen Geschäftsmann Bill Foley geleitet wird - und scheinen in hervorragender Verfassung zu sein, um eine lange und erfolgreiche Zeit in Englands höchster Spielklasse anzustreben.

Traum von Europa
Andoni Iraola und sein Team aus Bournemouth sind eine der Erfolgsstorys der Saison, denn sie sind auf der Jagd nach einem unerwartet wahrscheinlichen Platz unter den ersten sechs in der Premier League. Nach einem leichten Formtief liegen die Cherries derzeit auf Platz 10 der englischen Tabelle, acht Punkte hinter dem viertplatzierten Chelsea und nur sechs Punkte hinter dem sechstplatzierten Newcastle.
Die beeindruckende Bilanz von 44 Punkten aus 30 Spielen ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Iraola hat eine äußerst effiziente und druckvolle Spielphilosophie entwickelt, die zu Siegen gegen Arsenal, Manchester City und Manchester United geführt hat.
Dies wird auch durch Zahlen untermauert, denn Bournemouth ist laut Opta Dritter in der Premier League bei den erwarteten Toren (xG) und Dritter bei den insgesamt kreierten Chancen.

Trotz aller Erfolge von Bournemouth in dieser Saison war es für Iraola kein leichter Start. Nach nur drei Unentschieden in seinen ersten neun Ligaspielen als Trainer der Cherries in der Saison 2023/24 stand der Spanier sofort unter Druck. Vor dem zehnten Premier-League-Spiel der Saison - einem Heimspiel gegen den Tabellennachbarn Burnley - stand sein Job angeblich auf dem Spiel.
Mit dem 2:1-Sieg gelang Iraola der erste Dreier in der Liga, was der Startschuss für einen Aufschwung werden sollte: In den nächsten acht Spielen holte Bournemouth 19 von 24 möglichen Punkten und belegte damit einen respektablen 12. Platz. Man spielte die erfolgreichste Saison des Klubs in der obersten Spielklasse (48 Punkte) und die Fans erfreuten sich an der aggressiven und offensiven Spielweise.
Iraola schaffte es, einer neuen Gruppe von Spielern seine eigene Fußballphilosophie und -methode zu vermitteln. Manchester-City-Trainer Pep Guardiola lobte den Stil von Bournemouth in den höchsten Tönen: "Heute ist der moderne Fußball die Art, wie Bournemouth spielt".

In der laufenden Saison hat sich Bournemouth trotz einer langen Verletztenliste in den letzten Monaten wieder einmal von Erfolg zu Erfolg gesteigert. Der viel beachtete Abgang von Stürmertalent Solanke drohte die Mannschaft im vergangenen Sommer zu entgleisen, doch das hat den Aufschwung der Cherries kaum gebremst.
Die Neuzugänge Dean Huijsen und Evanilson haben der Startelf echte Qualität verliehen, während Spieler wie Milos Kerkez, Ryan Christie und Justin Kluivert unter der Leitung von Iraola weiter aufblühen.
Es bleibt abzuwarten, ob Bournemouth in der Lage sein wird, sich europäischen Fußball zu sichern und den Kern seines Kaders in der nächsten Saison zusammenzuhalten, aber eines ist sicher: Der Verein könnte in kaum einer besseren Position sein.
