Als Ronald Koeman den aktuellen Kader der niederländischen Nationalmannschaft bekanntgab, standen dort große Namen: Frenkie de Jong, Ryan Gravenberch, Xavi Simons, Justin Kluivert. Und doch war klar, dass ein anderer im Mittelpunkt stehen würde:
Tijjani Reijnders. Der 27-Jährige hat sich in kürzester Zeit vom Spätstarter zum unverzichtbaren Leistungsträger entwickelt. Nach 30 Länderspielen und fünf Toren ist er längst ein fester Bestandteil der „Elftal“, und auch auf Vereinsebene setzt sich seine Erfolgsgeschichte fort: Seit seinem 55-Millionen-Euro-Wechsel von AC Milan zu Manchester City überzeugt er mit Konstanz, Spielintelligenz und Eleganz am Ball.
Die Anfänge in Zwolle: Ein Talent mit Fragezeichen
Henk Brugge, Jugendtrainer bei PEC Zwolle, erinnert sich gut an den schmächtigen Jungen, der mit zwölf Jahren zur Akademie kam: „Mir war damals nicht klar, wie gut er wirklich ist“, erzählt Brugge. „Er hatte viel Talent und war schon damals besonders, aber dass er einmal zu den Besten der Welt gehören würde, konnte man ihm nur wünschen.“
Reijnders wechselte später in die Nachwuchsakademie des FC Twente, kehrte nach seiner Freistellung jedoch nach Zwolle zurück, wo Brugge ihn erneut betreute. Der Trainer sah einen technisch begabten, aber körperlich unterlegenen Spieler:
„Er war biologisch jünger als seine Mitspieler. Wegen seiner körperlichen Voraussetzungen hatte er es manchmal schwer gegen stärkere und reifere Gegenspieler.“
Doch genau diese Schwäche machte ihn stärker. „Gerade weil er körperlich im Nachteil war, musste er in Sachen Positionierung, Technik und Spielintelligenz cleverer sein als die anderen – und das war er auch!“, betont Brugge. Seine Mentalität? Herausragend. „Er sah in allem eine Herausforderung, immer mit einem Lächeln im Gesicht.“
Der Sprung zu AZ Alkmaar: Leidenschaft und Lernfähigkeit
Während er nebenbei noch im örtlichen Aldi arbeitete, kam die große Chance: AZ Alkmaar nahm ihn unter Vertrag. In der zweiten Mannschaft, Jong AZ, überzeugte Reijnders sofort mit drei Toren und fünf Vorlagen, und mit unersättlicher Leidenschaft fürs Spiel.
Sein damaliger Trainer Koen Stam erinnert sich: „Tijjani war ein echter Fußballliebhaber. Er war frei, fröhlich und hatte Spaß am Training und an den Spielen. Nach dem Training wollte er immer noch länger bleiben, um Freistöße zu üben oder einfach weiter zu kicken.“
Wie schon Brugge war auch Stam beeindruckt von Reijnders’ Mentalität: „Er ist ein intelligenter Spieler, der ständig dazulernt, Informationen aufnimmt und sehr reflektiert ist – immer auf der Suche nach Wegen, sich zu verbessern. Es hilft auch, dass er Fußball wirklich liebt und aus einer stabilen Familie kommt, die ihm immer konstruktives Feedback gegeben hat.“
Reijnders später Durchbruch
Trotz seines Talents musste Reijnders Geduld beweisen. Erst 2020, mit 22 Jahren, gelang ihm der Durchbruch in der ersten Mannschaft von AZ. Von da an zeigte er, was in ihm steckt. „Als er endlich seine Chancen in der ersten Mannschaft bekam, war zu sehen, dass er das Potenzial für die niederländische Nationalmannschaft hat“, sagt Stam.
Fünf Jahre später zählt Reijnders zu den komplettesten Mittelfeldspielern Europas. Seine Trainer schwärmen von seiner Entwicklung: „Technisch überragend, liest das Spiel, hat Spielintelligenz, kann Tore erzielen und stark verteidigen“, beschreibt Brugge seinen ehemaligen Schützling. „Ein kompletter, außergewöhnlicher Spieler.“
Stam ergänzt: „Seine größten Stärken sind seine Technik in Kombination mit seiner hervorragenden Koordination.“ Viele seiner Tore entstehen durch perfekte Laufwege in den Strafraum oder durch präzise Distanzschüsse.
Zwischen Zehn und Acht: Wo Reijnders am besten glänzt
In den Niederlanden wird mittlerweile darüber diskutiert, welche Rolle Reijnders idealerweise einnimmt. Koeman nutzt ihn häufig als offensiven Mittelfeldspieler, um Platz für Gravenberch zu schaffen. Doch seine früheren Trainer sehen ihn eher in einer tieferen Rolle: „Ich denke, er kann auf jeder Position im Mittelfeld spielen, aber als Achter kann er seine Stärken am besten ausspielen“, meint Brugge.
Stam stimmt zu: „Als Sechser oder Achter ist er am stärksten. Er kann im Spielaufbau sehr präsent sein, aber auch im letzten Drittel effektiv agieren. Ein echter Box-to-Box-Spieler.“
Seit seinem Wechsel zu Manchester City zeigt Reijnders, dass er auch in der Premier League bestehen kann, trotz skeptischer Stimmen. Mit einem Tor und zwei Vorlagen in den ersten sieben Spielen hat er sich in Pep Guardiolas hochkarätigem Kader bereits etabliert.
Und wenn man seine ehemaligen Trainer fragt, ob er es geschafft hat, ist ihre Antwort eindeutig: „100%.“
