Julian Nagelsmann hatte die Hände in den Schoß gelegt, doch die entspannte Körperhaltung täuschte nicht über die Angriffslust des Bundestrainers hinweg. Trotz großer Personalsorgen greift Nagelsmann mit viel Energie nach seinem ersten "Titelchen" mit der Fußball-Nationalmannschaft - zwei Debütanten und acht Rückkehrer sollen beim Final Four der Nations League das Krönchen holen.
Das Endspiel am 8. Juni in München, verkündete Nagelsmann selbstbewusst, "ist unser Ziel". Dafür aber dürfe seine Auswahl um die Neulinge Tom Bischof aus Hoffenheim und Nick Woltemade vom VfB Stuttgart im Halbfinale gegen Cristiano Ronaldos Portugiesen am 4. Juni "keinen Meter weniger" gehen als im Viertelfinal-Kracher gegen Italien (2:1/3:3).
Die großen Hoffnungen auf das "Titelchen" (Nagelsmann) tragen Topspieler wie Torhüter Marc-André ter Stegen oder Zauberfuß Florian Wirtz, die im März gefehlt hatten. Ter Stegen, stellte Nagelsmann klar, "ist unsere Nummer 1". Wirtz soll die Fans in Abwesenheit seines kongenialen Partners Jamal Musiala "verzaubern".
Auch Waldemar Anton, Serge Gnabry, Robin Gosens, Felix Nmecha, Aleksandar Pavlovic und Niclas Füllkrug kehren zurück. Bei Ballmagnet Musiala, Abwehrchef Antonio Rüdiger und Stamm-Neuner Kai Havertz will Nagelsmann nach Verletzungen kein Risiko eingehen. Das Trio fehlt wie die langzeitlädierten Nico Schlotterbeck, Tim Kleindienst und Benjamin Henrichs. Die Ausfälle "sind alle extrem bitter", sagte der Bundestrainer zerknirscht.
Musiala und Rüdiger sollen Klub-WM spielen
In legerer schwarzer Jacke und vor einem schlichten weißen Vorhang erläuterte Nagelsmann in einem neunminütigen Video detailliert, wie er seinen 26er-Kader zusammengestellt hat. Auf Musiala, Rüdiger und Havertz zu verzichten, sei "blöd", sagte er, aber unumgänglich. "Sie wollten unbedingt, aber wir haben nix davon, wenn sie dann drei Monate ausfallen und in der WM-Quali fehlen." Die startet im September.
Bei allen drei, ließ Nagelsmann durchblicken, hätte es "Spitz auf Knopf geklappt mit Kurzeinsätzen". Mehr aber nicht. Musiala und Rüdiger sollen stattdessen die Klub-WM spielen, die beim Final Four ihre Schatten vorauswirft.
Denn dafür ist auch der Neu-Bayer Bischof eingeplant - für die U21-EM, für die er vom DFB vorgesehen war, bekam er aus München keine Freigabe. Der 19 Jahre alte Mittelfeldmann habe mit seiner Nominierung "einen Step übersprungen", sagte Nagelsmann über den "Perspektivspieler".
Anders gelagert ist der Fall Woltemade, der auch für die U21 nominiert wurde. Der Shootingstar (23), Spitzname "Woltemessi", habe "das Momentum gerade total auf seiner Seite". Schon im März hatte Nagelsmann den Stürmer im Auge, verlangte aber Konstanz. Die hat Woltemade mit 14 Pflichtspieltoren seit November gezeigt.
Nagelsmann sieht Portugal als "dickes Brett"
Jonathan Burkardt traf im selben Zeitraum 13-mal, der zuletzt noch nominierte Mainzer fehlt aber im Aufgebot wie Stefan Ortega Moreno und Jamie Leweling, die gegen Italien dabei waren. Nagelsmann sieht aber genug "gute Jungs, die uns hoffentlich zwei positive Spiele besorgen werden".
Portugal sei "ein dickes Brett". Das gilt erst recht für die möglichen Finalgegner, Europameister Spanien oder Vize-Weltmeister Frankreich. "Wir werden alles reinwerfen", versprach Nagelsmann.
Mit dem Treffen am 30. Mai im EM-Quartier in Herzogenaurach, bei dem Champions-League-Finalist Yann Bisseck (Inter Mailand) noch fehlen wird, soll der EURO-Geist beschworen werden. Auch für das übergeordnete Ziel WM-Triumph. Siege in der Nations League verbessern die Position in der Weltrangliste und damit die Lage für die WM-Auslosung. Also: Hände aus dem Schoß!
Das deutsche Aufgebot:
Tor: Oliver Baumann (TSG Hoffenheim), Alexander Nübel (VfB Stuttgart), Marc-André ter Stegen (FC Barcelona)
Abwehr: Robert Andrich (Bayer Leverkusen), Waldemar Anton (Borussia Dortmund), Yann Bisseck (Inter Mailand), Joshua Kimmich (Bayern München), Robin Koch (Eintracht Frankfurt), Maximilian Mittelstädt (VfB Stuttgart), David Raum (RB Leipzig), Jonathan Tah (Bayer Leverkusen)
Mittelfeld: Karim Adeyemi (Borussia Dortmund), Nadiem Amiri (FSV Mainz 05), Tom Bischof (TSG Hoffenheim), Serge Gnabry (Bayern München), Leon Goretzka (Bayern München), Robin Gosens (AC Florenz), Pascal Groß (Borussia Dortmund), Felix Nmecha (Borussia Dortmund), Aleksandar Pavlovic (Bayern München), Leroy Sané (Bayern München), Angelo Stiller (VfB Stuttgart), Florian Wirtz (Bayer Leverkusen)
Angriff: Niclas Füllkrug (West Ham United), Deniz Undav (VfB Stuttgart), Nick Woltemade (VfB Stuttgart)