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Auf den Spuren von 1990: Julian Nagelsmann sucht seinen Thomas Häßler

Julian Nagelsmann gibt am Donnerstag seinen Kader bekannt.
Julian Nagelsmann gibt am Donnerstag seinen Kader bekannt.ČTK / imago stock&people / Mike Schmidt

Im edlen Frankfurter Gibson Club konnte sich Julian Nagelsmann auf Großleinwand anschauen, wie man Weltmeister wird. Zur Premiere der Sky-Dokumentation über seinen "Papa", Chef und Schicksalsgefährten Rudi Völler schlenderte der Bundestrainer im schwarzen Hemd entspannt über den Roten Teppich – selbstverständlich spielte der Triumph von Rom 1990 im Film eine entscheidende Rolle.

Damals löste die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ihr WM-Ticket dank Thomas Häßler erst auf den letzten Drücker – jetzt ist die Not erneut groß, und die Frage drängt: Hat auch Nagelsmann einen Häßler im Kader? Bei der Nominierung seines Aufgebots für die Qualifikationsspiele am 10. Oktober in Sinsheim gegen Luxemburg und drei Tage später in Belfast gegen Nordirland muss der Bundestrainer am Donnerstag die Antwort darauf liefern.

Vorausgegangen sind schwere Grübeleien bis hin zu echtem Kopfzerbrechen. An Bewährtem festhalten, obwohl die Etablierten den Start beim 0:2 in der Slowakei historisch vergeigten? Oder alles umwerfen? "Wir haben jetzt vier Wochen lang diskutiert, wie wir rangehen", sagte Nagelsmann.

Seine Erkenntnis: "Wir sind in einer sehr instabilen Situation", deshalb sei es "nicht so ratsam", allzu viele Stars auszutauschen. "Es wird jetzt nicht fünf Neue geben. Ein, zwei vielleicht, aber nicht viel. Die Spieler, die dabei waren, sollen die Chance bekommen, es besser zu machen als zuletzt."

"Keine 150 Deutschen zur Auswahl"

Alternativen sind ohnehin rar. Er habe "keine 150 Deutschen zur Auswahl", die Qualität für die Nationalmannschaft oder gar für den WM-Titel besitzen, klagte der Bundestrainer nach dem schwachen Start, bei dem nach der Blamage von Bratislava ein 3:1 gegen Nordirland glückte. Der genesene Nico Schlotterbeck, verriet Nagelsmann, werde zurückkehren.

"Er gibt uns einen herausragenden Spielaufbau, einen super Siegeswillen und endlich mal wieder einen linken Fuß hinten", sagte der Bundestrainer. "Er war in seinem letzten Länderspiel gegen Italien der beste Mann auf dem Platz und darf das jetzt gerne wieder sein. Wir sind sehr froh, dass er wieder da ist."

Und sonst? Schon im September hätte Nagelsmann gerne Nathaniel Brown von Eintracht Frankfurt, Max Rosenfelder (SC Freiburg) oder Nicolas Kühn (Como Calcio) getestet, die allesamt verletzt passen mussten. Zumindest Linksverteidiger Brown dürfte diesmal dabei sein. Auch über Stürmer Nicolò Tresoldi, der beim FC Brügge Champions League spielt, wird spekuliert. Freiburgs Torwart Noah Atubolu könnte als neuer dritter Mann dabei sein.

Wichtige Achse fehlt

Gezwungenermaßen will Nagelsmann "einen Tick mehr auf Form gehen, auf Aktualität". Weiterhin fehlen Säulen wie Marc-André ter Stegen, Antonio Rüdiger, Jamal Musiala und Kai Havertz oder auch Tim Kleindienst. Das torpediert den WM-Plan gewaltig.

"Wenn wir eine Achse definieren, die Spieler sind aber nie da, ist das schwierig", sagte der Bundestrainer. "Das spricht ein bisschen dagegen, eine Achse zu definieren, wir haben viele Verletzungen auf Schlüsselpositionen. Wir müssen also variabel bleiben."

Völler gab wieder den Menschenfänger, beruhigte die aufgeregte Fußball-Nation mit seinem typischen Augenzwinkern. "Wir haben es immer noch in der eigenen Hand, wir müssen es aber besser machen als zuletzt. Dann wollen wir eine Top-WM spielen", betonte er. "Es muss schwer sein, uns zu schlagen." Wie 1990.