Mehr

Freifahrtschein für Südamerika? Was eine WM-Erweiterung auf 64 Teams bedeuten würde

Die WM 2030 könnte erneut erweitert werden.
Die WM 2030 könnte erneut erweitert werden.EYEPIX / NurPhoto via AFP

Die Fußball-Weltmeisterschaft wird immer größer. Von den 16 Mannschaften im Jahr 1982 über 24 Teilnehmer bis 1998 zur inzwischen etablierten 32er-Endrunde, und ab Sommer 2026 erstmals mit 48 Teams. Doch die nächste Debatte ist längst entfacht: Sollte das Jubiläumsturnier 2030 tatsächlich mit 64 Nationen ausgetragen werden? Wir haben untersucht, was ein neuerlich erweitertes Weltturnier bedeuten würde.

Den Anstoß gab der uruguayische Verbandspräsident Ignacio Alonso, der das Modell im März im FIFA-Rat „spontan“ ins Spiel brachte. Wenig später machte der südamerikanische Verband CONMEBOL daraus einen offiziellen Vorschlag und sieht darin eine angemessene Form, das 100-jährige Jubiläum der WM zu feiern. Die FIFA selbst hält sich bedeckt: Man werde alle Ideen prüfen, eine Entscheidung sei aber nicht in Sicht.

Die Befürworter sprechen von einer nie dagewesenen Inklusivität. CONMEBOL-Chef Alejandro Dominguez argumentiert, niemand solle bei der „größten Fußball-Party des Planeten“ ausgeschlossen werden. Tatsächlich würde ein 64er-Feld mehr als 30 Prozent der 211 FIFA-Mitglieder umfassen und so vielen Nationen das Debüt ermöglichen, ähnlich wie Katar 2022 oder die möglichen Neulinge Kap Verde, Usbekistan und Jordanien 2026. 

Kritische Stimmen aus der UEFA

Zudem locken gewaltige finanzielle Perspektiven: Schon das 48er-Format 2026 soll Rekordeinnahmen von 11 Milliarden Dollar einbringen, eine noch größere Bühne verspricht noch mehr Sponsoren- und TV-Gelder.

Doch der Widerstand ist groß. UEFA-Präsident Aleksander Ceferin spricht von einer „schlechten Idee“, Concacaf-Boss Victor Montagliani hält die Pläne für schädlich „für das gesamte Fußball-Ökosystem“. Auch Asiens Verband AFC warnt vor „Chaos“. 

Die Kritiker befürchten weniger sportliche Qualität, mehr einseitige Spiele und eine Qualifikation, die ihren Reiz verliert. Zusätzlich geraten Nachhaltigkeit und Logistik unter Druck: Mehr Reisen, mehr Flüge, mehr Emissionen. Fan-Initiativen wie „Fossil Free Football“ warnen vor einem ökologischen Rückschritt und dem Verlust der sportlichen Spannung.

Die Dimensionen wären enorm: 128 Spiele, verteilt auf 16 Vierergruppen, aus denen je zwei Teams ins Achtelfinale einziehen. Schon das 48er-Turnier 2026 mit 104 Spielen wirkt auf viele unübersichtlich – ohne spielfreie Tage, mit bis zu sechs Partien an einem Tag.

Qualifikation ohne Wert?

Für 2030 müsste die Gruppenphase noch dichter gepackt und zusätzliche Stadien eingeplant werden. Argentinien, Uruguay und Paraguay, die ohnehin einige Vorrundenspiele austragen sollen, könnten dabei stärker eingebunden werden.

Die Strahlkraft einer WM lebt auch von den Dramen der Qualifikation, etwa vom wiederholten Scheitern Italiens. Ein 64er-Format würde solche Überraschungen fast ausschließen. Die großen Nationen wären praktisch gesetzt, kleinere Verbände erhielten automatisch mehr Startplätze.

Gianni Infantino gilt als treibende Kraft hinter den WM-Erweiterungsplänen.
Gianni Infantino gilt als treibende Kraft hinter den WM-Erweiterungsplänen.Ron Sachs/CNP/Profimedia

Für die Südamerikaner etwa, bei denen ohnehin nur zehn Teams antreten, böte sich die Chance, über die bislang maximal sieben Tickets hinaus weitere Nationen ins Turnier zu bringen – und sich die Qualifikation damit de facto zu sparen.

Klar ist: Würde die Idee einer WM mit 64 Teams Realität, hätte sich die Weltmeisterschaft in nur acht Jahren verdoppelt, ein historisch beispielloser Schritt. Ob diese Vision gefeiert oder als Größenwahn abgestempelt wird, liegt nun in den Händen der FIFA und ihrer politischen Partner.