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Positiv wie negativ: Die größten Überraschungen im Sportjahr 2024

Zverev (r.) knipst das Selfie, nachdem Deutschland im Januar sensationell den Untied Cup gewann
Zverev (r.) knipst das Selfie, nachdem Deutschland im Januar sensationell den Untied Cup gewannSaeed KHAN / AFP
Auch, oder vor allem das Jahr 2024 hat uns wieder mit großartigen Sportmomenten gesegnet. Mit der Europameisterschaft und speziell den Olympischen Spielen standen zwei Großereignisse auf dem Programm, die für Tränen der Freude, aber auch des Leids gesorgt haben. Wie schon im vergangenen Jahr haben wir uns bei Flashscore mit einigen der größten Überraschungen im deutschen und österreichischen Sport beschäftigt - in positiver, aber auch in negativer Hinsicht.

Lukas Märtens: Der Fluch ist gebrochen

36 lange Jahre hatten am 27. Juli ein ebenso abruptes wie überraschendes Ende. Es war der Tag von Lukas Märtens, der sich nicht nur die erste deutsche Goldmedaille der Olympischen Spiele 2024 sicherte, sondern auch als erster deutscher Schwimmer seit 1988 ganz oben auf dem olympischen Siegertreppchen feiern durfte.

In 3:41,78 Minuten rauschte der 22-Jährige über 400-Meter-Freistil zum begehrten Edelmetall, das über den größten Zeitraum des Jahres außer Reichweite schien: Immer wieder war Märtens im Frühjahr durch Krankheiten zurückgeworfen worden. Seine unbeschwerte Art und natürlich die mentale Stärke sowie die Fähigkeit, nach vielen Rückschlägen wieder zurückzukommen, waren am Ende die ausschlaggebenden Faktoren für den gigantischen Triumph.

Das wusste auch Märtens selbst: "Man darf nicht denken, dass man muss, und muss, und muss. Ich muss gar nichts. So bin ich es angegangen. Das ist das Motto meiner Saison", so der Magdeburger nach dem Rennen.

Märtens kaschierte mit seinem brillanten Auftritt das generell eher schwache Abschneider der deutschen Schwimmer in Paris. Trotz vieler Finalläufe war es nämlich nur eine von zwei Medaillen. Eine wirkliche Überraschung war der Triumph von Märtens wohl auch nicht, gehörte er doch mindestens zum erweiterten Favoritenkreis. Nach den vielen Jahren ohne Gold für Deutschland geht die Causa Märtens dennoch als kleine Sensation in die deutsche Sportgeschichte ein.

Dominic Thiem: Ein Prinz, der zu früh geht

Eine Überraschung der etwas anderen Art ist der Rücktritt von Dominic Thiem aus dem aktiven Sport. Alle Tennis-Fans, sowie Sport-affine Menschen aus Österreich und Deutschland dürfte es am 10. Mai kräftig geschüttelt haben, als der Wiener Neustädter über die sozialen Netzwerke bekannt gab, dass 2024 seine letzte Saison sei.

Eine Entscheidung, die irgendwo erwartbar war und sich im Verlauf der letzten Jahre wohl auch abgezeichnet hatte. Für die Liebhaber des Tennis fühlte es sich dennoch eher wie der Einschlag eines Blitzes an. Der Niederösterreicher hatte sich in den späten 2010er-Jahren in der Weltspitze etabliert und galt als einer der wenigen Tennisstars, die es auf den größten Tennisbühnen mit den Big 3 (Novak Djokovic, Rafael Nadal und Roger Federer) aufnehmen konnten. Seinen Peak erlebte er bei den US Open 2020, als er Kumpel Alexander Zverev trotz 0:2-Satzrückstand noch mit 2:6 4:6 6:4 6:3 7:6 niederrang und sich an des Deutschen statt als Debüt-Grand-Slam-Champion feiern ließ.

Es hätte der erste Major von vielen sein können - oder vielleicht sogar sollen? Im unmittelbaren Anschluss ging es dann allerdings nur noch bergab: Zunächst hatte Thiem mit mentalen Problemen zu kämpfen, dann warf ihn eine schwere Handgelenksverletzung komplett aus der Bahn. Langwierige und Energie raubende Comeback-Versuche blieben erfolglos, Thiem kam nie wieder auch nur annähernd an sein Toplevel heran.

Ob er wirklich "glücklich" mit seiner Entscheidung ist, sei dahingestellt. Zahlreiche Turnier-Abschiede und Interviews lassen das Gegenteil vermuten. In einem sind sich aber wohl alle einig, die es gut mit dem Sport meinen: Das (zu) frühe Karriereende vom "Prince of Clay" ist ein riesiger Verlust.

Eine Saga: Von der "Werkself" zum Spitzenteam

Das sensationelle Double von Bayer Leverkusen in der Bundesliga-Saison 2023/24 wurde bereits von allen Seiten mit Superlativen geschmückt. Eine der spektakulärsten Meisterschafts-Kampagnen der Fußball-Geschichte muss an dieser Stelle dennoch ihren Platz finden.

Betrachtet man sich die Geschichte des Vereins genau, ist der Durchbruch der Vorsaison vielleicht sogar noch höher zu bewerten. Denn Bayer Leverkusen ist historisch gesehen alles andere als ein Titel-Klub. Seit dem ersten Erscheinen in der Bundesliga im Jahr 1979 wurde man vielmehr seinem Ruf als "Werkself" aus dem Tabellenmittelfeld gerecht. Erst in den mittleren und späteren 80er-Jahren schnupperte B04 unter Erich Ribbeck und Jürgen Gelsdorf erstmals an den oberen Tabellenrängen des deutschen Oberhauses.

Es folgte die bis dato erfolgreichste Epoche des Vereins: 1993 gelang mit dem Pokalsieg der erste Titel, in der Liga wurde man unter Christoph Daum zweite deutsche Kraft und verdiente sich nach mehreren dramatisch verpassten Meisterschaften den Namen als "Vizekusen".

Es schien, als würde dieser Name für immer - oder zumindest für eine lange Weile - Bestand haben. Denn Bayer hatte in den letzten beiden Jahrzehnten den Anschluss an die absolute Spitzengruppe der Liga verloren. Trotz oftmals guter Kaderplanung und hohen Ambitionen reichte es gerade in den Jahren vor Xabi Alonso oft nicht einmal für die Qualifikation zur Champions League.

Was unter dem ehemaligen Weltklassespieler von Real Madrid und Bayern München dann geschah, wird in der Geschichte des Vereins nie mehr vergessen werden. 90 Punkte nach 28 Siegen und sechs Unentschieden, punktetechnisch die drittbeste Saison der Bundesliga-Geschichte und das erste Team, das die Schale ungeschlagen gen Himmel strecken durfte. Zudem der Triumph im DFB-Pokal und der Einzug ins Endspiel der Europa League - und das alles ohne große Vorankündigung. Eine Story wie ein Märchen.

Corona stoppt die sicherste Wette auf deutsches Gold

Des einen Freud ist des anderen Leid - es gibt wohl kein Sportevent auf der Welt, auf das dieses Sprichwort so sehr zutrifft, wie die Olympischen Spiele. Der Sommer in Paris hat aus deutscher Sicht tatsächlich einige schöne Erzählungen geschaffen. Neben Märtens holten sich beispielsweise die 3x3-Basketballerinnen sensationell Gold, die deutschen Damen durften nach problematischen Monaten immerhin die Bronzemedaille bejubeln.

Für eine Athletin ging der Schuss am 8. August dagegen nach hinten los. Dabei ist die Silbermedaille von Weitspringerin Malaika Mihambo durchaus als Erfolg, aber eben auch als Tragödie zu werten. Die 30-Jährige galt im Vorfeld der Olympischen Spiele als klare Favoritin auf den Sieg, hatte erst im Juni die Konkurrenz bei der EM in Rom mit einem grandiosen Sprung von 7,22 Metern düpiert.

Doch dann der Schock: In der Vorbereitung infizierte sich die Halb-Tansanierin mit Corona, die Vorbereitung wurde entscheidend gestört. "Seitdem hatte ich Probleme mit meiner Lunge beim Atmen", hatte sie vor den Spielen ausgesagt. Während der Wettkämpfe äußerte sich dies mit Atmungsproblemen bei Mihambo, die immer wieder nach Luft rang und schlussendlich sogar mit einem Rollstuhl aus dem Stade de France abtransportiert werden musste. 

Mit 6,98 Metern wird Mihambo dennoch starke Zweite, muss sich aber Tara Davis-Woodhall (7,10 Meter) klar geschlagen geben - und den Traum der Gold-Wiederholung aus Tokio vorerst begraben. "Wahrscheinlich wirkte die Situation durch den Rollstuhl dramatischer, als sie letztlich war", scherzte die gelernte Politikwissenschaftlerin einige Monate nach Olympia. Spätfolgen der Infektion habe sie noch bis Ende Oktober gespürt: "Vielleicht hat es diese Bilder aber auch gebraucht, denn Post Covid ist eine unsichtbare Krankheit, die für Außenstehende nur schwer zu begreifen ist."

Deutschland gewinnt den United Cup im Januar

Im Tennis begann das Jahr aus deutscher Sicht mit einem wahren Paukenschlag. Angelique Kerber, Tatjana Maria, Laura Siegemund, Alexander Zverev, Maximilian Marterer und Kai Wehnelt holten sich unter deutscher Fahne und der Führung von Torben Beltz den Sieg im United Cup in Sydney.

Vor allem im Finale begeisterten Zverev und Siegemund in einem wahren Krimi gegen das polnische Duo Iga Swiatek und Hubert Hurkacz. Nach 1:44 Stunden lagen sich die beiden Deutschen dank eines 6:4 5:7 10:4-Erfolgs in den Armen - und feierten den größten deutschen Teamerfolg im Tennis in diesem Jahrzehnt.

Der United Cup, Nachfolger des ATP Cups und zweitwichtigster Nationenwettbewerb im Tennis, wird seit 2023 in den letzten Tagen des Jahres und den ersten Tagen des Januars in Sydney und Perth ausgetragen. Sechs Dreiergruppen werden auf die beiden Spielstätten aufgeteilt, wobei sich die Gruppensieger und der bestplatzierte Zweite aus jeder Stadt für das Viertelfinale qualifizieren. Der Gewinner einer Partie wird über drei Matches ermittelt: jeweils ein Einzel bei den Herren und Damen, sowie ein Mixed Double als potenzielles Entscheidungsmatch. 

Deutschland setzte sich in seiner Gruppe als bester Gruppenzweiter aus Sydney durch. Mit knappen Siegen über Griechenland und Australien stieß man dann bis ins Finale vor, in dem man das polnische Team nach dem entscheidenden Doppel mit 2:1 bezwang. Zverev hatte im Herren-Einzel gegen Hurkacz (6:7 7:6 6:4) die Niederlage von Kerber gegen Swiatek (3:6 0:6) ausgeglichen.

Der United Cup 2025 startet am 27. Dezember. Deutschland wurde in die Gruppe E mit China und Brasilien gelost. Bei der Mission Titelverteidigung ist auch Zverev wieder mit von der Partie. Im deutschen Kader stehen zudem Siegemund, Tim Pütz, Vivian Heisen, Daniel Masur und Lena Papadakis.

Heik Kölsch, Editor in Chief
Heik Kölsch, Editor in ChiefFlashscore