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Manipulationsskandal wirft Schatten auf WM in Trondheim

Marius Lindvik wurde die Silbermedaille aberkannt
Marius Lindvik wurde die Silbermedaille aberkanntJONATHAN NACKSTRAND/AFP
Das Skispringen versinkt nach einem Manipulationsskandal im Chaos. Erhält Andreas Wellinger nachträglich WM-Gold?

Dreist manipulierte Anzüge, Zoff zwischen den Nationen, WM-Gastgeber Norwegen plötzlich am Pranger und der Weltverband unter Schock: Ein mutmaßlicher Betrugsskandal rund um ein anonymes Video hat das Skispringen zum WM-Abschluss in seine tiefste Krise seit Jahren geführt.

"Das ist ein Desaster. Das macht mich wütend und traurig", sagte DSV-Sportdirektor Horst Hüttel an einem schwarzen Wochenende, Sven Hannawald sprach von der "Hässlichkeit unseres Sports".

FIS-Direktor "schockiert"

Auslöser des größten WM-Skandals seit der Blutdoping-Razzia 2019 in Seefeld waren Bilder wie aus einem Agentenkrimi. Offenbar durch abgeklebte Fenster eines Hotelzimmers sind Näharbeiten an einem Sprunganzug zu sehen, Norwegens Cheftrainer Magnus Brevig schaut zu. "Die Videos weisen ganz klar einen extrem hohen Manipulationsverdacht auf", sagte Hüttel.

Die Folge war verheerend: Drei Nationen legten noch während des Wettkampfs von der Großschanze Protest ein. Der Norweger Marius Lindvik, Sieger von der Normalschanze, holte dennoch zunächst Silber, bei der folgenden Kontrolle wurde aber ein unerlaubter Eingriff festgestellt.

Lindvik und zwei weitere Norweger wurden disqualifiziert. "Ich bin schockiert. Mit so etwas hätten wir nicht gerechnet", sagte Renndirektor Sandro Pertile von der FIS.

Nordische Ski-WM "endet im reinsten Chaos"

In Norwegen war das Entsetzen groß, auf die bis dahin so großartigen Weltmeisterschaften fiel ein Schatten. "Unsere WM endet im reinsten Chaos. Lindvik ist Weltmeister, bleibt aber als Betrüger in Erinnerung", schrieb der Rundfunk NRK. Die Zeitung VG kommentierte: "Wer spricht jetzt noch von der Gold-Party in Granasen? Die Vorfälle müssen Konsequenzen haben."

Norwegens Verband räumte zwar Fehler ein, wies den Vorwurf gezielter Manipulation aber zurück. "Wir haben einen Regelstoß begangen", sagte Brevig vor Pressevertretern: "Es tut uns leid, dass für den norwegischen Skisport so gute Weltmeisterschaften so enden." Sportdirektor Jan Erik Aalbu betonte: "Das ist kein Betrug, das ist kein Doping."

Pikant: Lindvik hatte sechs Tage zuvor Gold von der Normalschanze vor Andreas Wellinger gewonnen. Eine nachträgliche Aberkennung eines Titels sei aber unwahrscheinlich. "Wenn die Kontrollen fertig sind, sind die Wettkämpfe fertig", sagte Pertile. 

Am Freitag war der norwegische Kombinierer Jörgen Graabak disqualifiziert worden – wegen einer manipulierten Bindung. Bei den Springern sollen die Norweger dagegen die innen liegenden Nähte mit festem Material verstärkt haben, was die Steifheit der Anzüge und damit die Flugfähigkeit erhöht. Ein gutes Bild gab der WM-Gastgeber wahrlich nicht ab.