Die Liste der Gescheiterten ist lang und prominent bestückt. Clarence Seedorf, Filippo Inzaghi, Sinisa Mihajlovic, Vincenzo Montella, Gennaro Gattuso und noch einige andere Trainer bissen sich an der Aufgabe, den AC Milan zum ersten Mal seit 2011 zum Scudetto zu führen, die Zähne aus. Stefano Pioli wurde dementsprechend bei seinem Amtsantritt im Oktober 2019 keine lange Zukunft vorausgesagt. Ein halbes Jahr vor seiner Unterschrift im San Siro war er in Florenz aufgrund anhaltender Erfolglosigkeit entlassen worden. Zudem kritisierten etliche Fans seine Vergangenheit beim großen Erzrivalen Inter Mailand.
Eben jenes Inter ließ Pioli gemeinsam mit den Rossoneri knapp hinter sich. Aus einem spannenden Saisonfinish ging der AC mit zwei Vorsprung als neuer italienischer Meister hervor. Die Belohnung dafür, dass man den als ruhig geltenden Stefano Pioli in Ruhe seine Arbeit verrichten ließ. Der 57-Jährige formte eine nach etlichen Trainerwechseln und anhaltenden Unruhen im Verein verunsicherte, vergleichsweise junge Mannschaft zu einem auch in Europa konkurrenzfähigen Team.
Dass er Mannschaften auf das nächste Level heben kann, hatte er bereits zwischen 2014 und 2016 bei Lazio bewiesen. Dort traf er einst auch auf Miroslav Klose. Der DFB-Rekordtorschütze arbeitet heute im beschaulichen Altach in der österreichischen Bundesliga als Cheftrainer, absolvierte im Zuge seiner Ausbildung zum Fußballlehrer unter anderem ein Praktikum bei Pioli, kurz nach dessen Amtsantritt bei Milan. Klose prophezeite damals: "Es braucht Zeit. Wenn Milan Pioli die Zeit gibt, über einen längeren Zeitraum zu arbeiten, wird er sie zu Siegern machen. Besonders in der Serie A."
Nicht nur bei Klose, in fast der gesamten Branche gilt Pioli als absoluter Fachmann. Ausgerechnet beim in der Dekade vor Pioli sich eher wie eine launische Diva verhaltenden AC Milan fand der für seine Zurückhaltung bekannte Trainer eine sportliche Heimat. Bei sage und schreibe zwölf Profivereinen saß er auf der Bank. Meist musste er nach einer Saison wieder gehen, Titel konnte er ohnehin nirgends gewinnen. Das änderte sich letzten Sommer.
Im laufenden Jahr läuft es zwar nicht schlecht, aktuell ist aber der SSC Neapel in Italien das Maß aller Dinge. In der Liga ist man Dritter, sechs Punkte Rückstand trennen den Vorjahresmeister vom Tabellenführer aus der Vesuv-Stadt. In der Champions League duelliert man sich am Mittwoch mit Red Bull Salzburg, es geht um den Aufstieg ins Achtelfinale.
Vor etwas mehr als einem Monat schienen für Stefano Pioli Gespräche um eine Vertragsverlängerung quasi belanglos zu sein. Laut diversen Meldungen wurde sein Arbeitspapier nun doch auf das Jahr 2025 ausgeweitet. Stand 31. Oktober 2022 bestritt er bereits 153 Pflichtspiele als Milan-Coach.