Traumhaft würziger "Chäs", mächtige "Huiswurst", feuriges "Bätziwasser", unwiderstehliche "Engelsflügeli": Das Dasein in Engelberg ist vor allem eines - lecker. Doch trotz der Höchstleistungen aus Molkerei, Metzgerei, Brennerei und Konditorei hat Philipp Raimund der Ausflug ins Schweizer Winterwunderland selten geschmeckt. Für Deutschlands derzeit einzigen Spitzenskispringer war bei der traditionellen Generalprobe für die Vierschanzentournee bislang oftmals viel, nun ja: Käse dabei. In Raimunds derzeitiger Topform könnte sich das am Wochenende nun ändern.
"Der erste Sieg könnte früher oder später mal kommen", sagte Raimund angesichts von nun schon vier Podestplätzen im Olympiawinter und fünf in seiner Karriere. Die vermaledeite "1" lässt aber hartnäckig auf sich warten - auch weil im Vorfeld der am 29. Dezember in Raimunds Heimat Oberstdorf beginnenden Tournee vor allem Sloweniens Weltmeister Domen Prevc derzeit in anderen Sphären fliegt.
Raimund als DSV-Hoffnungsträger
Prevc liegt auch die Gross-Titlis-Schanze: In Engelberg war er schon 2015 als 16-Jähriger Zweiter hinter seinem Bruder Peter und siegte ein Jahr später. Raimund hingegen: Platz 27 und 45 im vergangenen Winter, 2023 einmal disqualifiziert und immerhin einmal Zwölfter. Lieblingsschanze? Die steht sicherlich woanders.
Das beeindruckt den 25-Jährigen im Anflug auf die Tournee aber herzlich wenig. "Die letzten Wettkämpfe waren auf einem sauguten Niveau", sagt "Hille", der derzeit vor Selbstvertrauen strotzt. Daran wird die Engelberger Generalprobe - egal, wie sie läuft - nichts ändern.
Denn das mit dem Generalproben-Charakter relativiert sich bei genauerer Betrachtung ohnehin. Einerseits hat die wunderschöne Anlage schon allein aufgrund ihrer Höhenlage (1180 m) wenig mit den vier Tourneeschanzen gemein. Andererseits sind die Engelberger Vorleistungen oftmals nicht ansatzweise so haltbar wie der berühmte "Chäs" aus dem Kanton Obwalden - zumindest aus deutscher Sicht.
Richard Freitag (2014 und 2017), Karl Geiger (2018 und 2021) sowie Pius Paschke (2023) gewannen zuletzt in Engelberg - keiner landete danach bei der Tournee auch nur auf dem Gesamtpodest. Sven Hannawald hingegen, 2001/02 letzter deutscher Tournee-Sieger, wurde unmittelbar davor nur 15. in Engelberg. Ein Jahr später gewann er dann zwar in Engelberg - nicht aber die Tournee.
Aufgebot der Skispringer ohne Stars
Dass derzeit überhaupt die Begriffe "DSV-Adler" und "möglicher Tourneesieg" im näheren Zusammenhang verwendet werden können, ist allein Raimund geschuldet. In Abwesenheit von Geiger und Olympiasieger Andreas Wellinger, die in Ermangelung weltcuptauglicher Form in Heimarbeit nach Lösungen suchen müssen, kommt das deutsche Engelberg-Team nämlich irgendwo zwischen Mut und Verzweiflung daher.
Der unverwüstliche Paschke (35), der unerwartete Aufsteiger Felix Hoffmann, dazu Luca Roth, der seinen letzten Weltcup-Punkt 2020 holte, sowie Weltcup-Debütant Ben Bayer - die Manpower früherer Jahre fehlt derzeit auffallend.
"Unser Ziel für Engelberg ist es, einen Schritt nach vorne zu machen", sagt Trainer Stefan Horngacher. Und wenn das nicht klappt, bleiben ja noch Bätziwasser und Engelsflügeli.
