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Neuers Aussagen sorgen für Unruhe zur Unzeit - Eine kommentierende Analyse

Michel Egenolf
Sorgt für mächtig Unruhe bei den Bayern: Manuel Neuer
Sorgt für mächtig Unruhe bei den Bayern: Manuel NeuerAFP
Es kehrt weiter keine Ruhe ein beim FC Bayern. Neben der (vermeintlich abgelegten) Ergebniskrise und dem Gnabry-Trip nach Paris sorgt jetzt der fast in den Hintergrund geratene Rauswurf von Torwarttrainer Toni Tapalovic noch einmal für Unruhe.

Die Nachwehen der Tapalovic-Freistellung werden von Manuel Neuers ungewohnt harscher Kritk in der Öffentlichkeit verursacht. Der verletzte Weltklassetorhüter des FC Bayern äußerte sich zuletzt in diversen Interviews und sorgte für einen wahren Knall beim Rekordmeister. Der Tapalovic-Rauswurf sei "das Krasseste, was ich in meiner Karriere erlebt habe. Ich hatte das Gefühl, mir wird mein Herz rausgerissen." Laut Neuers Aussage sei er "kalt und brutal erwischt worden". Nachvollziehbare Gründe seien Neuer bezüglich der Entscheidung nicht mitgeteilt worden, zudem habe er "keine Argumente gehört, die ausschließen, dass man miteinander hätte sprechen und die Dinge hätte klären können." Neuers ehrliche Aussagen haben eine Daseinsberechtigung, hätten aber intern geklärt werden müssen. Der Gang an die Medien war sicher wirksam, aber der falsche Weg.

Die Antwort der Münchner Verantwortlichen auf das nicht mit der Vereinsführung abgesprochene Interview ließ nicht lange auf sich warten: Sowohl Oliver Kahn als auch Sportvorstand Hasan Salihamidzic äußerten sich öffentlich zu Neuers Interviews und tragen die Schlammschalcht jetzt in der Öffentlichkeit aus. Ebenfalls ein Fehler. Der Vorwurf an Neuer, seine Argumente in der Öffentlichkeit breitzutreten, kann so auch an die Bayern-Bosse zurückgegeben werden. Ihre Aussagen befeuerten den Rummel weiter und waren für eine Abkühlung der Situation maximal kontraproduktiv. Zunächst hatte Kahn geäßert, Neuers Aussagen würden "weder ihm als Kapitän noch den Werten des FC Bayern gerecht", dann pflichtete Salihamidzic seinem Vorgesetzten umgehend bei: "Manuel hat seine persönlichen Interessen hier über die Interessen des Klubs gestellt." Neuers Aussagen kommen für die Bayern zur Unzeit, wie auch Kahn feststellte: "weil wir vor ganz wichtigen Spielen stehen." Seine öffentlichen Aussagen hinterfragte der Bayernboss vor den wichtigen Spielen allerdings nicht.

Bei den angesprochenen wichtigen Spielen handelt es sich für den Rekordmeister um eine Reihe von Partien. Neben dem Spitzenspiel gegen die formstarken Wolfsburger (ab 17:30 live bei Flashscore im Audiostream) steht nicht nur der Champions-League-Kracher gegen Paris Saint-Germain (am 14.02. um 21 Uhr, live bei Flashscore im Audiostream) auf dem Programm. Denn auch in der Liga steht man durch die angesprochene Ergebniskrise (3 Remis in Folge) unter Zugzwang: Union hat sich zwischenzweitlich die Tabellenführung geschappt und kommt in drei Wochen in die Allianz-Arena. 

Neuer hat den Bayern somit in einer sehr wichtigen Saisonphase also ein zweites Mal geschadet. Der Verein steht - mal wieder - im negativen Fokus der Öffentlichkeit und muss sich mit dem nächsten Problem, verursacht durch den deutschen Nationalkeeper, herumschlagen. Neuers Skitour samt Unterschenkelbruch kam zur Unzeit, seine Aussagen zu Tapalovic fühlen sich für die Chefetage wie ein weiterer Affront an. Wie viel Frust auf beiden Seiten involviert ist, wurde durch Salihamidzics Aussage deutlich, der nun "ein sehr wichtiges Thema mehr" mit Neuer zu besprechen habe. Es brodelt zwischen den Fronten. 

Neuer fühlt sich persönlich angegriffen, wurde ihm mit Yann Sommer nicht nur ein Ersatz für die Übergangszeit, sondern auch ein ernsthafter Konkurrent für die kommende Spielzeit vor die Nase gesetzt. Neuers Verletzung an sich wird logischerweise nicht zu guter Stimmung beigetragen haben. Tapalovics Aus brachte das bis dahin gut gefüllte Frustfass dann schließlich zum Überlaufen. In Tapalovic geht nicht nur Neuers Torwarttrainer, sondern auch ein enger Vertrauter, sein Trauzeuge und Urlaubsbegleiter. Wohl auch deshalb die deutlichen Worte des enttäuschten Neuers. Über elfeinhalb Jahre war Tapalovic auch ein großer Neuer-Unterstützer im Klub. Zwar beton(t)en die Verantwortlichen Neuers Status und seine Weltklasse, gerüstet wurde sich 2020 durch den Transfer von Alex Nübel allerdings schon für eine Zeit nach der Ära Neuer. 

Spielt in Monaco eine starke Saison: Alexander Nübel
Spielt in Monaco eine starke Saison: Alexander NübelAFP

Ein Grund für Nübels Flucht von Bayern nach Monaco war auch Tapalovic. Das Verhältnis galt als mindestens angespannt. Fokussiert auf Neuer, habe sich Tapalovic anschließend während Nübels Monaco-Zeit nicht bei ihm gemeldet, ließ Nübel Mitte Januar im sportstudio wissen. Ein Kommentar, der ebenfalls aus Bayernsixht nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sein sollte. Weiterhin ergänzte Nübel, dass eine Rückkehr zum Duo Neuer-Tapalovic für ihn nicht denkbar sei. Tapalovic ist nun nicht mehr da...

Dessen Qualitäten als Torwarttrainer bleiben unbestritten, sein Handling der Torhütersituation bei Bayern war jedoch zweifelsohne suboptimal. Ulreich hielt jahrelang die Füße still und meldete keine großen Ansprüche an, aber Nübel war und ist in dieser Hinsicht anders. Zurecht kritisierte er das freundschaftliche Verhältnis zwischen Neuer und Tapalovic, das beide laut eigenen Aussagen jedoch gut vom professionellen Alltag trennen könnten. Von außen betrachtet wirkt das jedoch eher zweifelhaft. 

Die Situation Neuers könnte im Sommer also noch heikler werden. Nie gab es Zweifel an Neuers Nummer-eins-Status. Ab Sommer wird dies aber wohl anders sein. Ohne Tapalovic und aus einer langwierigen Verletzung kommend wird Neuer um seinen Stammplatz kämpfen müssen, vielleicht sogar gegen zwei Konkurrenten.

Und dennoch: Für Neuer kommt momentan einiges zusammen: Die verpatzte WM samt One-Love-Thematik, anhaltende Kritik an seiner Person, seine sicherlich auch unglückliche Verletzung und dann eben das Tapalovic-Aus. Mit der Verpflichtung Sommers und dem Rausschmiss seines Freundes und Förderes hat Neuer vielleicht sogar das Gefühl, dass an seinem Stuhl gesägt wird. Er hat zweifellos das Recht frustriert zu sein, muss aber aufpassen, dass er nicht nur sich selbst, sondern auch die Bayern auf ihrer Triplemission nicht ins Seitenaus befördert. Wenn es so kommen sollte, haben auch Kahn und Salihamidzic durch ihre Aussagen mächtig dazu beigetragen, die Situation eskalieren zu lassen. Gewinner der Posse könnten schließlich Yann Sommer oder auch ein Alexander Nübel sein, der den Stein Tapalovic öffentlich erst so richtig ins Rollen brachte.