Noch ist da viel Konjunktiv in den Aussagen - und das kommt Wolfgang Maier gerade recht. Das "Gelabere" über Aicher und den Gesamtweltcup ist dem DSV-Sportvorstand lästig wie ein Tinnitus. "Ja", weiß auch Maier nur zu gut, als Allrounderin, die alle vier Disziplinen fährt, habe "sie die Voraussetzungen. Aber sie hat noch viele Baustellen." Das sieht auch Neureuther so: "Man muss ihr Zeit geben", mahnt er, aber was Aicher jetzt schon leiste, das sei "erstaunlich". Ist es in der Tat.
Was keiner abstreitet: Emma Aicher geht als große Hoffnung der Alpinen des Deutschen Skiverbandes (DSV) in den Olympia-Winter, der am Samstag mit dem Riesenslalom der Frauen auf dem Rettenbachgletscher hoch über Sölden beginnt (die Männer fahren am Sonntag). Ihre zwei Weltcupsiege im vergangenen Winter, je einer in der Abfahrt und im Super-G, waren die beiden einzigen deutschen. Sie hat auch schon eine olympische Silber- und eine bronzene WM-Medaille mit der Mannschaft gewonnen.
Aicher "weiß schon, was sie tut"
Aicher, geboren und aufgewachsen in Schweden, ist keine Frau der großen Worte. Bei der Saison-Präsentation ihres Ausrüsters in Sölden war nach einer Frage Schluss, beim folgenden Get-together des DSV nach immerhin zwei. "Ich bin halt so, ich rede nicht viel", sagt Aicher. Dass sich Menschen an dieser Verschlossenheit stören, stört wiederum sie nicht - wie sie vieles ohnehin nicht stört. "Ich bin ziemlich gut darin, ruhig zu bleiben und zu versuchen, meine Arbeit zu erledigen."
Aicher wohnt mittlerweile alleine in Thalgau bei Salzburg, das heißt: Sie ist Selbstversorgerin. Was gut zur Auffassung von Maier passt. Er sagt: Sportlerinnen und Sportler müssten mehr Eigenverantwortung für sich und ihr Handeln übernehmen, es reiche nicht mehr, einfach nur zu tun, was die Trainer vorgeben. Im Umkehrschluss wünscht er sich, dass die Trainer auf die Bedürfnisse der Aktiven eingehen. Aicher, betont Maier, "ist ein cleveres Mädel. Die weiß schon, was sie tut."
Ziel: Der Gesamtweltcup
Wobei, auch Aicher, sagt Maier, "braucht schon Eckpfeiler. So ist es nicht. Weil sonst ist die Emma unterwegs. Dann gibt es Party und was weiß ich was." Das sei jetzt nicht schlimm, "zum harten Arbeiten gehört auch Feiern dazu, aber man muss es richtig einordnen". Das bedeutet für die Trainer: Aicher soll nicht in ein Schema gepresst werden, "ihre Schlampigkeit und ihr Laissez-faire musst du aushalten in dem Sport. Sie soll nur verstehen, wann kann ich über die Stränge schlagen und wann nicht."
Denn eines dürfe Aicher auf gar keinen Fall verlieren, sagt Maier: Den ungebremsten Spaß am Skifahren, ihre Lust, alle vier Disziplinen zu fahren. Womit man doch wieder beim Gesamtweltcup ist. Ist der auch für sie nicht mal ein Ziel? Aichers Antwort: "Jo."
