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"Happy Lipo" nach der nächsten Gala: Traum vom Tour-Podest plötzlich real

Lipowitz ist aktuell sechs Sekunden vom Podium der Tour de France entfernt
Lipowitz ist aktuell sechs Sekunden vom Podium der Tour de France entferntLoic VENANCE / AFP
Florian Lipowitz lag völlig ausgepumpt auf seinem Lenker und schnappte in der Gluthitze von Peyragudes nach Luft. Doch dann wich die Erschöpfung blitzschnell der puren Euphorie. "Die letzten Meter haben sich angefühlt wie eine Ewigkeit. Jetzt könnte ich nicht glücklicher sein", sagte "Happy Lipo", nachdem er bei der nächsten Gala von Superstar Tadej Pogacar das deutsche Tour-de-France-Märchen fortgeschrieben hatte: Der Traum vom Podest wird ganz real.

"Ich will nicht zu weit nach vorne schauen, aber es ist alles möglich", sagte Lipowitz. Während der Slowene Pogacar nach einer neuerlichen Machtdemonstration wohl nur noch von höheren Mächten auf dem Weg zum vierten Toursieg gestoppt werden kann, stürmte der 24 Jahre alte Ulmer auf den brutalen 10,9 km zum Pyrenäen-Gipfel auf Rang vier. Er hängte Olympiasieger Remco Evenepoel weit ab - und liegt nun nur noch sechs Sekunden in der Gesamtwertung hinter dem drittplatzierten Belgier zurück.

"Ich wollte keine Zeit verlieren, jetzt habe ich Zeit gutgemacht", sagte der deutsche Aufsteiger, der schon am Vortag beim ersten Klettertag an der französisch-spanischen Grenze mit den weltbesten Kontrahenten mitgehalten hatte - das Tour-Debüt des Ulmers verläuft traumhaft, am Samstag beim nächsten Bergspektakel winkt schon das Weiße Trikot des besten Jungprofis.

Über eine Minute Vorsprung auf Roglic

"An morgen habe ich heute nicht gedacht", sagte Lipowitz, der nur eine gute halbe Minute auf seinen Teamkollegen Primoz Roglic, 2021 Olympiasieger im Zeitfahren, verlor: "Ich bin einfach immer Vollgas gefahren, obwohl die letzten beiden Kilometer unglaublich hart waren."

Mit der letzten, bis zu 16 Prozent steilen Rampe auf dem Flugfeld von Peyragudes hatte bei 36 Grad auch Pogacar zu kämpfen. "Ich dachte, ich platze da", sagte der Superstar. Tat er natürlich nicht, sondern siegte mit 36 Sekunden Vorsprung auf seinen Widersacher Jonas Vingegaard. Roglic lag als Dritter 1:20 Minuten zurück, Lipowitz 1:56 - der schwer geschlagene Evenepoel satte 2:39.

Pogacar in eigener Dimension

"Dieses Zeitfahren war seit dem Winter ein riesiges Fragezeichen für mich", sagte Pogacar, "aber alles hat perfekt geklappt." 4:07 Minuten liegt er nun vor Vingegaard, der mit Evenepoel (+7:24) und vor allem Lipowitz (+7:30) wohl nur noch um Platz zwei und drei kämpft.

Doppel-Olympiasieger Evenepoel, der Sieger des flacheren ersten Tourzeitfahrens auf der fünften Etappe, war wie Vingegaard auf einem Zeitfahrrad unterwegs. Lipowitz' möglicher Konkurrent im Kampf ums Podium in Paris startete gut, büßte dann aber im steilen Stück ordentlich Zeit ein. Er wurde am Ende gar von Vingegaard überholt und verpasste eine Top-10-Platzierung.

"Einfach schlecht": Evenepoel verzweifelt an seiner Form

"An einem solchen Tag sollte ich unter den ersten Drei landen, aber es war einfach schlecht", sagte der Belgier zum nächsten heftigen Rückschlag: "Ich hoffe, dass es keine besondere Erklärung dafür gibt - dass ich nur ein paar schlechte Tage hatte und morgen (Samstag, d. Red.) nicht mehr", so Evenepoel nach seinem zwölften Platz im Zeitfahren

Am Samstag könnte er auf dem dritten von drei Teilstücken in den Pyrenäen sowohl den dritten Rang als auch sein weißes Trikot des besten Jungprofis an Lipowitz verlieren. Die 182,6 km von Pau nach Luchon-Superbagnères auf der 14. Etappe führen unter anderem über den legendären Col du Tourmalet.

Angesprochen auf die Topform von Lipowitz, der als erster Deutscher seit Andreas Klöden 2006 das Tourpodium in Paris erreichen könnte, reagierte Evenepoel schnippisch. "Es war einfach schlecht, alles andere interessiert mich nicht", sagte der 25 Jahre alte Ausnahmefahrer.