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"Tennis never stops": Die mentalen Herausforderungen einer zehrenden Tour

Alexander Zverev leidet mental unter den Tücken der Tour.
Alexander Zverev leidet mental unter den Tücken der Tour.ČTK / AP / Andy Wong

Die Tennisprofis ächzen unter der großen Belastung der langen Saison. Gerade mental müssen viele von ihnen andauernden Herausforderungen trotzen.

Alexander Zverev öffnete sich in diesem Sommer und sprach von "Leere, Einsamkeit und fehlender Freude". Auch Carlos Alcaraz verspürte schon die Last "emotionaler Herausforderungen", und Iga Swiatek setzt sich seit Jahren für einen bewussteren Umgang mit der psychischen Gesundheit ein: Kaum eine Sportart verlangt seinen Profis auch in dieser Beziehung mehr ab als das Tennis.

"Gerade von der mentalen Seite her, von der Fokussierung und Konzentration ist es sehr intensiv", sagt der frühere Davis-Cup-Kapitän Patrik Kühnen im Gespräch mit dem SID. Die Matches zu spielen, die Turnierreisen, die Herausforderungen, die damit einhergehen, seien der eine Punkt. Hinzu kommen die Herausforderungen in den Duellen in ständig anderen Zeitzonen und die klimatischen Bedingungen.

Kühnen, einstiger Profi und heutiger Trainer sowie TV-Experte, der bei Sky die Turniere der ATP-Tour begleitet, beschäftigt sich seit langer Zeit mit der Rolle des Kopfes. Und die ist enorm groß. "Alle sind fit, alle haben eine großartige Vorhand und Rückhand", sagt auch Novak Djokovic. Nicht die Kraft und nicht allein die Technik entscheiden über die ganz großen Erfolge. "Tennis ist ein mentales Spiel", so Djokovic. Oder wie Boris Becker sagt: Tennis wird "zwischen den Ohren" entschieden.

Große Triumphe sind also kaum möglich, wenn sich die Psyche nicht im Gleichgewicht befindet. Das emotionale Gepäck bewusst abzuladen und sich neu auf kommende Aufgaben auszurichten, ist von großer Bedeutung in einer Szene, die sich enorm auslaugend anfühlen kann. Der Ausspruch "Tennis never stops" beschreibt das Tourleben gut.

"Prozess des Verarbeitens"

Auch Zverev schenkt der mentalen Arbeit mittlerweile mehr Beachtung als in früheren Phasen seiner Karriere. Nach seiner bemerkenswerten Pressekonferenz in Wimbledon, bei der er selbst von Problemen sprach, nahm er laut eigener Aussage professionelle Hilfe in Anspruch, um ein "kleines Burnout" behandeln zu lassen, und fühlte sich zuletzt trotz weiter ausbleibender Ergebnisse schon wieder besser.

"Ich fand es mutig, frei darüber zu sprechen und das, was er fühlt und empfindet, einfach auch mal nach außen zu tragen", sagt Kühnen: "Das ist ja auch ein Prozess des Verarbeitens."

Es gehe beim bewussten Umgang mit den mentalen Herausforderungen zunächst oft um "eine gute Balance zwischen Belastung und auch Entspannung", meint Kühnen. Es gelte zu erkennen, wann der Körper oder der Geist eine Auszeit brauchen. "Keine Zwangsauszeit aufgrund von einer Verletzung, sondern eine von mir selbst gewählte Auszeit, um einfach aufzutanken."

Zverev hat nach den schwierigen Momenten in diesem Jahr Anpassungen vorgenommen. Er suchte in Trainingseinheiten mit Toni Nadal neuen Input. Nach den neuesten Rückschlägen gilt es für ihn, sich mit Blick auf die neue Saison neu zu fokussieren. Einen Weg zurück zu finden zur Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit in seinem Spiel. Die Basis dafür ist psychische Gesundheit und darauf aufbauend eine mentale Balance, die ihm neue Erfolge ermöglicht.