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Post-Boll-Ära beginnt: Generationswechsel light vor WM in Doha

Dang Qiu (l.) und Benedikt Duda vertreten Deutschland bei der Tischtennis-WM in Doha
Dang Qiu (l.) und Benedikt Duda vertreten Deutschland bei der Tischtennis-WM in DohaMalte Ossowski/SVEN SIMON / SVEN SIMON / dpa Picture-Alliance via AFP / Profimedia
Timo Boll stand international noch mit über 40 an der Platte, und dieser lange Atem wirkt offenbar nach. Bei der Einzel-WM in Doha gehören nur drei U30-Spieler zum zehnköpfigen Aufgebot des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB), darunter die 18 Jahre alte Junioren-Weltmeisterin Annett Kaufmann. "Wir wollen verjüngen, keine Frage, und der Prozess ist auch eingeläutet", sagte DTTB-Sportvorstand Richard Prause dem SID: "Das impliziert, dass man eine WM mit einer ganz jungen Mannschaft spielen kann, aber nicht notwendigerweise spielen muss."

Das gilt rund ein Jahr nach dem internationalen Abschied von Boll mit damals 43 Jahren besonders für das WM-Team von Männer-Bundestrainer Jörg Roßkopf. "Für diese WM haben wir uns für Aufgebote mit den absolut Besten entschieden", sagte Prause - also eben nicht für den Nachwuchs.

Im Top-20-Quartett ist der 28 Jahre alte Ex-Europameister Dang Qiu als Nummer eins schon der Jüngste. Das Durchschnittsalter liegt bei den Männern mit dem Rest der "Generation Boll" wie auch den Frauen über 32 Jahre. Jugend forscht? Fehlanzeige - zumindest in Katar.

Boll begrüßt Kurs des DTTB

Für Boll ist die Nominierung seiner langjährigen Weggefährten - außer Qiu auch Patrick Franziska (32), Dimitrij Ovtcharov (36), Benedikt Duda (30) und Ricardo Walther (33) - keine Überraschung. "'Rossi'", sagte der EM-Rekordsieger im SID-Gespräch über den Bundestrainer, "zählt internationale Ergebnisse und Trainingseindrücke zusammen. Er schenkt keinem jüngeren Spieler etwas, und das ist gut so. Man muss eben mit Leistung überzeugen."

Das ist den offenbar nur mäßig drängenden Talenten nach Olympia lediglich mit überschaubarem Erfolg gelungen. Kay Stumper (22) und Fanbo Meng (24) etwa, vor drei Jahren schon Mannschafts-Vizeweltmeister, stagnieren seit geraumer Zeit. Die beste Perspektive besitzt momentan Andre Bertelsmeier (19): Der angehende Bundesliga-Spieler kam im Herbst als Debütant bis ins EM-Achtelfinale, bewies danach im Unterhaus Konstanz und gewann erst am Wochenende bei der U21-EM in Bratislava erneut Bronze.

Das Turnier in der Slowakei stuften Prause und Roßkopf für Bertelsmeiers Entwicklung wertvoller ein als eine mögliche WM-Teilnahme. "Wir wollen die jungen Spieler in Position bringen - aber mit Bedacht", erläuterte Prause.

Generationswechsel "light" - Hoffen auf Doppel

Roßkopf hält Medaillen ohne Boll, der auch seine Vereinskarriere nach dieser Saison beendet, für "nicht mehr selbstverständlich", sieht jedoch im Mix der Generationen den geeigneten Weg zur Verhinderung eines völligen Absturzes nach Jahrzehnten voller Erfolge: "Ich bin optimistisch, dass wir den Wechsel schaffen können, ohne in ein Loch zu fallen wie früher die großen Nationen Ungarn und Schweden", sagte der frühere Weltmeister dem SID.

Prause will deshalb auch nicht von Umbruch sprechen: "Das klingt, als ob wir alle älteren Spieler aussortieren wollten. Wir machen aber in einem Übergang mit ruhiger Hand den Kreis weiter und behalten uns vor, nicht immer nur nach Rangliste zu nominieren." In Doha jedoch sind ab Samstag einmal mehr (noch) die Routiniers gefordert: Das Doppel Franziska/Ovtcharov gilt zwei Jahre nach seinem Bronze-Coup als größte DTTB-Hoffnung. "Da", sagte Franziska, "sind unsere Medaillenchancen wohl am besten."