Wenn man sich im Videospiel NBA2k einen perfekten Basketballer zusammenbasteln würde, er sähe vermutlich aus wie Victor Wembanyama: 2,21 Meter lang, 2,44 Meter Spannweite, ein dominanter Verteidiger und offensiv nicht zu stoppen. Der 18-Jährige gilt schon jetzt als sicherer Nummer-eins-Pick beim NBA Draft im kommenden Jahr.
Dabei spielt Victor Wembanyama nicht auf der großen Bühne. Sein Team, die Metropolitans 92, tragen ihre Heimspiele in einer 4.000 Zuschauer fassenden Mehrzweckhalle vor den Toren von Paris aus. Vor der Saison wechselte Wembanyama vom EuroLeague-Club ASVEL zu den Metropolitans, die ausschließlich in der französischen Liga spielen. Was wie ein sportlicher Rückschritt aussah, hat sich für das Talent als Glücksgriff herausgestellt. Von einem Rollenspieler hat sich Wembanyama zum besten Punktesammler (23,6), Rebounder (9,4) und Blocker (2,8) der französischen Liga entwickelt.
Statt zwei Partien pro Woche wie bei ASVEL (national und international), kann er sich nun auf ein Ligaspiel konzentrieren und hat Zeit, sich individuell weiterzuentwickeln. Tabellenführer Monaco bezwang die Metropolitans am Sonntag erst in der Verlängerung (95:82). Wembanyama sammelte 27 Punkte, elf Rebounds. Für die französische Nationalmannschaft gab der Riese unlängst ein umjubeltes Debüt (19 Punkte gegen Litauen).
Guard im Körper eines Centers
"Er kann eigentlich alles", betont ALBA-Sportdirektor Himar Ojeda in unserem exklusiven Flashscore-Interview. Wembanyamas Bewegungen und Würfe erinnern an Kevin Durant, seine Blocks an Landsmann Rudy Gobert. Bei zwei Freundschaftsspielen seiner Mannschaft in Las Vegas im Oktober verzückte das Wunderkind die US-Zuschauer mit 36,5 Punkten im Schnitt. Seitdem überträgt die NBA jedes Spiel seiner französischen Mannschaft live.
Sucht man Schwachstellen, muss man bei seiner größten Stärke ansetzen. Wembanyamas enorme Körpergröße könnte sich im Laufe seiner Karriere auch als Last herausstellen. In der 75-jährigen Geschichte der NBA waren nur 26 Spieler 2,20 Meter groß oder größer. Yao Ming, Greg Oden, zuletzt Chet Holmgren: Viele Riesen vor ihm plagten sich mit Verletzungen herum. Der enge Terminkalender der NBA gibt Spielern kaum Verschnaufpausen.
Das Risiko werden aber wohl alle NBA-Verantwortlichen gerne eingehen. Immerhin winkt das größte Talent seit LeBron James. Die Wahrscheinlichkeit, dass Wembanyama im Juni beim Draft an erster Stelle gewählt wird, liegt bei 99,9 Prozent. Wer das große Los zieht, entscheidet sich bei einer Lotterie, bei der die schlechtesten NBA-Teams die besten Chancen haben. Die Detroit Pistons, Charlotte Hornets und die Orlando Magic würden sich über ein Einhorn aus dem Weltall freuen.