Mehr

WM-Hoffnung Andreas Wellinger: Skispringen zwischen "Genie und Wahnsinn"

Andreas Wellinger traut sich Edelmetall bei der WM zu.
Andreas Wellinger traut sich Edelmetall bei der WM zu.ČTK / imago sportfotodienst / BEAUTIFUL SPORTS/Erlhof
Andreas Wellinger lässt sich die WM-Stimmung nicht vermiesen, auch nicht von der rasanten Talfahrt der vergangenen Wochen. "Schattenseiten? Ich bin mal im FIS-Cup im ersten Durchgang ausgeschieden", sagt der Skisprung-Olympiasieger, "deswegen scheint für mich immer die Sonne." Und das gelte eben auch für die Titelkämpfe in Trondheim, wo Wellinger am Wochenende auf eine Auferstehung hofft.

Schließlich weiß er, wie es geht: Im Januar 2021 war Wellinger in der dritten Skisprung-Liga auf Rang 45 gelandet, weit hinter DSV-Kollegen wie Adrian Sell, Moritz Baer oder Justin Lisso. Es war die Zeit nach seinem Kreuzbandriss, doch zehn Monate später war er wieder in den Top 10 des Weltcups. "Ich habe in meiner Karriere also schon deutlich Schlimmeres erlebt als jetzt", sagt der 29-Jährige.

In Trondheim aber, das weiß auch er, wäre eine Einzelmedaille ein Wunder. "Wir sind definitiv nicht die Favoriten", sagt Wellinger vor der Entscheidung von der Normalschanze am Sonntag 17.00 Uhr (ZDF und Eurosport). Und will dennoch nicht aufgeben. "Wenn man das Quäntchen Glück hat, können wir Medaillen gewinnen. Dafür muss aber viel zusammenpassen."

"Bin nicht Lichtjahre entfernt"

Wellinger wäre ein solches Wunder am ehesten zuzutrauen. Im Vorjahr war er Vierter auf der kleinen Schanze in Trondheim, und auch zuletzt ließ er sein Können zumindest ab und an aufblitzen. Im Mixed-Springen von Lake Placid etwa ließ er Tournee-Sieger Daniel Tschofenig (Österreich) und den Norweger Johann Andre Forfang hinter sich, bei der WM-Generalprobe in Sapporo lag er nach dem ersten Durchgang auf Rang vier.

"Ich weiß, dass es in mir steckt. Ich bin nicht Lichtjahre entfernt", sagt Wellinger. Skispringen sei eben manchmal rätselhaft: "Warum gewinnt man heute und morgen nicht mehr? Das ist wie bei Genie und Wahnsinn." Auch Bundestrainer Stefan Horngacher hat Wellinger noch auf der Rechnung: "Er ist in Sapporo technisch gut gesprungen, ist nicht so weit weg. Das hätte auch fürs Podest reichen können."

Gerade die selten genutzten kleinen Schanzen liegen Wellinger. Seinen Olympiasieg 2018 in Pyeongchang holte er vom kleinen Bakken, bei den Weltmeisterschaften 2017 und 2023 reichte es jeweils zu Silber. Weil die Abstände klein sind und jeder Meter viel ausmacht, könnte mit etwas Glück vielleicht doch etwas in Richtung Treppchen gehen.

Aufgeben wird Wellinger jedenfalls nicht, schon gar nicht bei der WM. "Irgendwann geht es wieder auf. Es ist eine Frage der Geduld", sagt das Stehaufmännchen aus Ruhpolding: "Wir sind davon überzeugt, dass wir dahin kommen, wo wir schon waren. Wenn das nicht so wäre, könnten wir gleich die Ski an den Nagel hängen."