Franz Wagner schlenderte im schwarzen T-Shirt mit der Aufschrift "World Champions" durch die Lobby des Teamhotels in Riga. Auf der Jagd nach dem ersten deutschen EM-Gold seit 32 Jahren wirkte der Basketball-Weltmeister entspannt, von einem Durchmarsch ins Endspiel wollte er vor dem Halbfinale gegen Außenseiter Finnland aber nichts wissen. Der Kantersieg aus der Gruppenphase ist längst vergessen.
"Das Spiel, das passiert ist, zählt nicht mehr. Das muss aus den Köpfen raus, damit wir wieder neu angreifen", sagte Wagner bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Bis zur Vorschlussrunde am Freitag (16.00 Uhr/RTL und MagentaSport) gegen die Finnen habe Deutschland "ganz gut gespielt, aber ich glaube, wir haben noch ein paar Level, die wir erreichen können."
Auch Kapitän Dennis Schröder erstickte jeden Anflug von Selbstgefälligkeit im Keim. "Wir dürfen das Spiel nicht auf die leichte Schulter nehmen", warnte der Anführer. Dabei dürfte ihnen womöglich ein bitteres olympisches Déjà-vu helfen.
Erinnerungen an Olympia-Aus
Vor dem Showdown in Riga gegen den finnischen Co-Gastgeber, – den Deutschland in der Gruppenphase vor dessen eigenem Publikum in Tampere mit 91:61 demontiert hatte – sah sich Daniel Theis in der Zeit zurückgeworfen: "Wir hatten bei Olympia im letzten Jahr eine ähnliche Situation. Wir haben Frankreich vor eigenen Fans geschlagen und haben dann im Halbfinale gegen sie verloren."
Diese Niederlage in Paris, als die Weltmeister sich selbst um eine Medaille brachten, obwohl sie die bessere Mannschaft waren, hat sie gebrandmarkt - aber auch einen unstillbaren Hunger geweckt. "Wir verlieren den Glauben nicht", sagte Franz Wagner: "Wir haben schon genug Spiele in wichtigen Momenten verloren, die wir hätten gewinnen sollen. Diese Stachel sitzen noch ein bisschen tief. Daher kommt die Motivation."
Wie damals die Franzosen, so Theis, werden die Finnen um NBA-Star Lauri Markkanen am Freitag (16 Uhr/RTL und MagentaSport) nach einer "Revanche" trachten.
"Wir haben gegen sie zu Hause vor ihrem Publikum mit 30 Punkten gewonnen. Das werden sie im Hinterkopf haben", sagte der frühere NBA-Center. Ein mahnendes Beispiel dürfte den Deutschen Gold-Anwärter Serbien sein, den die Finnen im Achtelfinale überraschend ausgeschaltet hatten.
Match-Center: Finnland vs. Deutschland
EM-Gold ist das große Ziel
Dennoch sind Schröder und Co. erneut klarer Favorit, alles andere als der dritte Finaleinzug nach 1993 und 2005 wäre eine große Überraschung. Dann ginge es gegen Griechenland oder die Türkei, doch das ist den Deutschen nicht genug.
Suche nach Anerkennung: Kapitän Schröder und der Vergleich mit Nowitzki
"Wir haben noch zwei Siege bis zu unserem großen Ziel", sagte Theis. Nach EM-Bronze 2022 und WM-Gold 2023 strahlt die aktuelle Generation ohnehin schon so golden wie nicht einmal zu besten Nowitzki-Zeiten. Das nächste Gold wäre keine Sensation mehr wie in Manila, es wäre folgerichtig.

Da Silvas Geniestreich
Dabei ist es beeindruckend, wie die Deutschen auch in diesem Turnier Widerständen trotzen. Weder die Erkrankung von Bundestrainer Álex Mumbrú noch die 39-Punkte-Gala von Sloweniens Superstar Luka Doncic im Viertelfinale am Mittwoch (99:91) konnten sie stürzen.

Sowohl gegen die Slowenen als auch im Achtelfinale gegen Underdog Portugal kämpften sie sich nach Rückstand im Schlussviertel zum Sieg. Gegen Doncic und Co. war es ein Dreier von Tristan da Silva von der Mittellinie mit der Schlusssirene des dritten Viertels, der das Momentum drehte.

Finnland ein unangenehmer Gegner
Und doch offenbarten die Slowenen Schwächen im deutschen Spiel, die Dreier fielen wieder lange nicht und auch beim Rebounding hatte der Europameister von 2017 gerade zu Beginn die Oberhand.
Letzteres könnte auch gegen Markkanen eine Herausforderung werden. "Die gehen auch sehr viel ans offensive Gas. Wir müssen aufpassen und ausboxen. Das haben wir gegen die Slowenen nicht gut gemacht", sagte Schröder. Und dennoch lebt der Traum von Gold.