Flashscore zu Besuch beim "Kopfballungeheuer" - HSV-Legende Horst Hrubesch im Porträt

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Flashscore zu Besuch beim "Kopfballungeheuer" - HSV-Legende Horst Hrubesch im Porträt
Horst Hrubesch nahm sich viel Zeit, um Flashscore von seiner Karriere beim HSV zu erzählen.
Horst Hrubesch nahm sich viel Zeit, um Flashscore von seiner Karriere beim HSV zu erzählen.Briese
Als "der Lange" Horst Hrubesch 1978 aus Essen zum Hamburger SV wechselte, gab es viel Kritik hinsichtlich eines möglichen Fehleinkaufs. Heute weiß jeder Fan des Traditionsvereins, dass Hrubesch den Verein geprägt hat, wie kaum ein Spieler es beim HSV bewerkstelligen konnte. "Manni Banane, ich Kopf - Tor" ist ein Fußballzitat, welches sich bis heute konserviert hat und ebenso direkt und offen ist der Kult-Stürmer auch heute. Im Porträt schauen wir zurück auf die Karriere Hrubeschs bis zu seinem heutigen Engagement als Nachwuchsleiter des HSVs.

Mit einem freundlichen Lächeln und einem typisch direkten "so, was wollt ihr von mir haben" betritt Horst Hrubesch den Raum für das Interview mit Flashscore.de. Auch heute nimmt der 72-Jährige kein Blatt vor den Mund und spricht so, wie ihm selbiger gewachsen ist. Ehrlichkeit macht ihn aus und brachte ihn dahin, wo er heute steht.

Die Geschichte des mehrfachen deutschen Meisters beim Hamburger SV begann im Jahr 1978, als er den Weg von Rot-Weiss Essen in die Hansestadt fand. Sein Einstieg in den Profi-Fußball wurde erst im Alter von 24-Jahren durch den Bruder von Trainer-Legende Werner Lorant geebnet. Dieser war Hrubeschs Mitspieler beim SC Westtünnen und sagte dem gelernten Dachdecker: "Das was die bei Essen können, kannst du auch." Der damalige Trainer des einstigen Bundesligisten, Didi Ferner, wollte den bulligen Stürmer auch gerne haben, wechselte jedoch kurz nachdem dieser ins dortige Training einstieg.

Gerne denkt Hrubesch an seine Profikarriere zurück.
Gerne denkt Hrubesch an seine Profikarriere zurück.Briese

Ferner fragte Hrubesch, ob er "nicht mit von Essen nach Wuppertal kommen wollte." Doch "Hotte" hatte bereits vor der beeindruckenden Kulisse der Essener gespielt. "Ich kannte Essen bereits und wollte gerne hier bleiben, mit Willi Lippens, Werner Lorant, Günther Neuss und wie sie alle heißen, hatten wir dort auch eine sehr gute Mannschaft", erinnerte Hrubesch sich an die Anfangszeit im deutschen Oberhaus. "Im Jahr, wo ich kam, sind wir 7. geworden und ich habe direkt 18 Tore geschossen." 

Als Hrubesch "Gott sei Dank nach Hamburg" ging

Als es im zweiten Jahr beim Kultverein aus Nordrhein-Westfalen dann in die 2. Bundesliga ging, schoss Hrubesch bereits 21 Buden und hatte ein Angebot des Hamburger SV vorliegen. Treibender Keil dabei war sein guter Freund und ehemaliger Teamkollege Gerd Wieczorkowski, der ihm sagte: "Langer, wenn du wechselst, dann komm nach Hamburg." Doch der Stürmer war ein Mann mit eigenen Prinzipien und wollte dem Verein, der ihm die Chance im Profi-Fußball gegeben hatte, etwas zurückgeben und entschied sich, zu bleiben. "Sie haben mir geholfen, also helfe ich ihnen jetzt wieder aufzusteigen", so war laut Hrubesch damals sein Gedankengang. Zwar stellte er mit 41 Toren einen bis heute unerreichten Rekord in der zweiten Liga auf, doch am Ende scheiterte Essen in der Relegation.

Ehrlichkeit als Philosophie - Horst Hrubesch auch im Interview komplett offen.
Ehrlichkeit als Philosophie - Horst Hrubesch auch im Interview komplett offen.Briese

Diese wollte der Spitzenspieler jedoch auch noch in Ruhe bestreiten, bevor es zu einem Wechsel kam. Eintracht Frankfurt war zu diesem Zeitpunkt bereits in Gesprächen um einen Transfer. Jedoch hatte "Hotte" eine Bedingung. "Ich spiele erst Relegation mit Essen und dann dürft ihr den Wechsel verkünden", sagte er damals bei der Unterzeichnung. Eine Abmachung, die die Hessen sofort brachen. Bereits im Auto habe Hrubesch über das Radio gehört, wie sein Wechsel bekanntgegeben wurde.

Damit war alles Unterschriebene für ihn hinfällig. "Wer mich kennt, weiß, dass für mich der Zug in diesem Moment abgefahren war", bemerkte er zu diesem Exkurs in die Vergangenheit. Im Nachhinein habe er "mit Günther Netzer alles besprochen und geregelt", wodurch er dann "Gott sei Dank nach Hamburg gegangen" sei. Auch hier dankt er heute noch seinem Freund "Witsche", wie er im Gespräch mit Flashscore erzählte: "Ich hoffe er guckt gerade von oben zu - du hast recht gehabt."

Es passte auf Anhieb

Für Hrubesch war es beim Wechsel 1978 höchste Priorität, ein "ehrliches Umfeld" zu haben. Denn genauso war er es aus seiner Zeit bei Essen gewohnt. Beim HSV habe es dann "von Anfang an direkt gepasst." Dies war der Beginn einer persönlichen Erfolgsgeschichte im Herzen des Nordens. Das Mannschaftsgefüge sei wie eine Familie gewesen. Man saß nach den Spielen zusammen, unternahm viel miteinander und jeder stand für jeden ein. Eine Philosophie, die dem Neuzugang genau ins Konzept passte. 

Hermann Rieger ist immer noch bei seinem HSV.
Hermann Rieger ist immer noch bei seinem HSV.Profimedia

Doch eine Sache wollte Hrubesch im Gespräch besonders hervorheben: „Was wir hatten und kein anderer Verein in dieser Art hatte, war Hermann Rieger. Er war die Seele des Vereins, das muss man ganz klar sagen. Es war hier eine Wohlfühloase für uns Spieler, er hat alles für uns gemacht.“ Der Kult-Masseur hatte insgesamt 26-Jahre beim HSV verbracht, nach seinem Tod 2014 ist er auch noch heute als Bronzestatue am Nord-Ost-Eingang des Volksparkstadions immer in der Nähe seines Herzensvereins. 

Selbst der vor kurzem verstorbene Franz Beckenbauer hatte "großen Respekt vor Hermann Rieger" und verdankte ihm vieles. Bbis zu Riegers Ableben haben sich ehemalige Teamkollegen - besonders Felix Magath - rührend um die Vereinslegende gekümmert. Laut Hrubesch ein Paradebeispiel für den Zusammenhalt in der Mannschaft: "Wir haben für einander eingestanden, das muss man ganz klar sagen."

Ehrlicher Fußball und gegenseitiges Anheizen

Mit einem Lächeln dachte Hrubesch an diese Zeit beim Hamburger SV zurück: „Die Mannschaft war wie eine Familie, der eine hat den anderen unterstützt und so haben wir auch Fußball gespielt.“ Man wäre sich damals für "nichts zu schade" gewesen. Da wurden dann auch nach dem Training Extraschichten mit Kaltz und Memering geschoben, denn für sie wäre es damals wichtig gewesen "einfach zu wissen, besser zu werden, das war der große Anreiz.“ 

Die Einstellung von Horst Hrubesch sucht seinesgleichen.
Die Einstellung von Horst Hrubesch sucht seinesgleichen.Briese

In den Saisons 1979/1980 und 1980/81 landeten die Rothosen jeweils nur auf dem zweiten Platz in der Tabelle. Damalas appellierte der Sturmriese an die Einstellung, welche damals in den Köpfen der Mannschaft (vor allem seinem eigenen) steckte: "Wir haben gesagt, wir nehmen es, du kannst drei Wochen sauer sein, wenn die Saison vorbei ist und dann fängst du bei null an." Eine Ansicht, die heutzutage ihresgleichen sucht und wohl auch ein Erfolgsrezept der damaligen Spitzenmannschaft gewesen ist. Auch die punktuellen Verstärkungen der Führungsetage passten wie die Faust aufs Auge: "Ob es ein Lars Bastrup, ein Thomas von Heesen oder sonst jemand war. Sie kamen her und wurden von uns integriert.“ 

Laut Hrubesch war es einfach das Jugendliche, was den HSV damals stark machte und ihn motivierte, weiterhin sein Bestes zu geben. Man habe, "wie als Kind einfach nur Fußball gespielt und Spaß daran gehabt." Um in diesem Sport erfolgreich zu sein, habe man diesen "Spaß behalten müssen", auch wenn man sich "dabei quälen" musste.

Der österreichische Kulttrainer

Als im Juli 1981 Ernst Happel zum Hamburger SV wechselte und Branko Zebec seines Traineramts beerbte, empfand Hrubesch es so, als würde "da gerade die Sonne aufgehen. Es war eine Aura vorhanden" bei der er "erstmal durchschnaufen" musste. Mit ihm wurde laut dem "Kopfballungeheuer" anderer Fußball gespielt. Er erinnerte dabei an ein Freundschaftsspiel, in dem sein Team bereits mit 3:0, 4:0 führte und Happel weiterhin an die Mannschaft appellierte: "Meine Herren da drüben steht das Tor, schießen Sie Tore." 

Kult-Trainer Ernst Happel mit der Meisterschale. Kapitän Hrubesch rechts daneben.
Kult-Trainer Ernst Happel mit der Meisterschale. Kapitän Hrubesch rechts daneben.Profimedia

Eine Philosophie, die wie zugeschnitten auf den Torjäger war, der in seinen ersten Saisons 13, 21 und 17 Treffer für die Hamburger erzielte. In der Premieren-Saison von Happel netzte er in 32 Partien 27-mal ein und konnte sich damit den Titel als Torschützenkönig sichern. Damit hatte er einen enorm großen Anteil an dem Meistertitel der Hamburger, den sie das erste Mal nach seinem Debüt 1978/1979 wieder in die Hansestadt holen konnten. Mit 94:45 Toren spiegelte sich der offensive Fußball des österreichischen Coaches auch im Endresultat wieder, das Team war beinahe am Höhepunkt.

Damit man sich zur damaligen Zeit endgültig in den Fußball-Olymp bewegen konnte, musste aber auch der Europapokal der Landesmeister her. Auch hier reagierte Horst Hrubesch in unserem Gespräch mit seiner gewohnten Gelassenheit und ehrlichen Meinung, er erinnerte sich zurück an die Niederlage im Finale 1980 gegen Nottingham Forest. Man habe beim Warten am Flughafen gewartet. Da sah der Stürmer die Mannschaft von Nottingham mit "seinem" Pokal. Als das passierte, drehte er sich zu seinem Team um und sagte: "Den kriegen wir auch noch."

Ein Mann - ein Wort

Und genau das sollte geschehen, denn "der Lange", der inzwischen Kapitän der Rothosen war, stand immer zu seinem Wort. Als es in der Saison 1982/1983 bis ins Finale nach Athen ging und ein volles italienisches Stadion den Gegner Juventus Turin anheizen wollte, sei sein Team mit "Jogginganzügen im Stadion aufgetaucht." Dort habe Hrubesch dann schon einmal geschaut "wo der Weg ist", wo er "nachher den Pokal abholen" müsse. Ehrlich, direkt, aber keinesfalls arrogant - wie er nochmal selbst reflektierte: „Arroganz konnte ich mir eh nicht leisten, ich musste immer dafür arbeiten.“

Horst Hrubesch stand zu seinem Wort und durfte am Ende den Pokal in die Höhe reißen.
Horst Hrubesch stand zu seinem Wort und durfte am Ende den Pokal in die Höhe reißen.Profimedia

Es war ein Finale, in dem sich einmal wieder das Bild der geschlossenen Mannschaft zeigte, die alles in dieses Match warf.  „Da war keiner nach dem Spiel, der noch eine Verlängerung hätte spielen können, in dem Spiel haben wir alles in die 90 Minuten reingepackt und es gewonnen", sagte Hrubesch voller Demut über die damalige Leistung. Die Hamburger gewonnen mit 1:0 und sicherten sich den bis dato einzigen Pokal des größten Vereinswettbewerbs des europäischen Profifußballs. 

Doch wenig später sollte es das Ende der Spieler-Ära beim HSV sein, im Sommer 1983 ging es nach Lüttich, im Norden gab es Ersatz, doch er war dem HSV keinesfalls böse: „Irgendwann muss man verjüngen und jeder der damals gehört hat, Schatzschneider und Wuttke kommen, wird sich gedacht haben – super Besetzung. Ob die das dann auch auf den Platz bringen können, ist dann immer ein anderes Thema.“ Dieter Schatzschneider war damals ein ähnliches Zweitliga-Phänomen wie Hrubesch und mit seinen 25-Jahren deutlich jünger, doch ein würdiger Ersatz für das Kopfballungeheuer war er nie.

Nach 37 Jahren - Die Rückkehr in die Hansestadt

Ein Mann, der im Alter von 72 Jahren immer noch die jugendliche Energie versprühen kann, die es braucht, um den HSV wieder in die richtige Spur zu bringen. Er selbst kommentierte dies schmunzelnd: „Im Moment bin ich 72 und im April bin ich dann 73, manchmal muss ich mich da selbst mal schütteln, wie alt ich jetzt gerade bin.“ Im Juli 2020 kehrte der langjährige Coach der deutschen U-Nationalmannschaften zurück in den Norden, um als Leiter der Nachwuchsabteilung die richtigen Weichen für die Zukunft des Nordclubs zu stellen.

Eine wichtige Einstellung - die er schon auf dem Platz vertreten hatte und die er als Funktionär nun an sein Team weitergibt - stellte er im Gespräch mit Flashscore ebenfalls klar: „Wichtig ist es, Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. Die Leute sollen Entscheidungen treffen, das heißt auch Fehler zu machen und Fehler zuzulassen.“

Horst Hrubesch bei der HSV-Mitgliederversammlung am 14.01.2024.
Horst Hrubesch bei der HSV-Mitgliederversammlung am 14.01.2024.AFP

Worte, die man im schnelllebigen Geschäft des modernen Fußballs kaum noch hört. Jeder möchte immer höher, schneller, weiter. Ein mehrfacher deutscher Meister und Torschützenkönig, der alle auf den Boden der Tatsachen holen kann war ein Segen für den Zweitliga-Club, der gerne schnellstmöglich die Rückkehr ins Oberhaus schaffen möchte.

Seine knallharte und direkte Art kommuniziert er auch dem Nachwuchs gegenüber: „Dass sie eine Einstellung brauchen, dass die Talent haben, das wissen wir. Das Entscheidende ist, dass sie bereit sind Verantwortung zu übernehmen, auch Verantwortung für andere. Und das ist das, was am Ende für mich auch eine gute Mannschaft auszeichnet.“ Genau aus diesem Grund sei er nochmal zurückgekommen, weil Jonas Boldt und er auf "der gleichen Schiene" arbeiten würden. 

Damals, wie heute wäre es wichtiger denn je, eine Gemeinschaft zu kreieren, es wären alle froh gewesen, damals einen Uwe Seeler, Zebec, Happel oder Netzer gehabt zu haben, jedoch wäre es "immer ein Wir" gewesen. Alle im Verein seien "einfache Leute", die immer versuchen würden, das Beste rauszuholen und das in einem "Kreis, der ehrlich mit dir umgeht."

"Wir sind der HSV"

Für Horst Hrubesch stand immer das Menschliche im Vordergrund, etwas dass sich bis heute gehalten und auch in seiner Rolle als Leiter der Nachwuchsabteilung nicht abgerissen hat. Im Kontakt mit den Talenten der U-Mannschaften geht er geradlinig und ehrlich um: „Ich möchte dann bei einem Spielergespräch auch nicht die Meinung von dem Berater oder sonst jemandem, mich interessiert die Meinung von dem Jungen selbst: Du warst jetzt vier Jahre hier, willst du hier bleiben oder nicht?" 

Und wenn jemand bereits mit der deutschen U19 und U21 als Trainer Europameister geworden ist, Mannschaften in denen spätere WM-Sieger wie Kroos, Özil oder Sami Khedira spielten, wird er den richtigen Draht zur heutigen Jugend finden können. Und beim HSV geht er mit dem Ansatz ran, dass sie es "nur gemeinsam schaffen können", denn "alleine schaffe es niemand." Gefolgt von seinen Abschlussworten, die Horst Hrubeschs Spieler -und Funktionärskarriere beim HSV bis heute zusammenfassen:  „Das Credo was ich da immer sehe ist – ich bin nicht so wichtig, wir sind wichtig. Nicht ich bin der HSV, wir sind der HSV.“

Horst Hrubesch nach dem Interview mit Flashscore-Redakteur Henri Briese.
Horst Hrubesch nach dem Interview mit Flashscore-Redakteur Henri Briese.Briese