Kommentar: Das All-Star-Game zeigt die Probleme der modernen NBA - mehr Show als Basketball

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Kommentar: Das All-Star-Game zeigt die Probleme der modernen NBA - mehr Show als Basketball
Tatum beim Dunk ohne Gegenwehr.
Tatum beim Dunk ohne Gegenwehr. Profimedia
Jayson Tatum setzte einen neuen Rekord beim All-Star-Game. 55 Zähler gelangen ihm, mehr Punkte bei einem All-Star-Game gab es bislang nie. Viele Fans lässt das aber kalt. Das All-Star-Game ist zu einem reinen Show-Schauspiel ohne Defensive geworden. In den 90er-Jahren wäre es unmöglich gewesen, derart viele Punkte bei einem All-Star-Game zu erzielen. 

Jayson Tatum gewann die Kobe Bryant Trophäe als wertvollster Spieler des Spiels. Der Namensgeber dieser Trophäe war es auch, der vor seinem Tod für eine Erneuerung des All-Star-Games geworben hat. “Es war mal kompetitiv. Millionen von Fans schauen sich das an und sie wollen das beste Spiel der Welt sehen. Sie wollen nicht sehen, wie Spieler hoch und runter rennen, Dunks produzieren und verrückte Dinge tun.” 

Die meisten von Tatums Punkten waren einfache Layups ohne irgendeine defensive Antwort. Er traf 12 von 13 Würfen in der Zone und 10 von 18 Würfen aus dem Drei-Punkte-Bereich, alles "uncontested", wie man in den USA zu sagen pflegt. Am Ende hatte jene Spieler die meisten Punkte, der am häufigsten den Ball hält. Tatum stieß bei seinem Weg zum Korb auf keine Gegenwehr. Dennoch gehören ihm die heutigen Schlagzeilen.

Insbesondere unter den Posts in den sozialen Medien formiert sich immer größerer Unmut über das NBA All-Star-Game. Viele Fans interessieren sich nicht mehr für den Spielverlauf, inflationäre Statistiken und neue Meilensteine. Sogar das Highlight-Video wirkt für viele Basketball-Fans geradezu absurd. Die Frage sei erlaubt: Ist das noch Basketball?

Dieses All-Star-Game hat auch offengelegt, wie inflationär die heutige NBA mit Statistiken umgeht. Auch in der regulären Saison wird immer seltener Defense gespielt. Das beeinflusst die Zahlen immens. Mit Russell Westbrooks Durchbruch in der NBA fand das Wort "Stat-Padder" Eingang ins Vokabular jedes NBA-Fans. Wir wissen, dass ein Triple-Double keine besondere Leistung mehr darstellt, dass man trotz zahlreicher Triple-Doubles die Playoffs verfehlen kann.

Knapp 30 Punkte mehr pro Spiel als vor 15 Jahren

2021/22 kassierten 9 Teams mehr als 1.1 Punkte je Ballbesitz des Gegners. In dieser Saison sind es bereits 19 Mannschaften. Letzte Saison gab es 12 Teams, die weniger als 110 Punkte je Spiel zulassen, diese Saison sind es nur noch zwei. In der Saison 2004/05 war Orlando das schlechteste defensive Team mit 101 zugelassenen Punkten je Spiel. In der aktuellen Spielzeit 2022/23 stünden sie damit auf Rang eins in der defensiven Statistik der NBA.

2005 war Orlando letzter im defensiven Ranking, heute wären sie mit selbigem 1.
2005 war Orlando letzter im defensiven Ranking, heute wären sie mit selbigem 1.Profimedia

Aufgrund der massiven Anzahl an zu absolvierenden Partien setzen die meisten NBA-Teams auf nur ein defensives Konzept, bei dem man dann die gesamte Saison über verharrt. Zeit, sich auf den nächsten Gegner vorzubereiten, ist rar geworden. Gleichzeitig befinden sich viele Teams im “Rebuild” und haben dementsprechend wenig Interesse, Defense zu spielen. Beispielsweise San Antonio oder Detroit. Zugleich hat das Spiel allgemein an Geschwindigkeit gewonnen, jedoch an Physis nachgelassen. Die NBA konvertiert immer mehr zu einer reinen Show-Liga —zumindest in der regulären Saison. Sobald die Playoffs beginnen, wird auch das Spiel wieder ein anderes sein. Die NBA-Stars Luka Doncic und Giannis Antetokounmpo hatten bereits davon erzählt, wie viel einfacher es ist, in der NBA zu scoren als in Europa.

Spiele reduzieren, um die Bedeutung aufzuwerten?

Von den nordamerikanischen Profiligen kommt die NHL am ehesten an das Konzept der NBA ran. Beide Ligen weisen eine ähnlich hohe Zahl an Spielen in der Regular Season auf. Gefühlt bietet die NHL im Grunddurchgang dennoch mehr Intensität. Auch in der NHL sinkt die Punkteausbeute, sobald die Playoffs beginnen. Doch die Spiele in der regulären Saison werden mit mehr Körperlichkeit geführt, trotz einer hohen Belastung mit vielen und in kurzer Zeit aufeinanderfolgenden Partien.

Die NBA wird sich die Frage stellen müssen, ob die Anzahl der Spiele nicht reduziert werden sollte. Um den einzelnen Partien ihre Bedeutung zurückzugeben und den Teams wieder mehr Zeit für die taktische Vorbereitung zu geben. Gleichzeitig würde auch das "Tanking" verhindert oder zumindest verzögert werden. Bleibt die NBA ihrem aktuellen Kurs treu, wird sie nicht nur weiter an Physis und Wettkampfhärte verlieren — sondern auch ihre Bedeutung bei den Zuschauern.