Spanien will sich im Achtelfinale von Geheimfavorit Marokko nicht überraschen lassen

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Spanien will sich im Achtelfinale von Geheimfavorit Marokko nicht überraschen lassen
Luis Enrique gibt seinem Stürmer Morata Anweisungen
Luis Enrique gibt seinem Stürmer Morata Anweisungen
AFP
Es könnte ein schwieriges Duell für Luis Enrique und "La Roja" werden. Immer noch wird Marokko unterschätzt – obwohl man als nur eines von drei Teams mit sieben Punkten die Gruppenphase beendete. Spanien blamierte sich bereits gegen Japan – den Fehler, die eigene Spielweise zu überschätzen, wird sich der Favorit im Achtelfinale nicht mehr erlauben können. Anpfiff ist am Mittwoch um 16 Uhr.

Wer eine Meinung zu Marokkos Team sucht, stößt schnell auf alte Vorurteile gegenüber afrikanischen Mannschaften: etwas chaotisch, lauffaul, zu sehr auf Mentalität als auf eine taktisch kluge Herangehensweise bedacht. Die eurozentrische Überheblichkeit bei Weltmeisterschaften ist nichts Neues, insbesondere das Turnier in Katar zeichnete sich durch etliche Überraschungen aus – die bei genauerer Betrachtung gar keine Überraschungen waren. Wie die Ergebnisse in der Gruppenphase bewiesen haben: viele Teams benötigen erst einen kräftigen Dämpfer, um sich dem Ernst der Lage bewusst zu werden.

Wollte das indische Nationalteam 1950 nicht zur WM reisen, weil der Weltverband den Spielern verbot, barfuß anzutreten, kann sich die professionelle Herangehensweise vieler kleiner oder nicht enorm traditionsreicher Verbände mit jenen europäischer Fußballnationen messen lassen. Walid Regragui, Marokkos Nationaltrainer, ist am afrikanischen Kontinent ein Star. Nach dem Champions League Triumph mit Wydad Casablanca und nachdem sich der alte Trainer Vahid Halilhodžić mit den Stars des marokkanischen Teams nicht mehr zurechtgefunden hatte, sahen die Löwen vom Atlas ihre Chance gekommen.

Der "afrikanische Guardiola" musste vom nationalen Fußballverband nicht lange überzeugt werden. Regragui hat die taktischen Trends der letzten Jahre intensiv mitverfolgt, hat gegenüber europäischen Trainern aber den massiven Vorteil, die Ängste und Nöte seiner Stars zu verstehen. Ein Streit wie zwischen Halilhodžić mit Noussair Mazraoui und Hakim Ziyech ist dem 47-Jährigen noch nicht passiert. Wie sein Team die schwierige Gruppe F gemeistert hat, bewies, dass hinter der neuen Harmonie mehr steckt, als das dumpfe Bedürfnis, mit einem Trainer aus dem eigenen Land an den Start zu gehen.

Walid Regragui wird ein sehr guter Draht zu seinen Spielern nachgesagt
AFP

Nach dem knappen Weiterkommen Spaniens als Gruppenzweiter war gar spekuliert worden, ob Luis Enriques Team mit einem Art "Nicht-Angriffs-Pakt" gegen Japan den ersten Gruppenplatz und damit einhergehend das Duell mit Kroatien vermeiden wollte. Dass Marokko von renommierten europäischen und anglo-amerikanischen Medien wie The Athletic als "das leichtere Los" verstanden wird, ist für alle Beobachter der Nordafrikaner schwer zu verstehen. Auf vielen Positionen ist die Elf aus dem Maghreb gleichwertig oder gar besser besetzt als der Vize-Weltmeister von 2018.

Von einem Außenverteidiger-Duo, wie es Bayerns Mazraoui und Achraf Hakimi darstellen, träumen viele andere Topmannschaften. Kein echter Experte wird anzweifeln können, dass Flügelstürmer Ziyech trotz einer schwierigen Mentalität technisch einer der versiertesten Kicker dieses Planeten ist. Auch Youssef En-Nesyri und Torhüter Bono (beide FC Sevilla) fanden pünktlich zu Turnbeginn ihre Bestform wieder. Der schwächste Mannschaftsteil ist das Mittelfeld – obwohl Sofyan Amrabat einer der vielleicht am meisten unterschätzten Sechser der Serie A ist. 

Der gebürtige Niederländer steht bei der Fiorentina unter Vertrag und zählt dort zum Stammpersonal. Bei den progressiven Pässen (also jenen Zuspielen, die gegnerische Ketten hinter sich lassen und somit den Ball näher ans gegnerische Tor bringen) und in der Abfangstatistik zählt Amrabat zur Weltspitze. Die Erfahrung, die Übersicht und das Spielverständnis eines Sergio Busquets kann er zwar nicht aufweisen. Doch zum einen können auf diesem Planeten vielleicht drei oder vier andere Spieler in dieser Hinsicht mit Busquets mithalten, zum anderen zeigte sich der 34-Jährige gegen Japan ungewohnt fehleranfällig.

Bei den Defensivstatistiken hat Amrabat die Nase vorne, beim Passspiel Busquets
Opta by Stats Perform/AFP

Es bleibt abzuwarten, ob das Duell am Dienstag (ab 16 Uhr im Education City Stadium) zu einer Mentalitätsschlacht, einem Spitzenspiel oder vielleicht doch zu einer klaren Nummer für Spanien wird. Überheblichkeit ist gegen die siegeshungrigen Marokkaner jedenfalls fehl am Platz. Das weiß Trainer Enrique, das wissen die Spieler: nur noch die Öffentlichkeit möchte es manchmal nicht ganz verstanden haben.

Das Personal: Marokko

Es ist davon auszugehen, dass Trainer Regragui auf seine Standardmannschaft setzt – insofern Hakimi und Ziyech für das Spiel fit genug sind. Beide waren kurzzeitig fraglich, den letzten Wasserstandsmeldungen zufolge steht einem Einsatz gegen Spanien jedoch nichts im Wege. Im Mittelfeld wird sich Amrabat seine Aufgaben mit Angers-Legionär Azzedine Ounahi (22) teilen. Den dritten zentralen Mittelfeldspieler in Regraguis zwischen einem 4-3-3 und einem 4-5-1 verschwimmendem System bildet voraussichtlich Spielgestalter Selim Amallah

Voraussichtliche Aufstellung von Marokko:

Bono – Hakimi, Aguerd, Saïss, Mazraoui – Amrabat, Ounahi, Amallah – Ziyech, En-Nesyri, Boufal

Das Personal: Spanien

Dani Olmo übernahm in Enriques System bislang eine immanente Rolle. Mit seinen Offensivqualitäten und dem ihm eigenen Zug zum Tor ist der Leipziger eine gute Ergänzung gegenüber dem spielstarken und auf sauberes Passspiel spezialisierten Mittelfeld mit Busquets, Pedri und Gavi. Entweder übernahm Olmo die Rolle des spielstarken Neuners oder er unterstützte als hängende Spitze Stoßstürmer Álvaro Morata bei der Strafraumbesetzung. Die Rolle des Freigeists gefällt Olmo, Enrique wie der diese ausfüllt. Insofern dürfte sich Olmo auf dem Papier zwar als Linksaußen, auf dem Rasen aber deutlich zentraler positionieren. 

Fraglich ist, ob César Azpilicueta nach seinem schwachen Auftritt erneut den Vorzug gegenüber Carvajal bekommt. Wir vermuten: eher nicht. Den Linksverteidiger macht wohl nach Verschnaufpause wieder Jordi Alba. In der Innenverteidigung ist der umgeschulte Sechser Rodri vermutlich gesetzt. Auf der Halbposition links neben ihm kämpfen Torres und Laporte um die Gunst des Trainers.

Voraussichtliche Aufstellung von Spanien:

Simón – Carvajal, Rodri, Laporte, Alba – Busquets, Pedri, Gavi – Asensio, Morata, Olmo